Russland:Ein französischer Deal

Frankreichs Präsident Macron hat seine Liebe zu Moskau entdeckt und will nun einen Ukraine-Gipfel abhalten. Was aber hat sich an der Politik Putins geändert? Macron wird ein paar Antworten geben müssen.

Von Nadia Pantel

Sollte man jemals in die Verlegenheit kommen, sich mit Emmanuel Macron streiten zu müssen, steht eine Sache fest: Frankreichs Präsident ist nicht nachtragend. Als er 2017 Präsident werden wollte, setzte sein russischer Amtskollege Wladimir Putin vieles, darunter auch einige Hacker, in Bewegung, um den Sieg des damals 39-Jährigen zu verhindern. Eine Feindschaft zu dem Mann begründete das aber nicht. Im Gegenteil. Macron hat sich zu Putins engagiertestem Fürsprecher in Europa entwickelt.

Das liegt an der Politik des "Deals", die Europa von Donald Trump schon gewohnt ist und die auch Macron schätzt. Die französischen Deals kommen eleganter und weniger brüskierend daher als die amerikanischen, doch beide entspringen dem Umstand, dass sowohl Macron als auch Trump sich als smarte Manager ihrer Länder verstehen.

Macron führt das Land auf eine Art und Weise, die er in der freien Wirtschaft, nicht in der Politik gelernt hat. Flexibel bleiben und effizient handeln, mit diesen Grundprinzipien beschreibt Macron seine Politik, und nach diesen Prinzipien trifft er seine Entscheidungen. Gerade was die Außenpolitik betrifft, kommuniziert er seine Pläne bemerkenswert offen. Er will die Europäische Union zu einer unabhängigen Militärmacht ausbauen und damit die Lücke füllen, die aus der amerikanischen Abwendung entsteht. Dieses Ziel erscheint ihm leichter zu realisieren, wenn es von Russland mitgetragen wird. In Macrons Logik und auch in seiner Rhetorik verdient dieses Vorgehen das Prädikat "effizient".

Bleibt noch die Frage der Flexibilität. Vor der Europawahl entschied sich Macron für einen Wahlkampf, der nur noch Gut und Böse kannte. In die Kategorie Böse fielen alle nationalistisch tönenden Parteien und Regierungen von seiner Widersacherin Marine Le Pen bis zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Dieser sei ein "Hauptgegner der EU", sagte Macron vor weniger als einem Jahr über Orbán. Das dürfte dem Ungarn ebenso geschmeichelt haben wie die Tatsache, dass Macron Orbán nun eine "intellektuelle und politische Schlüsselfigur" nennt, mit der gemeinsam er die Polen davon überzeugen will, Vertrauen zu Putin aufzubauen.

Der Präsident verfolgt eine widersprüchliche Politik gegenüber Russland

Greifbare Ergebnisse der macronschen Russlandoffensive gibt es bislang noch nicht. Am Freitag kündigte der Élysée-Palast an, dass im Dezember Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodimir Selenskij in Paris erwartet werden, um unter französischer und deutscher Vermittlung einen erneuten Versuch zu starten, den Krieg in der Ostukraine zu beenden. Das klingt hoffnungsfroh. Nur bleiben gleichzeitig die konkreten Hinweise aus, dass sich irgendetwas an Putins Haltung gegenüber der Ukraine geändert hätte.

Als Macron im vergangenen Sommer mit Putin auf der Terrasse seiner Sommerresidenz am Mittelmeer saß, fragte eine Journalistin, wie Macron denn die Menschen in Russland unterstützen wolle, denen Putin immer stärker die Grundrechte beschneidet. Macron reagierte auf die Frage mit einem längeren Exkurs zur russisch-französischen Freundschaft zu Zeiten Katharinas der Großen. Nur geht es in der aktuellen Weltlage nicht darum, Russlands historische Größe kleinzureden. Die Menschen in Russland und in der Ukraine brauchen keinen französischen Präsidenten, der ihre Philosophen und Literaten verteidigt. Sondern einen, der sich für ihre Freiheit einsetzt.

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