Russland:Rochaden in Moskau

Russland: Denis Manturow genießt wohl das Vertrauen von Wladimir Putin. Der Handelsminister wird zu einem von zehn Vizepremiers ernannt.

Denis Manturow genießt wohl das Vertrauen von Wladimir Putin. Der Handelsminister wird zu einem von zehn Vizepremiers ernannt.

(Foto: Anton Novoderezhkin/Imago/Itar-Tass)

Denis Manturow wird mächtiger Vizepremier für Industrie und Handel. Und Putin wechselt den Chef der Weltraumbehörde.

Von Frank Nienhuysen

Die russische Duma hat am Freitag den Industrie- und Handelsminister Denis Manturow zu einem von zehn Vizepremiers gemacht und damit den Schlüsselposten deutlich aufgewertet. Die russische Wirtschaft muss sich wegen der Sanktionen des Westens und dem Rückzug vieler ausländischer Groß- und mittelständischer Unternehmen umstellen und will deshalb die heimische Industrie stärken. Sie muss nun versuchen, die deutlichen Importausfälle aufzufangen.

Manturow selbst sagte am Freitag zum Beispiel, dass die Autoproduktion in diesem Jahr um 50 Prozent sinken könnte. Eine Reihe ausländischer Firmen wie zuletzt Renault, die in Russland produzierten, haben sich wegen des Kriegs gegen die Ukraine zurückgezogen.

Auch ein Ukas von Präsident Wladimir Putin vom Donnerstag dürfte künftig die Arbeit des neuen Vizepremiers prägen. Putin ordnete an, dass die russische Industrie sich stärker an dem Bedarf der Streitkräfte ausrichten müsse. Produktion und Lieferung für die Armee könnten dann anderen Branchen gegenüber bevorzugt werden. Angestellte von Betrieben können demnach auch dazu gezwungen werden, Überstunden zu machen oder auf Urlaubstage zu verzichten.

Das russische Parlament war kurzfristig trotz der begonnenen Sommerpause zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengekommen. Es war deshalb zuvor in den russischen Medien viel spekuliert worden, worüber die Duma beraten und abstimmen würde, bis hin zu einer Regierungsumbildung. Von mehr als 60 Themen war die Rede gewesen.

Gründung einer neuen landesweiten Kinder- und Jugendbewegung

Einen Wechsel gibt es an der Spitze der wichtigen Weltraum- und Luftfahrtbehörde Roskosmos. Dessen bisheriger Direktor Dmitrij Rogosin, der als langjähriger Vertrauter Putins gilt, wurde vom Kremlchef per Erlass abgelöst und wird durch Jurij Borissow ersetzt. Unklar war zunächst, für welchen anderen Posten Rogosin vorgesehen ist. Rogosin war einst Chef der kremltreuen Partei Rodina (Vaterland) und später mehrere Jahre lang Russlands Botschafter bei der Nato in Brüssel.

Es wurde spekuliert, dass er ins russische Präsidialamt wechseln oder eine Führungsrolle in den ostukrainischen Gebieten Luhansk und Donezk übernehmen könnte, die Russland als unabhängig anerkannt hat. Die unabhängige russische Medienplattform Meduza berichtete, dass die russischen Abgeordneten sich darauf einstellen müssten, bis zur nächsten Herbstsitzung für eine mögliche weitere ungeplante Sitzung ins Parlament zu kommen.

Putin hatte bereits am Donnerstag an einem Tag mehr als hundert neue oder veränderte Gesetze unterzeichnet. So wird etwa eine neue landesweite Kinder- und Jugendbewegung mit dem Namen "Großer Wandel" gegründet, eine Art neue Pionierbewegung. Putin unterschrieb auch eine weitere Verschärfung des Gesetzes zu sogenannten ausländischen Agenten.

Um mit diesem Label ins Register des Justizministeriums zu gelangen, ist es künftig nicht mehr zwingend notwendig, dass eine Person oder Organisation finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält; es reicht bereits, unter "ausländischem Einfluss" zu stehen. Kritiker sehen darin eine totale Willkür, um gegen kritische Stimmen vorzugehen.

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