Propaganda:Wieso Russland ein so böses Bild von Berlin zeichnet

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Verschwommenes Deutschlandbild: Die Kuppel des Reichstags in Berlin.

(Foto: Sven Simon/imago)

Die Bundesrepublik wird zunehmend Ziel russischer Propaganda. Aktuellstes Beispiel: Eine bizarre Geschichte über den Sender RT und ein Bankkonto in Deutschland.

Von Silke Bigalke, Moskau, und Meike Schreiber, Frankfurt

Die Geschichte ärgert Maria Sacharowa schon länger. Seit knapp zwei Wochen versucht die Sprecherin des russischen Außenministeriums bereits, Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Es geht dabei um den Sender RT, früher Russia Today, den der Kreml finanziert. Der deutsche RT-Ableger beklagt Probleme mit einem Konto bei der Commerzbank. Die Bank wolle dieses Konto bis Ende Mai schließen, heißt es. Und Sacharowa nutzt diese Geschichte, um Deutschland einmal mehr eine russlandfeindliche Politik vorzuwerfen.

Nun bleibt es jedoch längst nicht mehr bei Vorwürfen. Bereits Anfang März hatte die Sprecherin des Außenministeriums behauptet, die Kontoschließung sei politisch motiviert. Und sie hat gedroht: "Wir ermahnen Berlin, seine Meinung zu ändern" und die "restriktiven Maßnahmen" gegen Journalisten aufzuheben, sagte sie damals. "Andernfalls werden wir gezwungen sein, harte Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Medien in Russland zu ergreifen."

Die Drohung hat sie nun gegenüber der dpa wiederholt, Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat sich auch dazu geäußert. Pressefreiheit sei "keine Verhandlungsmasse", sagte er am Mittwoch, das habe man der russischen Seite unmissverständlich mitgeteilt. Medien müssten im Ausland unabhängig und frei berichten können. "In Deutschland ist das möglich, und das muss auch in Russland der Fall sein." Die Geschichte über das RT-Konto ist damit doch noch zum Politikum geworden. Dabei stammen die Informationen über die Kontoschließung vom Sender selbst. RT behauptet, auch andere Banken hätten ihn abgewiesen.

Die Commerzbank, die an das Bankgeheimnis gebunden ist, möchte die Angelegenheit nicht kommentieren. Die Gründe für die Kündigung sind daher unklar. Gut möglich ist aber, dass die Commerzbank RT deshalb gekündigt hat, weil sich der Sender an russischen Desinformationskampagnen beteiligt. Die Bank hat sich strenge Richtlinien gegeben und prüft Geschäfte regelmäßig kritisch, "was bis zur Ablehnung des Geschäfts oder der Geschäftsbeziehung führen kann", wie es auf der Internetseite heißt. RT dürfte zudem nicht gänzlich von Bankdienstleistungen ausgeschlossen sein. Auch in Deutschland gibt es Niederlassungen russischer Banken, die den Sender als Kunden sicherlich annehmen würden.

Moskau: Berlin als Anführer einer Russland-feindlichen EU-Politik

Die russische Klage dürfte ohnehin andere Hintergründe haben. Erstens spielt sicher eine Rolle, dass RT angekündigt hat, bis Jahresende einen vollwertigen deutschsprachigen Sender aufbauen zu wollen. Eine Lizenz dafür zu erhalten, dürfte für den staatlich finanzierten Sender schwierig werden. Der zweite Grund ist, dass die Geschichte gut in die derzeitige russische Propaganda Deutschland gegenüber passt. Seit der Kremlkritiker Alexej Nawalny nach einem Giftanschlag in Berlin behandelt wurde, stellt vor allem das russische Außenministerium Berlin als Anführer einer russlandfeindlichen EU-Politik dar. Den Kreml ärgerte nicht nur Angelas Merkels Krankenbesuch bei Nawalny, sondern auch die Feststellung, dass der Oppositionelle mit Nowitschok vergiftet wurde und der Kreml dafür verantwortlich sein muss.

Die russische Seite porträtiert Nawalny seither als Instrument westlicher Geheimdienste. Maria Sacharowa spricht dabei selbst von einer "mythischen" Vergiftung und von einer "Farce". Ihre Strategie ist, russische Aggressionen, auf die Berlin und Brüssel reagieren müssen, zu verschweigen oder zu leugnen. Und dann wiederum die europäischen Reaktionen als grundlose Aggression gegenüber Moskau darzustellen.

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) hat kürzlich einen Bericht über russische Desinformationskampagnen veröffentlicht. Das Ergebnis: Kein anderer EU-Staat wird dabei heftiger angegriffen als Deutschland. "Der Kreml schafft von Deutschland ein geistiges Bild, in dem es in einem Chor irrationaler 'Russophobie' einige wenige vernünftige Stimmen gibt", heißt es im Bericht. Ein Deutschlandbild, das wohl vor allem für das russische Publikum gezeichnet wird, um es hinter dem Kreml und gegen einen äußeren Feind zu versammeln.

Er wolle auf diese Desinformationskampagnen mit einer "Positivagenda" antworten, sagte damals Außenminister Maas. Zivilgesellschaftlicher Austausch solle helfen, damit falsche Informationen über Deutschland nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Der EAD-Bericht sagt jedoch auch, dass der Kreml die europäische Dialogbereitschaft auszunutzen wisse. Als etwa der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell für Gespräche nach Moskau kam, wies das russische Außenministerium zeitgleich drei Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden aus - und brüskierte Borrell damit gezielt.

Gleichzeitig wird die Arbeit unabhängiger Journalisten in Russland immer schwieriger. Wer etwa von Protesten berichtet, muss selbst dann mit einer Festnahme rechnen, wenn er als Medienvertreter erkennbar ist. Auslandskorrespondenten droht künftig, dass sie zu "ausländischen Agenten" erklärt werden können. Unabhängig zu berichten, würde damit praktisch unmöglich, weil dieses Label jeden in Schwierigkeiten bringt, der mit einem "ausländischen Agenten" kooperiert.

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A man stands near a police bus after he was detained in Moscow, Russia, Saturday, March 13, 2021.

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