Stationierung von US-Waffen:Russland droht, Deutschland rüstet

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Kein wohlgesinnter Nachbar: das Aeroflot-Gebäude und die Botschaft Russlands in Berlin-Mitte. (Foto: Friedrich Bungert)

Der Kreml spricht eine unverhohlene Warnung an EU-Länder aus, die ab 2026 US-Mittelstreckenwaffen stationieren wollen: „Alle Hauptstädte dieser Staaten sind potenzielle Opfer“.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Die russische Führung hat mit neuen Drohungen auf gemeinsame Pläne der Bundesregierung und von US-Präsident Joe Biden auf die geplante Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenwaffen in Deutschland reagiert. Jedes europäische Land, das die Stationierung von US-Raketen akzeptiere, setze sich selbst einem Risiko aus, warnte Kremlsprecher Dmitrij Peskow in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit dem russischen Staatsfernsehen. „Wir haben genügen Möglichkeiten zur Abschreckung gegen diese Raketen“, sagte Peskow. „Aber die Hauptstädte dieser Staaten sind potenzielle Opfer“ fügte er hinzu.

Während des Kalten Krieges seien amerikanische Raketen in Europa auf Russland gerichtet gewesen und russische Raketen im Gegenzug auf Europa. Auf die eine oder andere Weise werde sich die Geschichte wiederholen. Allerdings verschwieg Peskow in seinen Äußerungen, dass Russland in den vergangenen Jahren massiv bei nuklearen Mittelstreckenwaffen aufgerüstet hat und diese im westlichen und südlichen Militärbezirk stationiert, die an die Ukraine und eine Reihe von Nato-Staaten grenzen. Zudem hat Russland nach Erkenntnissen westlicher Nachrichtendienste Atomsprengköpfe in der zwischen Litauen und Polen gelegenen Exklave Kaliningrad an der Ostsee stationiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte während des Nato-Gipfels vergangene Woche in Washington dazu: „Wir wissen, dass es eine unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen.“

Die USA hatten unter Präsident Donald Trump den 1979 geschlossenen INF-Vertrag zum Verbot nuklearer Mittelstreckenwaffen im Februar 2019 gekündigt, weil Russland unter Verstoß gegen die Bestimmungen einen landgestützten Marschflugkörper mit 2500 Kilometern Reichweite entwickelt hat. Er wurde nach US-Geheimdiensterkenntnissen von 2008 an getestet und 2017 bei den Streitkräften eingeführt. Russland bestritt damals, dass die Waffe vom Typ 9M729, bei der Nato als SSC-8 bekannt, gegen den INF-Vertrag verstoße, der den USA und Russland Entwicklung, Produktion und Besitz von landgestützten Marschflugkörpern und ballistischen Raketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern untersagte.

Die US-Waffensysteme „erhöhen die Sicherheit wegen der Abschreckungswirkung“, sagt Kanzler Scholz

Kanzler Scholz wies am Freitagabend in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem japanischen Premierminister Fumio Kishida Befürchtungen zurück, die von 2026 an geplante Stationierung der US-Waffensysteme könnte zu einer Eskalation mit Russland führen. „Das erhöht die Sicherheit wegen der Abschreckungswirkung, weil man nicht aus sicherem Hinterland angreifen kann“, sagte Scholz . „Und das, worum es uns immer geht, ist ja, einen Krieg zu verhindern.“ Scholz wies die Kritik von AfD, BSW, Linken, aber auch einigen SPD-Politikern zurück.

Die Initiative für die Stationierung ging von der Bundesregierung aus. Die Verhandlungen mit der Regierung in Washington dazu haben bereits im vergangenen Jahr begonnen. Die Bundestagsfraktionen der Ampelkoalition waren nach Regierungsangaben informiert über die Gespräche, ebenso die größte Oppositionsfraktion von CDU und CSU. US-Sicherheitsberater Jake Sullivan machte bereits beim Nato-Gipfel in Washington in der vergangenen Woche deutlich, dass sich die USA durch weiteres Säbelrasseln Russland nicht von ihren Plänen werde abbringen lassen.

In der Nacht zum Samstag telefonierten US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein russischer Kollege Andrej Beloussow miteinander. Es liegt nahe, dass es dabei auch um die angekündigte Stationierung ging. Das Gespräch sei auf Initiative der russischen Seite zustande gekommen, teilte das Pentagon mit. Austin habe betont, dass es wichtig sei, Kommunikationskanäle ungeachtet des russischen Kriegs gegen die Ukraine aufrecht zu erhalten. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die Minister hätten sich über die Vermeidung von Sicherheitsrisiken und der Minimierung eines Eskalationsrisikos ausgetauscht.

In Deutschland entspann sich am Wochenende zudem eine Debatte über Konsequenzen aus verhinderten russischen Anschlagsplänen gegen den Vorstandschef des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger. Sein Unternehmen ist einer der wichtigsten Lieferanten von Panzern und Artillerie für die Ukraine. Mehrere CDU-Innenpolitiker forderten, die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste auszuweiten.

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