Russland-Besuch von Gabriel:Wie Gabriel in Moskau russische Sticheleien pariert

  • Bei Außenminister Gabriels Antrittsbesuch in Moskau kommt es zu einem Schlagabtausch mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow.
  • Russische Medien und Lawrow selbst versuchen, Gabriel in Bedrängnis zu bringen. Doch der reagiert diplomatisch und gleichzeitig schlagfertig.

Von Nico Fried, Moskau

Sergej Lawrow ist schon lange russischer Außenminister. Sehr lange. Auf den Tag genau 13 Jahre sind es, als Sigmar Gabriel am Donnerstag zum Antrittsbesuch kommt. Der neue deutsche Außenminister gratuliert dem russischen Kollegen, sagt, dass es bei ihm selbst ja noch keine 13 Wochen im Amt seien (tatsächlich sind es gerade einmal sechs), und schlussfolgert: "Insofern bist Du mir überlegen."

Doch dann folgt im Gästehaus des russischen Außenministeriums ein Schlagabtausch, in dem der Novize sich dem erfahrenen Kollegen durchaus gewachsen zeigt. Lawrow beginnt in höflicher Zurückhaltung, unterdrückt aber nicht allzu lange seine charakteristische Angriffslust. Gabriel wiederum zeigt, dass er seine ausgeprägten Qualitäten als politischer Raufbold den Erfordernissen des diplomatischen Umgangs anzupassen weiß. So entwickelt sich eine Pressekonferenz in freundlichem Grundton, aber gespickt mit kleinen Spitzen und durchaus von Aussagekraft, was das deutsch-russische Verhältnis betrifft.

Da sind zum Beispiel die Mutmaßungen über Hacker-Attacken. Gabriel vermeidet jeden Vorwurf gegen Russland und sagt ganz allgemein, es gebe ja Berichte über verschiedene Länder, die in Deutschland Einfluss nehmen wollten. Er hoffe aber, es handele sich nur um Gerüchte. Lawrow sagt, die russische Regierung wolle weder die Bundesregierung destabilisieren, noch das Ergebnis einer Wahl beeinflussen. Damit wäre die Sache eigentlich erledigt.

Lawrow hebt an zu einem Vortrag über die Zurückweisungen des Westens

Als Gabriel von einer russischen Journalistin trotzdem noch einmal auf die Vorwürfe aus Deutschland angesprochen wird, fragt er zurück: Wer denn die Vorwürfe erhebe? "Die Medien." Darauf aber will Gabriel nicht eingehen. Die deutschen Medien verantworteten sich selbst. "Das ist auch ein Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern." Da muss selbst der sonst meist stoische Lawrow grinsen.

Doch die meiste Zeit geht es um den Konflikt in der Ukraine. Statistisch falle im Donbass alle 50 Sekunden ein Schuss, sagt Gabriel, "mitten in Europa". Der neue deutsche Außenminister musste jüngst Lehrgeld zahlen, weil er am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz hoffnungsfroh eine Waffenruhe in der Ostukraine verkündet hatte, die dann aber keine 48 Stunden hielt. Lawrow sagt, er wolle "nicht mit dem Finger auf irgendjemanden zeigen" - doch seine Schuldzuweisungen zielen ausnahmslos auf die Regierung in Kiew. Gabriel erwidert, es brauche den Willen der Konfliktparteien, sich an Vereinbarungen zu halten. Er habe aber den Eindruck, Russland sei gewillt, trotz aller Rückschläge den Weg des Minsker Abkommens zu gehen, um den Konflikt zu lösen.

So weit, so üblich.

Doch Lawrow will noch etwas allgemeiner werden. "Ich werde mich kurz fassen", sagt der russische Außenminister - und hebt an zu einem gut zehnminütigen Vortrag, in dem er alles aufzählt, was sein Land in den vergangenen drei Jahrzehnten als Zurückweisungen des Westens empfunden habe. Bis heute würden russische Initiativen ignoriert; der Konflikt in der Ukraine werde als Vorwand genutzt, die Beziehungen nicht zu verbessern; die Nato umzingle Russland mit Militär, darunter auch deutsche Soldaten im Baltikum.

Bei der Diskussion um westliche Werte reagiert Gabriel schlagfertig

Sigmar Gabriel hört sich das an. Dann antwortet er, was in Pressekonferenzen dieser Art eher ungewöhnlich ist. Aber er kann nicht anders. Was Lawrow gesagt habe, sei "beeindruckend" gewesen. Doch bei allem Respekt vor diesen Sorgen, sei die Verletzung von Grenzen etwas, "das wir nicht akzeptieren werden". Der Ukraine-Konflikt sei der Kern aller Schwierigkeiten. Das Abkommen von Minsk müsse umgesetzt werden, daraus folge alles andere.

Lawrow sieht das nicht so. Die Zeiten änderten sich, mittlerweile entwickelten sich verschiedene Machtzentren, die Welt werde "multipolar" und "post-westlich". Soll heißen: Nehmt Euch nicht so wichtig. Auch darauf antwortet Gabriel: Der Begriff "post-westlich" mache ihm Probleme, "denn ich definiere den Westen weniger als geografischen Ort". Westlich, das habe eher "etwas mit Werten zu tun". Werte, sagt Gabriel, für die sich zum Beispiel die Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz eingesetzt hätten. "Herausgekommen ist eine Regierung der Muslim-Bruderschaft", stichelt Lawrow. Man könne im Ringen um die Werte auch verlieren, räumt Gabriel ein, das bedeute aber nicht, "dass sie falsch sind".

Am Ende wird der russische Außenminister gefragt, ob er einen Unterschied wahrnehme zwischen Gabriel und seinem Vorgänger Frank-Walter Steinmeier. "Ich spüre Kontinuität", sagt Lawrow. In der Sache mag das sein. Die Temperamente von Vorgänger und Nachfolger aber kann er nicht gemeint haben.

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