Russland-Beauftragter Erler:Kurswechsel mit neuem Koordinator

Gernot Erler

Gernot Erler von der SPD ist neuer Russland-Beauftragter.

(Foto: dpa)

Gernot Erler wird sich für die Bundesregierung künftig um die Beziehungen zu Moskau kümmern. Der ehemalige SPD-Fraktionsvize löst damit den CDU-Mann Andreas Schockenhoff ab. Während dieser Russlands Menschenrechtsprobleme offen ansprach, pflegt der Slawist Erler einen anderen Stil.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Eigentlich hat der Sozialdemokrat Gernot Erler, 69, gerade erst ein Amt abgegeben, nun übernimmt er schon das nächste. Bislang war er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, jetzt wird er Russland-Koordinator der Bundesregierung. Dass Erler diesen Posten bekommt, kann man ohne Neigung zur Überinterpretation als Signal für einen Kurswechsel deuten. Oder, vorsichtiger, zumindest als recht eindeutige Akzentverschiebung.

Bislang koordinierte der CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff die Beziehungen, und er hätte gern weitergemacht. Missstände auf russischer Seite, etwa Repressionen gegen die Zivilgesellschaft, hat er stets offen bis konfrontativ angesprochen, bis er in Moskau als Persona non grata galt. Erler pflegt einen deutlich anderen Stil, im vergangenen Jahr etwa plädierte er in der Zeit unter der Überschrift "Schluss mit dem Russland-Bashing!" für mehr Verständnis der russischen Situation und Gespräche "auf gleicher Augenhöhe".

Konfrontation führt in seinen Augen nicht weiter, doch unkritisch ist er nicht: "Wir sind alle frustriert von dem, was in Russland passiert", so beginnt sein Gastbeitrag aus dem vergangenen Jahr. Auf die Frage, ob seine Berufung ein Kurswechsel sei, sagt er: "Das Ausspielen von Russland-Kritikern gegen Russland-Versteher halte ich für wenig präzise. Auch ein Kritiker muss ja erst einmal verstehen und analysieren, bevor er sich eine Meinung bildet."

Russland-Koordinator deckt zwölf Länder ab

Selbst Gegner, die seine diplomatische Haltung für zu nachgiebig halten, bestreiten nicht seine Expertise. Nach dem Studium der Geschichte, Slawischen Sprachen und Politik arbeitete er nach einer Zwischenstation als Verlagsredakteur zehn Jahre als wissenschaftlicher Assistent am Seminar für Osteuropäische Geschichte an der Universität Freiburg. Seit 1987 ist er Bundestagsabgeordneter, von 2005 bis 2009 war er Staatsminister im Auswärtigen Amt. Einer seiner Schwerpunkt war damals die EU-Asien-Strategie. In der Bundestagsfraktion zählt Erler zu den Linken.

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier habe einen alten Weggefährten versorgen müssen, weil ein Jüngerer auf dessen Platz an der Fraktionsspitze drängte. Doch Steinmeier und Erler haben offenbar politisch noch einiges vor - so wird die Funktion über die Kompetenz für Russland hinaus erweitert und heißt künftig: Koordinator mit Zuständigkeit für Russland, Zentralasien und die Länder der östlichen Partnerschaft. Erler wird somit zwölf Länder abdecken müssen - unter anderem die Ukraine, die derzeit exemplarisch für die Probleme mit Russland steht. Die Olympischen Winterspiele in Sotschi sieht Erler als "Chance, das Interesse auch mal auf das Alltagsleben in Russland und die vielfältige Zivilgesellschaft zu richten".

Ganz neu ist Erler in seiner neuen Aufgabe übrigens nicht. Er selbst war es, der einst vorschlug, den Posten zu schaffen - und dann 2003 der erste Russland-Koordinator wurde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: