Süddeutsche Zeitung

Russland-Affäre:Mueller wird die Welt nicht von Trump erlösen

Seit genau einem Jahr ermittelt Robert Mueller in der Russland-Affäre. Die Demokraten scheinen wie besessen davon. Sie sollten lieber anfangen, Lösungen zu finden.

Kommentar von Thorsten Denkler, New York

In dem großen und verständlichen Wunsch, Trump endlich loszuwerden, ruhen die Hoffnungen vieler Demokraten in den USA auf Robert Mueller. Der frühere FBI-Chef ist seit genau einem Jahr Sonderermittler des Justizministeriums in der Russlandaffäre. Wenn es nach den Demokraten geht, wird er zweierlei beweisen. Dass Trumps Wahlkampf-Team - oder besser noch Trump selbst - mit Russland kollaboriert hat, um die Wahl 2016 zu gewinnen. Und dass Trump sich der Behinderung der Justiz schuldig gemacht hat, indem er etwa James Comey Anfang Mai 2017 als FBI-Chef gefeuert hat. Was nach Trumps eigenen Worten auch etwas mit der Russland-Sache zu tun hatte, in der Comey damals die Ermittlungen führte.

Würde sich nur einer der Vorwürfe strafrechtlich untermauern lassen, Trump könnte mit gutem Grund einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt werden. Manche Demokraten im Kongress spekulieren darauf.

Nur: Dazu wird es nicht kommen. James Comey sagt über Trump, dessen Verhalten erinnere ihn an einen Mafia-Boss. Wenn das stimmt, dann wird Trump peinlich darauf achten, sich nicht selbst die Hände schmutzig zu machen. Alles, was bisher ans Tageslicht gekommen ist, lässt zwar allerlei Schlüsse und Spekulationen zu. Aber mehr eben nicht. Die Demokraten sollten ihre Hoffnung also lieber heute als morgen begraben, Trump über ein Impeachment aus dem Amt jagen zu können.

Die Debatte darüber schadet den Demokraten mehr als sie ihnen nützt. Viele scheinen wie besessen von den Ermittlungen. Es gibt mehr Demokraten, die Muellers vermeintliche Fortschritte kommentieren, als Ideen, wie die Demokraten die Probleme der Menschen lösen und Wahlen gewinnen wollen. Das haben sie schon 2016 nicht geschafft. Es ist ja nicht so, dass Trump damals einen überragenden Sieg eingefahren hätte. Er lag knapp drei Millionen Stimmen hinter Hillary Clinton. Er konnte aber Präsident werden, weil er im sogenannten Rostgürtel der USA die Bundesstaaten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania knapp für sich entschieden hat. Das waren alles mal Hochburgen der Demokraten.

Bis heute haben die Demokraten keine überzeugenden Antworten für die Menschen in diesen strukturschwachen Regionen gefunden. Dort ist es an manchen Stellen so, als wäre das Ruhrgebiet nach dem Ende des Kohlebergbaus und der Stahlindustrie einfach sich selbst überlassen worden. Völlige Verwahrlosung. Die Menschen dort kratzt es herzlich wenig, was Trump mit Putin, gegen Comey oder für irgendwelche Porno-Stars übrig hat oder hatte. Sie sehen aber, dass Trump sie bis heute regelmäßig besucht. Auch wenn er oft nur so tut, als würde er sich kümmern, ist das schon mehr als die Demokraten für sie machen.

Den Demokraten fehlt der Mut, einen Schritt nach links zu gehen

Nancy Pelosi, Chefin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, und Chuck Schumer, ihr Pendant im Senat, glauben immer noch, dass nur der Wirtschaft geholfen werden müsse. Damit werde auch den Menschen geholfen. Mehr Konzept ist kaum zu erkennen.

Die Demokraten müssten sich eine neue, eine soziale Agenda geben. Eine, wie sie Bernie Sanders versucht voranzutreiben, der das europäische Sozialstaatsmodell gerne in die USA importieren würde. Sanders ist kein Demokrat, auch wenn er 2016 deren Präsidentschaftskandidat werden wollte. Er scheiterte, weil er weiten Teilen der Partei zu links war. Und weil die Parteioberen unbedingt Clinton durchsetzen wollten.

Der Ansatz von Sanders ist mutig. Er würde bedeuten, dass die Steuern in den USA massiv steigen würden, es dafür aber etwa eine Krankenversicherung für alle gäbe. In einem Gesundheitssystem, das dann vielleicht nur halb so teuer wäre wie das heutige. Unterm Strich würden alle sparen. Außerdem will er kostenlose und gute Bildung für alle Kinder von der Grundschule bis zu Universität. Das ist ein guter Gegenpol zur aktuellen US-Bildungsministerin Betsy DeVos, die so gut wie nichts von kostenlosen, öffentlichen Schulen hält. Und jetzt gerade in New York ausschließlich Privatschulen einen Besuch abstattet.

Aus europäischer Perspektive ist kaum zu verstehen, dass die Demokraten die Forderungen von Sanders nicht längst übernommen haben. Aber die Demokraten sind zu ängstlich. Ihnen fehlt der Mut, einen Schritt nach links zu gehen. Sie wollen sich nicht als Kommunisten beschimpfen lassen, wollen lieber dem Kapitalismus die Stange halten.

Stattdessen setzen sie allein darauf, dass der Frust auf Trump groß genug sein wird. Der Frust soll dafür sorgen, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren. Und dass die Wähler der Republikaner zu Hause bleiben. Im Herbst stehen die wichtigen Halbzeitwahlen an. Dann werden das Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senates neu besetzt. Viele Demokraten rechnen mit einer "blauen Welle". Blau ist die Farbe der Demokraten.

Sie könnten sich da gewaltig irren. Trump ist zwar so unbeliebt wie kaum ein anderer Präsident im zweiten Jahr seiner Amtszeit. Aber in allen Umfragen holt er langsam auf. Das hat Gründe.

Er mag irre sein, aber er hält seine Versprechen, viele zumindest. US-Botschaft nach Jerusalem, Ausstieg aus dem Iran-Deal und aus dem Klimaabkommen von Paris. Außerdem scheint ein Frieden mit Nordkorea möglich. China bietet er mit Strafzöllen die Stirn. Die US-Wirtschaft brummt. Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie lange nicht. Und eine Steuerreform hat er auch durchgesetzt.

Das ist nicht alles Trump allein anzurechnen. Aber die Prognosen, dass Trump etwa die US-Wirtschaft in den Ruin treiben würde, sind alle nicht eingetreten. Die USA mögen viel Vertrauen auf internationaler Bühne verspielt haben. Aber sie werden, wenn schon nicht respektiert, so doch gefürchtet.

Solche Sachen beeindrucken viele US-Bürger. Auch dann, wenn sie inhaltlich anderer Meinung sind. Was ein Problem für die Demokraten ist. Sie können nicht Trump zum unwählbaren Teufel erklären, wenn der gleichzeitig liefert.

Zugleich machen sie den Fehler, damit zu drohen, einige von Trumps Erfolgen rückgängig zu machen, sollten sie nach den Halbzeitwahlen die Kontrolle über beide Kammern haben. Nancy Pelosi etwa will Trumps Steuerreform rückgängig machen. Es stimmt ja, dass davon vor allem die Reichen profitieren. Aber die Ärmeren profitieren eben auch. Immer mehr Menschen glauben Trump, wenn er sagt, er habe mit der Steuerreform der hart arbeitenden Mittelklasse geholfen. Sie glauben es auch, weil sie den Demokraten gar nicht mehr trauen.

Es passiert gerade, was viele befürchtet haben. Die Menschen gewöhnen sich langsam an Trump. Sonderermittler Mueller wird irgendwann feststellen müssen, dass er gegen Trump nichts Handfestes vorlegen kann. Sollten die Demokraten dennoch versuchen, ihn seines Amtes zu entheben, werden sie den Eindruck verstärken, den Wählerwillen zu missachten.

Das ist einer der Hauptwürfe vieler früherer Obama-Wähler, die 2016 plötzlich für Trump gestimmt haben. Dass die Demokraten ihnen nicht zugehört hätten. Nur zur Erinnerung: Clinton hat in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania so gut wie keinen Wahlkampf gemacht. Sie hat diese Staaten als irrelevant links liegen lassen. Anders als Trumps Skandale werden das die Wähler dort so schnell nicht vergessen.

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