Russland-Affäre:Die Moskauer "Vertrauten"

Die russische Anwältin Natalia Weselnizkaja, mit der sich der US-Präsidentensohn Donald Trump Junior während des Wahlkampfs traf, hat zwar keinen direkten Zugang zu Präsident Putin - dafür aber Verbindungen zu einem mafiösen Milieu.

Von Julian Hans, Moskau

Von wem wurde nicht schon alles behauptet, er sei ein "Putin-Vertrauter". Wenn alles stimmen würde, was in den 17 Jahren seiner Herrschaft darüber berichtet wurde, dann hätte Wladimir Putin mehr Vertraute als andere Menschen Freunde auf Facebook. Tatsächlich haben nur sehr wenige Personen wirklich "Zugang zum Körper", wie es im Jargon der Moskauer Polittechnologen heißt. Und in den vergangenen Jahren wurde der Kreis derjenigen, die zum russischen Präsidenten vorgelassen werden und denen er zuhört noch enger. Im Kern sind es die Vertreter von Militär und Geheimdiensten im nationalen Sicherheitsrat.

Natalja Weselnizkaja, die Anwältin, die im Juli 2016 Donald Trump Junior, seinen Schwiegersohn Jared Kushner und den Wahlkampfmanager Paul Manafort in New York traf, so viel kann man sicher sagen, gehört nicht dazu. Genauso wenig der Immobilienunternehmer Aras Agalarow, der in den Emails an Trump den Jüngeren als Mittelsmann erwähnt wird. Nicht einmal der Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika, der laut den E-Mails brisantes Material "von der russischen Regierung" über Hillary Clinton bereithalte, kann wirklich als Putin-Vertrauter bezeichnet werden.

Die erwähnten Russen verbindet etwas anderes. Sie sind alle Vertreter eines halbseidenen Milieus, in dem Beamte, Unternehmer und Kriminelle einen mafiösen Filz bilden. Oft spielen dabei auch verwandtschaftliche Verbindungen eine Rolle. Die Karriere von Natalja Weselnizkaja illustriert das sehr gut. Die Anwältin begann ihre Laufbahn in der Staatsanwaltschaft des Moskauer Gebiets. Das Umland der Hauptstadt war in den 90er- und frühen 2000er-Jahren Schauplatz von heftigen Kämpfen um Grund und Boden, die Preise stiegen rasch, Investoren kauften das Land billig oder pressten es den Vorbesitzern notfalls mit Gewalt ab. So berichtet es der Journalist Leonid Bershidsky, der ein Buch über diese Zeit geschrieben hat und heute für Bloomberg arbeitet.

Weselnizkaja heiratete den stellvertretenden Oberstaatsanwalt und machte sich selbständig mit ihrer Kanzlei Kamerton Consulting. Ihre Spezialität waren eben jene Verfahren im Streit um Grundstücke, die die Frau des Oberstaatsanwalts zuverlässig im Sinne reicher Investoren entscheiden konnte. Ihrer eigenen Aussage nach hat sie 300 Verfahren gewonnen. Auch ihr Mann machte Karriere. Aus der Staatsanwaltschaft wurde er zum stellvertretenden Verkehrsminister der Region berufen. Weselnizkaja vertrat in der Folge auch die Familie des Verkehrsministers Pjotr Katsyw vor Gericht, unter anderem in einem Fall, in dem Katsyw vorgeworfen wurde, sich Immobilien illegal angeeignet zu haben.

Als Katsyws Sohn Denis Katsyw vom New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara angeklagt wurde, übernahm Weselnizkaja auch diesen Fall. Der Vorwurf lautete auf Geldwäsche; es ging um einen Teil jener 230 Millionen, die 2007 über einen Steuerbetrug aus dem russischen Haushalt gestohlen wurden. Der Steuerfachmann Sergej Magnitskij, der den Betrug öffentlich gemacht hatte, starb 2009 im Gefängnis. Auf Betreiben seines Arbeitgebers, des amerikanisch-britischen Investors William Browder, verabschiedete der US-Kongress 2012 den Magnitskij-Act. Er versperrt den mutmaßlichen Beteiligten am Steuerbetrug und an Magnitskijs Tod die Einreise in die USA und friert ihre Vermögen ein. Als Anwältin Katsyws startete Weselnizkaja eine Kampagne gegen das Gesetz. Den E-Mails zufolge hoffte sie, auch Trump dafür zu gewinnen.

Als Trump 2013 in Russland die Wahl der Miss Universe veranstaltete, war sein Partner der Immobilienunternehmer Aras Agalarow, der oft als russischer Trump bezeichnet wird, und sein Sohn Emin Agalarow, ein mittelklassiger Popsänger. Emin wiederum war mit der Anwältin Weselnizkaja bekannt. Sein ehemaliger Manager Paul Goldstone fädelte das Treffen mit Donald Trump Junior mit großen Versprechen ein. In Wahrheit spielte die Anwältin im russischen Machtsystem höchstens dritte Liga.

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