Süddeutsche Zeitung

Russischer Präsident:Die Marke Putin liegt im Trend

Action-Figuren, T-Shirts, Rap-Songs: Der russische Präsident verkauft sich gut - angeblich nicht nur in seiner Heimat.

Von Antonie Rietzschel, Moskau

Weißer Nebel zieht auf vor dem Kreml, dröhnende Musik erklingt. "Mein bester Freund ist Präsident Putin", singt der russische Superstar Timati im schwarzen Kapuzenpulli mit Sonnenbrille. Schnitt. Langeweile an der Halfpipe - doch dann erscheint ein Kerlchen mit seinem BMX, zieht sich eine Putin-Maske über und vollführt tollkühne Stunts. Darüber rappt Timatis Kollege Sascha: "Er ist der Chef, alles läuft nach Plan. Wir wussten schon lange, dass er ein Superheld ist".

Ein Präsident mit Coolnessfaktor, ein Rebell, den die Jugend liebt - so wird Wladimir Putin in einem aktuellen Musikvideo gefeiert.

Das wird ihm gefallen, der russische Präsident liebt die Selbstinszenierung. Er ritt mit freiem Oberkörper durch wilde Landschaft, streckte einen Tiger mit dem Betäubungsgewehr nieder und fand ganz zufällig eine alte Amphore bei einem Tauchgang. Die Mehrheit der Russen sieht Putin als Inbegriff der Männlichkeit, als Macher. Seit der Annektierung der Krim im Frühjahr des vergangenen Jahres sind seine Zustimmungswerte ständig gestiegen - derzeit liegen sie bei 90 Prozent. Mittlerweile muss sich Putin nicht einmal mehr selbst um die Inszenierung seiner Person kümmern. Das besorgen andere für ihn, die Rapper Sascha und Timati zum Beispiel.

Auch Unternehmen und Designer haben die Marke Putin für sich entdeckt. Sie drucken sein Gesicht auf Handtücher oder Tassen. Es gibt eine Art Putin-Action-Figur, die auf einem Bären reitet. Die Firma Caviar verkauft ein goldenes iPhone, auf dessen Rückseite das Profil des Präsidenten geprägt ist. Auf Putinversteher.ru ist ein silberner Ring mit dem Kopf des Präsidenten zu haben. Die Seite heißt übrigens wirklich so, das deutsche Wort hat es bis ins Russische geschafft.

"Es ist wichtig, einen Trend frühzeitig zu erkennen"

Vor allem aber boomt das Geschäft mit T-Shirts, die das Konterfei Putins tragen. Sie hängen in jedem Souvenirladen. Am Moskauer Flughafen Scheremetjewo gibt es sogenannte "Patriotenboxen", Automaten, an denen man noch schnell ein Shirt für umgerechnet 32 Euro ziehen kann. Im Internet gibt es zahlreiche Duplikate, die nur die Hälfte kosten.

"Es ist wichtig, einen Trend frühzeitig zu erkennen", sagt Kirill Karawaew von Hearts of Russia. Das Unternehmen hat früher klassische Souvenirs verkauft: Tassen mit "Ich-liebe-Moskau"-Aufdruck oder Matrjoschkas in einem kleinen Verkaufskiosk. Kurz vor der Annektierung der Krim ließ Hearts of Russia die ersten Putin-Shirts drucken, seitdem laufen die Geschäfte hervorragend. In der dritten Etage des berühmten Kaufhauses GUM, direkt am Roten Platz, verkauft das Unternehmen T-Shirts, aber auch Handyhüllen.

Gerade ist die Weihnachtskollektion reingekommen: Der russische Präsident im kuscheligen Rollkragenpullover und mit Tannenbaum. Am besten läuft bisher jedoch das Motiv "knallharter Putin": der Präsident im schwarzen Anzug mit Sonnenbrille. Aber auch Anspielungen auf die Annektierung der Krim werden gerne gekauft, auf ein Shirt sind Fallschirmspringer in Uniform gedruckt. "Russen brauchen kein Visum", steht darüber. Oder: Putin und sein Außenminister Lawrow im Anzug, hinter ihnen ist eine Explosion zu sehen. "Liebesgrüße aus Moskau", heißt es da.

Witzig finden das angeblich nicht nur Russen. "Über unseren Online-Shop beliefern wir vorrangig Russland, aber hier im GUM verkaufen wir vor allem an Touristen aus der ganzen Welt", sagt Karawaew. Der bisher berühmteste Kunde war der US-Schauspieler Mickey Rourke, der vergangenes Jahr in Moskau weilte. Auch über seine Brust spannte sich das Gesicht von Wladimir Putin. Kritikern entgegnete er, ihm schreibe niemand vor, was er zu tragen habe.

Der Designer ist selbst ein glühender Putin-Verehrer

Der Hype um Putin ist mehr als nur eine Modeerscheinung. Mit seinem unnachgiebigen Auftreten gegenüber dem Westen hat er den Russen neues Selbstbewusstsein gegeben. Seit der Annektierung der Krim ist in Russland der Patriotismus neu entflammt, befeuert durch die Staatspropaganda. Doch der Kreml kann sich auch auf Designer wie Alexander Konasow verlassen.

Als glühender Verehrer des Präsidenten sieht Konasow seine Arbeit auch als politische Mission. "Es gibt viele Menschen, die patriotisch sind und ich helfe ihnen, sich auszudrücken", sagt der 26-Jährige. Gleichzeitig gehe es seinen Kunden auch darum, sich offen abzugrenzen vom Westen. "Vor ein paar Jahren schauten vor allem die Moskowiter und Petersburger nach Europa und die USA, doch das hat sich geändert", sagt Konasow. Russland werde jetzt eine kleine Familie.

Der Moskauer hat bereits 2008 damit angefangen, Motive für T-Shirts zu designen. Vor der Annexion der Krim verkaufte er ungefähr 8000 Stück im Monat - mittlerweile sind es 20 000. Sogar in Deutschland gibt es einen Händler, der Konasows Produkte online vertreibt. Mittlerweile muss sich der Designer seine Motive auch gar nicht mehr selbst ausdenken, ihn erreichen ständig neue Mails mit Vorschlägen. Putin als Jagdflieger, Putin als Rennfahrer, Putin auf dem Motorrad.

Dass der Hype schon bald verfliegen könnte, daran glauben weder Alexander Konasow noch Kirill Karawaew von Hearts of Russia. "Trends gehen vorüber. Aber dieser hält schon länger als üblich - und so lange Wladimir Wladimirowitsch an der Macht ist, geht es auch weiter", sagt Karawaew. Die nächste Präsidentenwahl steht 2018 an. Dass Putin erneut kandidiert, ist mehr als wahrscheinlich.

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