Russische Außenpolitik:Wie Putin Russland wieder zur Weltmacht machen will

Wladimir Putin drängt wieder auf die große Bühne der internationalen Politik. Die Präsidentschaftswahlen wird er gewinnen. Und dann? Kann er seine vollmundigen Ankündigungen wahr machen? Positioniert er sich wieder als Anführer der Amerika-Gegner aller Länder? Was Putins nächste Präsidentschaft für Russlands Außenpolitik bedeutet.

Gastbeitrag von Alexander Gabuev

Einer der Gründe, warum Wladimir Putin mit Dmitrij Medwedjew den Job tauschen wollte, war sein Drang auf die große Bühne der internationalen Politik. Ohne Zweifel war Putin während der vier Jahre, in denen sein gut ausgewählter Nachfolger die Rolle des russischen Präsidenten gegeben hat, an dessen Außenpolitik beteiligt. Aber er war gezwungen, hinter den Kulissen zu agieren - wenngleich es eigentlich viel eher seinem Stil entspricht, im Rampenlicht zu stehen (vorzugsweise mit entblößtem Oberkörper), dem Westen zu drohen, wie vor fünf Jahren auf der Sicherheitskonferenz in München, und als Anführer der Amerika-Gegner aller Länder zu posieren.

Russische Außenpolitik: Wladimir Putin steht in Russland vor einer erneuten Präsidentschaft: Er drängt wieder auf die große internationale Bühne.

Wladimir Putin steht in Russland vor einer erneuten Präsidentschaft: Er drängt wieder auf die große internationale Bühne. 

(Foto: AFP)

Sein Artikel über eine aus Russland, Belarus und Kasachstan bestehende "Eurasische Union" auf Augenhöhe mit der EU sagt viel aus über seine Ambitionen. Er möchte in einer Liga mit der EU spielen, um nicht bloß an Problemen wie der Korruption und dem Investitionsklima in Russland herumzudoktern, sondern um den alten Ruhm Moskaus wiederherzustellen.

Die Realität könnte seine Pläne indessen durchkreuzen. Nach wie vor ist Russland in seinen außenpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Und die Hebel, die Moskau ansetzen kann, werden von Jahr zu Jahr schwächer.

Die Außenpolitik der Sowjetunion fußte auf vier Säulen: ihr Einfluss als zweitstärkste Militär- und Atommacht nach den USA, kräftig sprudelnde Öleinkünfte, die sozialistische Ideologie als Soft-power-Instrument und nicht zuletzt Moskaus Sitz im UN-Sicherheitsrat. Mit Hilfe genau dieser Instrumente hat Putin versucht, Russland wieder zu einer Weltmacht zu machen, und kurz vor der Finanzkrise schien diese Strategie auch aufzugehen. Heute aber verlieren all diese Mittel an Wirkung.

Die russische Armee wird zusehends schwächer. Der technische Vorsprung der Nato-Streitkräfte gegenüber dem russischen Militär wächst von Jahr zu Jahr. Selbst China, das sich noch in den neunziger Jahren auf den Import sowjetischer Waffen gestützt hat, entwickelt sich wesentlich schneller. In privaten Gesprächen geben russische Amtsträger und ehemalige Befehlshaber der Armee zu, dass sich Moskau im Falle eines längeren militärischen Konflikts nur auf seine Atomwaffen verlassen könnte - und auch die sind in schlechtem Zustand.

"Waffe Öl" ist unbeständig

Die Deviseneinnahmen aus den Ölgeschäften und die Abhängigkeit der EU von russischen Gaslieferungen waren entscheidende Pfunde, mit denen Putin wuchern konnte. Doch der Traum von Russland als "Energie-Supermacht" war 2008 ausgeträumt. Die "Waffe Öl" hat sich als unbeständig erwiesen, ebenso wie der Ölpreis. Russische Politiker beklagen, dass die Preise nicht von den Produzenten festgelegt werden, sondern vom Weltmarkt mit seinen abgehobenen Finanzinstrumenten, so dass Moskau nicht mitreden kann. Und: die Abhängigkeit der EU von Gazprom wird aufgrund des günstigen Flüssiggases aus den Golfstaaten und durch europäische Netzanbindungen, die nach dem russisch-ukrainischen Gaskrieg gebaut wurden, immer schwächer.

Bevölkerung kann nicht mehr mit patriotischen Parolen mobilisiert werden

Am offenkundigsten aber sind die Probleme, wenn es um Russlands soft power geht. Russland hat in den Augen der Welt selbst die bescheidene Attraktivität der einstigen UdSSR verspielt. Sein ebenso korruptes wie leistungsschwaches System ist für die Nachbarn längst kein Vorbild mehr. Daher richtet sich ein Teil der ehemaligen Sowjetstaaten an europäischen Werten aus, während der andere Teil nach Osten schaut, um China mit seinem erfolgreichen Modell der autoritären Modernisierung nachzueifern.

Millionen von Dollar hat Moskau sich die Gründung eigener Nachrichtensender im CNN-Format kosten lassen, aber auch großen internationalen PR-Agenturen ist es nicht gelungen, Russlands Image aufzuwerten.

Eines der letzten Machtinsignien aus Sowjetzeiten ist der russische Sitz im UN-Sicherheitsrat. Er ist wohl der wichtigste Grund dafür, dass Russland auch heute noch zu den Großmächten der Welt gezählt wird. Putins Taktik für seine Nutzung war simpel: Moskau hat Schurkenstaaten wie Iran oder Syrien unterstützt und dafür Waffenlieferverträge erhalten oder andere Deals mit den Regimen abgeschlossen. In guter alter Sowjetrhetorik hat Moskau dieses Verhalten damit begründet, ein Gegengewicht zum Westen bilden und so zum Erhalt einer multipolaren Weltordnung beitragen zu wollen.

Das Jahr 2011 markiert jedoch einen Schritt in eine neue Richtung: Russland hat kein Veto gegen den Libyen-Einsatz eingelegt und zeigt mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Hinblick auf eine gemeinsame Syrien-Politik. Doch dieser Wechsel bedeutet nicht, dass Moskau über Nacht zu einer verantwortungsvollen Macht geworden wäre. Die Erklärung könnte recht einfach sein: Die Verträge mit westlichen Firmen im Rahmen der europäisch-russischen Modernisierungspartnerschaft oder des "Resets" der amerikanisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen waren wichtiger und sicherer als Moskaus Verträge in Libyen.

Die Bevölkerung hat die Staatspropaganda satt

In den letzten Monaten hat Moskau wieder begonnen zu manövrieren, diesmal unter dem Druck anderer Waffenkäufer, die nicht nur an Russlands Waffen, sondern auch an seiner Protektion in den Vereinten Nationen interessiert sind. Seit Russland weniger Einflussmöglichkeiten hat, muss es sich auf internationalem Parkett umgänglicher zeigen als früher.

Einige positive Veränderungen sind augenfällig: Viele russische Entscheidungsträger haben verstanden, dass Russlands Außenpolitik nicht in erster Linie die Sowjet-Nostalgie bedienen darf, sondern zuvörderst den objektiven Bedürfnissen des Landes gerecht werden muss: dem Anwerben von Kapital und Technologie aus dem Ausland, der Sicherung von Märkten und der Schaffung friedlicher Voraussetzungen für die Entwicklung Russlands. Die (russisch-kasachisch-weißrussische) Zollunion ist kleiner und in ihren Aufgaben pragmatischer angelegt als die GUS oder andere Formate, mit denen Russland versucht hat, die Staaten des ehemaligen Sowjetreichs wieder an sich zu binden.

Und noch eines kommt hinzu: Die Proteste gegen die Wahlen in Moskau und anderen russischen Großstädten haben gezeigt, dass die Bevölkerung die Staatspropaganda satt hat und nicht mehr mit patriotischen Parolen gegen vermeintliche äußere Bedrohungen mobilisiert werden kann. Wenn Putin in den Kreml zurückkehrt, wird er diesen Tatsachen ins Auge sehen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen müssen.

Alexander Gabuev schreibt unter anderem für Kommersant, eine der führenden russischen Tageszeitungen. Darüber hinaus ist er Dozent am Moskauer Institute of Asian and African Studies. Sein Beitrag ist Teil einer Reihe zu aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen weltweit, die Süddeutsche.de in Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung vor der Münchner Sicherheitskonferenz 2012 veröffentlicht. Die Autoren gehören zum Netzwerk der Munich Young Leaders, einem Kooperationsprojekt von Münchner Sicherheitskonferenz und Körber-Stiftung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: