Reaktion aus Sachsen-Anhalt:Haseloff zum Rundfunk-Urteil: "Das bleibt eine Dilemma-Situation"

Rundfunkbeitrag - Haseloff verteidigt Sachsen-Anhalts Veto

"Ein Demokratieproblem": Ministerpräsident Reiner Haseloff verteidigte am Donnerstag erneut die Entscheidung, nicht über die Beitragserhöhung abzustimmen.

(Foto: Peter Gercke/dpa)

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident erklärt, warum sein Land im Dezember den Rundfunkanstalten mehr Geld verweigert hat. Für ihn ist das System fragwürdig, denn die Länder hätten kaum eine andere Wahl, als Erhöhungen abzusegnen.

Von Jan Heidtmann

Eigentlich hatte dieser Donnerstagmorgen so gut begonnen. In Tokio war Florian Wellbrock, 23 und vom SC Magdeburg, über 10 000 Meter schnell genug für eine Goldmedaille geschwommen. Die erste in dieser Disziplin für Deutschland überhaupt und ein großer Erfolg für das kleine Sachsen-Anhalt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gratulierte dem "Goldjungen" schon in der Früh per Twitter überschwänglich. Wenige Stunden später wich die Freude jedoch der Schadensbegrenzung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte da erklärt, der Rundfunkbeitrag werde vorläufig erhöht. Im vergangenen Dezember hatte Sachsen-Anhalt als einziges der Bundesländer die Erhöhung noch blockiert, sonst wäre die Koalition aus CDU, SPD und Grünen am Ende geplatzt. Als der Ministerpräsident dann an diesem Donnerstag um 12 Uhr vor die Presse trat, ging es ihm deshalb erst einmal auch darum, der Blockade vom vergangenen Winter noch irgendetwas abzugewinnen: "Es hat gute Gründe gegeben, dem Vertrag nicht zuzustimmen", sagte Haseloff.

Er bezog sich dabei auf die aus Sicht der Ost-Sendeanstalten ungerechte Verteilung von Stellen und Geldern mit den Kollegen von WDR, NDR oder BR, also aus dem Westen. "Da ist ein Prozess in Gang gekommen", meinte Haseloff. Wesentlich handfester war dann seine grundsätzliche Kritik am Rundfunkbeitragsstaatsvertrag: "Das ist ein Demokratieproblem." Denn nach Ansicht von Haseloff ermittle die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) die notwendigen Gelder, und in den 16 Länderparlamenten "darf man eigentlich nur zustimmen, wenn man verfassungskonform handeln will".

"Das bleibt eine Dilemma-Situation."

Diese Praxis sei durch das Urteil aus Karlsruhe nun wieder einmal bestätigt worden. Ein Abgeordneter sei aber seinem Gewissen verpflichtet, meint Haseloff. "Das bleibt eine Dilemma-Situation." Der Ministerpräsident würde daher auch nicht dafür garantieren, dass die Beitragserhöhung beim nächsten Mal nicht wieder blockiert werde. Haseloff: "Das kann immer wieder passieren." Gelöst werden könne das Problem nur, wenn die Länder mehr Mitsprache bekämen. "Das, was die Anstalten machen, muss auch die Akzeptanz der Bevölkerung bekommen."

Der Ministerpräsident will damit vermutlich ein ähnliches Patt wie im vergangenen Dezember verhindern. Während die damaligen Koalitionspartner SPD und Grüne klar für die Erhöhung waren, war die CDU-Fraktion gespalten. Einige der Abgeordneten wie Ex-Innenminister Holger Stahlknecht wären möglicherweise bereit gewesen, mit der AfD gegen die Erhöhung zu stimmen. Um die Koalition zu retten, musste Haseloff seinem Innenminister das Amt nehmen und die Abstimmung absetzen.

Zudem ist der Boden, von dem aus der Ministerpräsident gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts argumentiert, derzeit recht wackelig. Nach der Landtagswahl Anfang Juni verhandeln CDU, SPD und FDP bereits seit drei Wochen über eine gemeinsame Regierungskoalition. Liefen die Gespräche anfangs recht gut, stocken sie nun seit ein paar Tagen; der Zeitplan, Haseloff am 16. September wiederzuwählen, droht zu scheitern. Anlass ist die Verteilung der Ressorts unter den Partnern, das Urteil aus Karlsruhe belastet die Verhandlungen nun zusätzlich.

"Die Grundlage der Beitragserhöhung durch das KEF-Gutachten ist durch das Bundesverfassungsgericht erneut bestätigt worden", meinte Katja Pähle, SPD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt. "Das Urteil hat auch gezeigt, dass der Streit, den die Kenia-Koalition letztes Jahr so erbittert geführt hat, überflüssig war." Eine Garantie dafür, dass er in der nächsten Koalition nicht wieder aufflammt, ist das noch lange nicht.

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