Rumsfeld und die Folter:Vertuscht, beschönigt, abgestritten

Selbst Parteifreunde des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld kritisieren den Umgang mit dem Skandal der Gefangenen-Misshandlung im Irak.

Von Wolfgang Koydl

Zorn macht das - nackter, unbeherrschter, ohnmächtiger Zorn. Nur Zorn lässt das Gesicht leichenhaft blass werden, so dass die Augen wie dunkle Kohlen leuchten, dass die Nase sich dolchscharf zuspitzt und die Lippen zusammengepresst werden zu einem einzigen dünnen Strich.

Rumsfeld und die Folter: Innerlich schäumte Rumsfeld vor Zorn.

Innerlich schäumte Rumsfeld vor Zorn.

(Foto: Foto: ap)

Genauso sah US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aus, als er nun zum ersten Mal vor Reportern zu dem Skandal der Misshandlung von Gefangenen im Bagdader Abu-Gharib-Gefängnis Stellung nahm. Nur dank übermenschlicher Anstrengungen bewahrte er äußerlich die Ruhe. Aber es war keine Frage, dass der Pentagon-Chef innerlich vor Zorn schäumte.

Doch man kann sich sehr wohl fragen, was ihn mehr aufbrachte: die Tatsache, dass amerikanische Soldaten irakische Kriegsgefangene auf ausgesucht abscheuliche Weise misshandelten und sich dabei auch noch stolz vor Kameras in Positur warfen, oder dass diese Fotos den neuesten und womöglich schwersten Rückschlag für die Bemühungen der US-Administration bedeuten, sich aus den selbst geschaffenen Verstrickungen der Irak-Krise zu lösen.

Keine Entschuldigung über die Lippen

Manches spricht für die zweite These. Denn obschon Rumsfeld die Misshandlungen erwartungsgemäß als "völlig unannehmbar und unamerikanisch" bezeichnete, ließ er es dabei auch bewenden. Eine Entschuldigung ging ihm nicht über die Lippen. Man müsse sich auf die rechtlichen Fragen der Vorfälle konzentrieren, meinte er stattdessen mürrisch, und "wie wir sie (die Truppen) organisiert, trainiert und geführt haben".

Andere Mitglieder der US-Regierung zeigten mehr Mitgefühl. Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice beispielsweise war sich nicht zu schade für eine Entschuldigung, als sie dem arabischen Fernsehsender al-Arabija ein Interview gab: "Wir bedauern zutiefst, was geschehen ist und was die Familien (der Betroffenen) durchmachen müssen."

Kein Amerikaner wolle damit in Verbindung gebracht werden, wenn Iraker "dehumanisiert" werden. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Außenminister Richard Armitage in einem Interview mit dem von den USA finanzierten arabischen TV-Sender al-Hurra (Die Freiheit).

Diesen beiden Stationen stand sogar US-Präsident George Bush Rede und Antwort, als er fast schon verzweifelt versuchte, die fassungslose Empörung in der arabischen Welt zu dämpfen. Auch Bush verurteilte die Misshandlungen als "schamlos und unakzeptabel" - und was sollte er auch anderes sagen.

Aber mit seinem Verteidigungsminister hat der Präsident eben gemein, dass er sich nicht gern für etwas entschuldigt. Allein schon die Wahl der beiden arabischen TV-Stationen zeigt, wie rachsüchtig und kleinlich die Administration ist. Denn al-Dschasira, der zwar journalistisch mitunter reichlich fragwürdige, doch gleichwohl wichtigste arabische Sender, erhielt abermals keinen Termin im Weißen Haus.

Vertuscht, beschönigt, abgestritten

Niemand würde unterstellen, dass das Verhalten der Militärpolizisten im Abu- Gharib-Gefängnis von militärischen oder gar zivilen Vorgesetzten bis ins Pentagon oder das Weiße Haus hinein gebilligt oder gar angeordnet worden wäre.

Aber die amerikanische Öffentlichkeit ist zunehmend bestürzt und erzürnt darüber, dass die Regierung Bush auch bei diesem Skandal ihren schlechten Angewohnheiten treu geblieben ist: Es wird vertuscht, beschönigt und abgestritten so lange es möglich ist. "Das ist nicht die Zeit, etwas unter den Teppich zu kehren", erklärte zornbebend die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, "dies ist die Zeit zu entschiedenen Maßnahmen."

Bericht über Misshandlungen als "geheim" abgestempelt

Seit Januar nahm das Pentagon insgesamt sechs Untersuchungen zu den Vorwürfen der Gefangenen-Misshandlung vor, aber nichts davon drang an die Öffentlichkeit oder auch nur an die zuständigen Ausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus. Ein niederschmetternder und Schrecken erregender interner Bericht der US-Armee über die Vorgänge wurde sogar mit dem Stempel "geheim" versehen, und nicht einmal Donald Rumsfeld vermochte zu erklären, warum dies angeblich nötig war.

Der Kongress bekam den Bericht jedenfalls erst zu Gesicht, nachdem die Zeitschrift The New Yorker ausführlich aus ihm zitiert hatte. Unter den Abgeordneten im Senat und im Repräsentantenhaus werden denn auch bereits Missmut und Ärger laut.

Senator Jack Warner, Republikaner aus dem konservativen Südstaat Virginia und Vorsitzender des mächtigen Streitkräfte-Ausschusses, will Rumsfeld vor seine Kommission zitieren, damit der Minister endlich öffentlich Rede und Antwort steht. Ein weiterer Republikaner, Senator John McCain aus Arizona, rügte das Pentagon dafür, das Parlament "vollständig im Dunkeln gelassen" zu haben.

"Diese Fotos, das sind wir"

Wo schon die Parteifreunde so kritisch sind, nimmt der politische Gegner noch weniger Rücksicht. Für den demokratischen Senator Edward Kennedy sind die Vorfälle im Irak kein Einzelfall, sondern erst "der Anfang" dieser anrüchigen Angelegenheit. Und sein Kollege Joseph Biden aus Delaware befand, dass die Bilder aus Bagdad "der schlimmste Schlag gegen Amerikas Interessen in der Region in den vergangenen zehn Jahren" waren.

In der Tat: Diese Bilder werden für lange Zeit nicht ausgelöscht werden können. Die New York Times vertrat sogar die Ansicht, dass diese Fotos für die arabische Welt das einzige und alles andere überragende Symbol des Irak-Krieges bleiben werden.

Die schmerzlichste und zugleich ehrlichste Kritik übte die Washington Post: Es sei eine der Lügen einer Nation in Zeiten des Krieges, schrieb das Blatt, dass der Ruhm dem ganzen Land gehöre, die Niederlagen und Grausamkeiten aber einzelnen Übeltätern. Doch das sei falsch: "Diese Fotos, das sind wir."

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