Rumänien:Aufatmen trotz des Rechtsrucks

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Eine Rumänin bei der Stimmabgabe in Bukarest. (Foto: Andreea Alexandru/AP)

Die regierenden Sozialdemokraten siegen bei der Parlamentswahl. Doch der Erfolg rechter Nationalisten gefährdet eine dauerhafte Stabilität. Das Verfassungsgericht erkennt die Ergebnisse der ersten Runde an.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Das Ergebnis der Parlamentswahl in Rumänien vom vergangenen Sonntag hat im Land selbst, aber auch in der EU für Erleichterung gesorgt. Nach dem Sieg des prorussischen, rechtsextremen Kandidaten Călin Georgescu in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 24. November, der große Besorgnis ausgelöst hatte, konnte sich bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus die sozialdemokratische PSD unter Ministerpräsident Marcel Ciolacu behaupten. Sie kam auf 22 Prozent der Stimmen. Ciolacu war zuvor auch bei der Präsidentschaftswahl angetreten – und hinter Georgescu sowie der liberalkonservativen Kandidatin Elena Lasconi nur auf dem dritten Platz gelandet.

Der Überraschungssieger der Präsidentschaftswahl, Georgescu, konnte jetzt bei der Parlamentswahl indes keine eigene Partei ins Rennen schicken. Denn er hatte als parteiloser Kandidat nach eigenen Angaben ohne jegliches Team und ohne Wahlkampffinanzierung agiert. Stattdessen kam jedoch die in Rumänien bereits seit Jahren bekannte und zunehmend erstarkende, rechtsextreme Partei AUR unter ihrem Parteichef George Simion mit knapp 18 Prozent auf den zweiten Platz. Sie konnte ihre Stimmenanzahl im Vergleich zur letzten Parlamentswahl fast verdoppeln.

Die Mehrheit der im Ausland lebenden Rumänen wählt rechtsextrem

Auch zwei andere nationalistische, rechtspopulistische Parteien, SOS Rumänien und die Kleinpartei POT, kamen auf 7,1 beziehungsweise 6,3 Prozent. Damit haben antieuropäische Kräfte im nächsten Parlament mehr als 30 Prozent der Mandate. Bei den im Ausland lebenden Rumänen kamen die rechtsextremen Parteien zusammen sogar auf die Hälfte aller abgegebenen Stimmen. Nur wenn die PSD, die auch bisher den Ministerpräsidenten stellte, eine Zusammenarbeit mit ihrem früheren Koalitionspartner, der konservativen PNL, sowie mit der liberalkonservativen USR organisieren kann, können prorussische und nationalistische Kräfte auch künftig überstimmt werden.

Das Aufatmen in Bukarest rührt derzeit vor allem daher, dass nach dem überraschenden Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auch bei der Parlamentswahl ein starker Rechtsruck und eine Abkehr von EU und Nato befürchtet worden war. Allerdings ist die Parteienlandschaft im Abgeordnetenhaus künftig zumindest stark zersplittert; dauerhaft stabile Mehrheiten zu finden, dürfte schwierig werden.

Die PSD, die nach der Wende aus der früheren sozialistischen Partei entstanden war, gilt als proeuropäisch und transatlantisch orientiert, aber zugleich auch als zunehmend rechtspopulistisch. Die politische Stabilität, derer sich Rumänien rühmt, könnte damit zunehmend gefährdet sein.

Verfassungsgericht macht Weg für Stichwahl frei

Rumäniens Verfassungsgericht erkannte am Montagabend die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentenwahl an und machte damit den Weg für die geplante Stichwahl am 8. Dezember frei. Dabei werden Georgescu und die in der ersten Runde zweitplatzierte Lasconi aufeinandertreffen. Die Richter hätten den Antrag auf Anfechtung der Wahl einstimmig abgelehnt, erklärte der Präsident des Gerichts, Marian Enache.

Nachdem das Höchstgericht wegen möglicher Wahlmanipulation bei der Präsidentschaftswahl angerufen worden war, hatte es am vergangenen Donnerstag entschieden, die Stimmen des ersten Wahlgangs neu auszählen zu lassen. Das Ergebnis der Nachzählung ergab aber keine dramatischen Verschiebungen des Ergebnisses.

Nun sollte entschieden werden, ob der Wahlgang ganz annulliert wird – unter anderem wegen möglicher Verstöße von Călin Georgescu gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung und Interventionen aus dem Ausland, also aus Russland.

Rumänische Medien hatten gewarnt, dass sich die Georgescu-Wähler, immerhin etwa zwei Millionen Menschen, von den regierenden Parteien um ihre Stimme gebracht sehen könnten. Nachdem schon vergangene Woche in Bukarest erste Demonstrationen für Georgescu stattgefunden hatten, hatten Insider für den Fall, dass die Wahl wiederholt werden muss, vor Ausschreitungen gewarnt.

Georgescu war vor der Präsidentschaftswahl in der politischen Landschaft weitgehend unbekannt gewesen und hatte mit einer Kampagne in den sozialen Medien, vor allem auf Tiktok, gepunktet. Fotos, auf denen er im Stil von Wladimir Putin auf einem Schimmel reitet, hatten in den Wochen vor dem 24. November das Netz geflutet. Nach Erkenntnissen von Experten wurde seine Wahlkampfbotschaft mithilfe des Tiktok-Algorithmus nach vorn gepusht. Er selbst gab an, weder organisatorische noch finanzielle Hilfe von außen bekommen zu haben. Die Zentrale Wahlkommission ist allerdings noch immer mit der Prüfung des Wahrheitsgehalts seiner Angaben beschäftigt.

Die Deutsche Welle nennt die Kampagne des 62 Jahre alten Agrarökonomen die erste Tiktok-Wahl der Welt. Im TV-Sender des News-Portals Digi24 heißt es dazu, das Wahlergebnis sei eine „schlimme Kombination aus mehreren Faktoren“: einem Mann, der sich als messianischer Führer ausgebe und ein Putin-Freund sei, den Algorithmen der sozialen Medien und der russischen Bot-Fabriken. Die hohe Inflation, verbreitete Korruption und der Ärger in Rumänien über das Veto Österreichs und der Niederlande gegen eine Vollmitgliedschaft im Schengen-Raum dürften nach Ansicht von Wahlforschern aber zusätzlich zur Abwendung von traditionellen Parteien und Kandidaten beigetragen haben.

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Von Cathrin Kahlweit

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