Süddeutsche Zeitung

Rumänien:Regierungschef nach Wahlschlappe zurückgetreten

Ministerpräsident Orban hatte gehofft, seine Liberale Partei könne die affärengebeutelten Sozialdemokraten überflügeln.

Der rumänische Ministerpräsident Ludovic Orban hat als Konsequenz aus dem unerwartet schlechten Wahlergebnis seiner Liberalen Partei (PNL) seinen Rücktritt erklärt. Seine Mitte-rechts-Partei hatte in Umfragen in Führung gelegen, doch nach Auszählung von 95 Prozent der am Sonntag bei der Parlamentswahl abgegebenen Stimmen kam sie hinter den von Korruptions- und anderen Affären erschütterten Sozialdemokraten (PSD) nur auf den zweiten Platz.

Orban führte seit Oktober 2019 eine Minderheitsregierung, nachdem die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Viorica Dancila eine Vertrauensabstimmung verloren hatte. Korruption und Versuche der PSD, deren Bekämpfung mit einer Justizreform abzuschwächen, hatten zu einer großen Protestbewegung gegen die zunehmend auch international geächtete PSD geführt. Doch in der Corona-Pandemie erhielt Orbans Minderheitsregierung schlechte Noten, die Armut in der ohnehin schon zu den ärmsten EU-Ländern gehörenden Nation nahm zu.

Die PSD punktete offenbar mit dem wohl kaum erfüllbaren Versprechen, trotz leerer Kassen den bisherigen Wohlfahrtsstaat zu erhalten. Sie fuhr damit am Sonntag rund 30 Prozent der abgegebenen Stimmen ein. Die PNL folgte mit fünf Prozentpunkten Abstand, eine weitere Anti-PSD-Allianz, USR-Plus, kam auf rund 15 Prozent. Nur zwei weitere Parteien kamen über die Fünfprozenthürde: Die weit rechts stehende AUR, die Corona-Sperrmaßnahmen ablehnt und neun Prozent erhielt. Sie war erst im September 2019 gegründet und von den Leitmedien des Landes nicht beachtet worden. Die Partei der ungarischen Minderheit, UDMR, bekam rund sechs Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 33 Prozent, nach 39,5 Prozent 2016.

Keine Verhandlungen mit der PSD

Orban erklärte, dass Koalitionsverhandlungen mit der PSD für ihn nicht in Frage kämen. "Ich will sehr deutlich machen, dass wir niemals mit der PSD verhandeln werden. Wir werden nicht zulassen, dass die PSD Rumänien schadet", sagte er. Die PSD hatte 2016 die Parlamentswahl gewonnen und danach die Regierung gestellt. Ihr Vorsitzender Liviu Dragnea wurde Parlamentspräsident, obwohl er wegen Korruption zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden war. Die Partei versuchte unter seiner Führung, mit einer Justizreform Antikorruptionsgesetze zu entschärfen. Das führte insbesondere 2018, als in erster Instanz eine weitere Gefängnisstrafe gegen Dragnea verhängt wurde, zu Massenprotesten.

Die Sozialdemokratische Partei Europas suspendierte die Mitgliedschaft der PSD im April 2019. Im Mai 2019 wurde die Haftstrafe gegen Dragnea vom Berufungsgericht bestätigt und er musste ins Gefängnis. Ministerpräsidentin Dancila übernahm daraufhin den Parteivorsitz, wogegen sich Dragnea vom Gefängnis aus gerichtlich wehrte. Im Oktober 2019 verlor Dancila eine Vertrauensabstimmung, und Orban wurde Regierungschef.

Rumänien war bereits vor der Pandemie einer der ärmsten EU-Staaten. Mehr als ein Viertel der 19 Millionen Einwohner muss mit weniger als 4,50 Euro am Tag auskommen. Das Haushaltsdefizit hat sich in der Pandemie in diesem Jahr auf rund 9 Prozent gegenüber 2019 verdoppelt.

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