Rumänien:Sommer der Gewalt

Hartnäckig führt die Regierung ihren Feldzug zur Abschaffung des Rechtsstaats. Bürgerproteste lässt sie rabiat niederschlagen. Vor allem eine bestimmte Bevölkerungsgruppe will sie damit einschüchtern.

Von Florian Hassel

Der Urlaubsmonat August ist auch in Rumänien normalerweise nicht die Zeit für große politische Kämpfe. Anders war es am vergangenen Wochenende: Bis zu 200 000 Rumänen demonstrierten in Bukarest und anderen Städten gegen die Regierung und ihren andauernden Feldzug zur Beseitigung des Rechtsstaates. Dass der Massenprotest in der Hauptstadt mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken beendet wurde, war mit großer Wahrscheinlichkeit kein Zufall, sondern Teil eines Drehbuchs der Regierung, die von der postkommunistischen PSD und der nur auf dem Papier liberalen Alde-Partei gebildet wird.

Gerade die Rumänen, die am Wochenende in ihrem Sommerurlaub demonstrierten, gehören zu der aus Regierungssicht bedrohlichsten Gruppe: mehrere Millionen Bürgerinnen und Bürger, die in Deutschland oder Frankreich, Italien oder England arbeiten und die Korruption in ihrer Heimat ablehnen. Anders als Staatsbedienstete, Rentner oder von Regierungszuwendungen profitierende Rumänen sind die Auslandsrumänen politisch und wirtschaftlich unabhängig - und unabhängig informiert. Schon Ende 2014 spielten ihre Stimmen beim Sieg von Klaus Johannis über den damaligen PSD-Vorsitzenden Ponta bei der Präsidentenwahl die entscheidende Rolle.

Sollten die Auslandsrumänen sich jetzt systematisch an der heimatlichen Politik beteiligen und versuchen, die diskreditierte Regierung aus dem Amt zu drängen, wäre dies aus Sicht ihres faktischen Chefs Liviu Dragnea brandgefährlich. Dragnea, der PSD-Vorsitzende, wurde rechtskräftig wegen Wahlbetrugs zu einer Bewährungsstrafe und im Sommer wegen Amtsmissbrauchs in erster Instanz zu dreieinhalb Jahren weiterer Haft verurteilt. Er müsste, sollte er die Macht verlieren, wohl bald hinter Gitter.

Das ist der Hintergrund für Gesetze, die Amtsmissbrauch und Korruption selbst nachträglich noch von Strafen befreien und alle Institutionen der Regierung unterstellen sollen - von der Anti-Korruptions-Behörde DNA über die Generalstaatsanwaltschaft und das Oberste Gericht bis hin zum Rechnungshof und zum Verfassungsgericht. Dragnea versucht, sich mit unverantwortlichen Rentenerhöhungen, Sonderurlauben für alle Staatsbediensteten oder kostenlosen Urlauben für Kinder, Lehrer, Rentner an der Macht zu halten - bei den Auslandsrumänen verfängt dieser Stimmenkauf nicht.

Die angeblichen Demonstranten, die mit dem Werfen von Pflastersteinen und Flaschen der Gewalt der Polizei die Bahn bereiteten, waren wie in vielen anderen Fällen zuvor wohl bezahlte Hooligans aus Bukarester Fußballvereinen oder andere Provokateure. Der unverhältnismäßige Einsatz soll den Demonstranten wohl die Lust auf weiteren Protest nehmen und soll ihnen zeigen: Die Regierung ist zu allem bereit.

Neben den Auslandsrumänen steht der Regierung auch Präsident Johannis im Weg, der rechtswidrige Gesetze nicht unterschreibt. PSD-Chef Dragnea droht ihm mit einem Verfahren wegen angeblichen Hochverrats. Sein Ziel ist es, den Präsidenten zeitweise zu suspendieren und rechtswidrige Gesetze durch den an der Regierung beteiligten Senatspräsidenten als zweiten Mann im Staate abzeichnen zu lassen. Rumänien erlebt nicht nur wie der Rest Europas einen heißen Sommer - es steht auch vor einem heißen Herbst.

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