Präsidentschaftswahl in Rumänien„Wir wollen eine rechte Politik der EU-Institutionen“

Lesezeit: 4 Min.

George Simion spricht am Wahlabend über einen Bildschirm zu seinen Anhängern.
George Simion spricht am Wahlabend über einen Bildschirm zu seinen Anhängern. (Foto: Andreea Alexandru/AP)

Bei der Wiederholung des annullierten ersten Wahldurchgangs liegt der selbsterklärte „Trumpist“ George Simion mit Abstand vorn. Er will die EU verändern und die Ukraine-Hilfen seines Landes zurückfahren.

Von Verena Mayer, Bukarest

Einen Populisten zeichnet die Fähigkeit aus, Stimmungen einzufangen und in einprägsame Bilder umzuwandeln. Der Rechtspopulist George Simion hat diese Fähigkeit. Zur TV-Debatte vor der rumänischen Präsidentschaftswahl kam er mit einem riesigen Strauß weißer Rosen. Den drückte er seiner liberalen Mitbewerberin Elena Lasconi in die Hand. Denn diese sei nach der Annullierung des ersten Wahldurchgangs durch das rumänische Verfassungsgericht um ihre Chancen betrogen worden, sagte er.

Simion sagte, die Demokratie sei durch die Gerichtsentscheidung zertrampelt worden, und aus Respekt vor der Demokratie werde er hier nicht mitdiskutieren. Dann verließ Simion die Bühne, im Zuschauerraum erhob sich sein Gefolge, und alle gingen theatralisch durch den Prachtsaal von Schloss Cotroceni ab.

Übrig blieben drei verdutzte Kandidaten und die Botschaft, die Simion vermittelte: Dem rumänischen Volk sei die Wahl gestohlen worden, und er sei der einzige, der diese Wahrheit ausspreche. Die Botschaft verfing. Am Sonntag gewann Simion den ersten Durchgang der Präsidentenwahl mit rund 41 Prozent und erreichte damit die Stichwahl, die am 18. Mai stattfinden wird.

Simion ist Mitbegründer der äußerst rechten Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), die bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr zweitstärkste Kraft wurde und bekannt dafür ist, gegen „das System“ und „die Eliten“ zu wettern. Antreten wird er nach dem Stand der Auszählung von Montagmorgen gegen den parteilosen, liberal eingestellten Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan, der auf 21 Prozent kam.

Simion stellt sich hinter den Sieger des annullierten Wahlgangs

Der annullierte Durchgang vom November war eines der Hauptthemen im Wahlkampf. Diesen hatte wie aus dem Nichts der rechtsextreme Esoteriker Călin Georgescu gewonnen, der die EU und die Nato ablehnt, einen historischen Faschistenführer bewundert und gute Verbindungen nach Russland hat.

Wie man heute weiß, hatten zigtausende Fake-Accounts auf Tiktok und in anderen sozialen Medien kurz vor der Wahl den Algorithmus so manipuliert, dass Georgescu plötzlich omnipräsent war. Der rumänische Geheimdienst vermutete ausländischen Einfluss, mutmaßlich aus Russland, bewiesen werden konnte das aber bislang nicht. Das Verfassungsgericht annullierte daraufhin die Wahl, Georgescu durfte nicht noch einmal antreten.

George Simion (Mitte) bei der Stimmabgabe in Mogosoaia, begleitet von Călin Georgescu (links), dem Sieger des annullierten ersten Wahldurchgangs.
George Simion (Mitte) bei der Stimmabgabe in Mogosoaia, begleitet von Călin Georgescu (links), dem Sieger des annullierten ersten Wahldurchgangs. (Foto: Vadim Ghirda/AP)

Unmut und Unsicherheit über den Zustand der Demokratie machten sich in den vergangenen Monaten in Rumänien breit, und auch dieses Gefühl verwandelte Simion in Bilder. Zur Wahlurne schritt er am Sonntag in Begleitung von Georgescu, und auch sonst ließ er keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass er so etwas wie sein Stellvertreter sei. Am Sonntag sagte er in Bukarest vor ausländischen Journalisten, er werde dafür sorgen, dass Georgescu weiterhin eine politische Rolle spielen werde. Zwar dürfte Simion als Präsident nicht die Regierung bestimmen, aber er könne sich, so Simion, ein Referendum darüber vorstellen, vorgezogene Wahlen oder die Bildung einer neuen Regierung, die Georgescu dann zum Ministerpräsidenten ernennen könnte.

Der bisherige Ministerpräsident, der Sozialdemokrat Marcel Ciolacu, erklärte jedenfalls am Montag seinen Rücktritt. Er begründete dies mit dem Scheitern des Regierungskandidaten Crin Antonescu. Wer Ciolacus Nachfolger wird, war zunächst unklar. Die bürgerlich-sozialdemokratische Regierungskoalition ist so faktisch zerbrochen, auch wenn die sozialdemokratischen Minister zunächst im Amt bleiben.

Sein größtes Vorbild ist Italiens Ministerpräsidentin Meloni

Simion nutzt aber noch eine Stimmung aus. Die Unzufriedenheit der rumänischen Diaspora. Mehrere Millionen Rumäninnen und Rumänen leben im Ausland. Viele von ihnen arbeiten als Altenpflegerinnen in Italien, als Erdbeerpflücker in Spanien oder auf dem Bau in Deutschland, oft unter unzumutbaren Bedingungen und über Jahre getrennt von ihren Familien. Simion sprach diese Gruppen immer wieder gezielt an, versprach ihnen, sie zurückzuholen und ihnen Arbeit im eigenen Land zu verschaffen.

Sollte er Präsident werden, wäre Rumänien ein weiteres EU-Land mit rechtspopulistischer bis rechtsnationalistischer Ausrichtung. Simion will zwar nicht an der Mitgliedschaft in der EU und der Nato rütteln, die in der rumänischen Verfassung verankert sind. Aber er wolle, wie er im Gespräch mit der SZ am Sonntag sagte, eine Veränderung, „wir wollen eine rechte Politik der EU-Institutionen“.

Sein größtes Vorbild ist die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die er als „aufstrebenden Stern der Geopolitik“ bezeichnet. Mit ihr und anderen Gleichgesinnten wolle er eine EU, die wieder mehr Wirtschafts- als Wertegemeinschaft sei. Man wolle sich nicht aus Brüssel sagen lassen, welche Werte man vertreten solle. Dazu ist Simion, wie er sagt, ein „Trumpist“. Er vertrete die „Maga-Ideologie“ und stimme mit allem überein, was Trump in Sachen Ukraine plane. „Wir lieben den Frieden und wollen ihm Vorschub leisten.“

Für die EU wäre Simion als rumänischer Präsident, der die Außen- und Sicherheitspolitik seines Landes bestimmen kann, eine Herausforderung. Rumänien galt bislang als verlässlichstes Mitglied in Südosteuropa, das Entscheidungen mittrug. Simion ist jedoch gegen die militärische Unterstützung der Ukraine und würde die Ukraine-Hilfen, die sein Land bislang in großem Stil leistete, zurückfahren. Er begründet dies damit, dass die Ukraine die dort beheimatete rumänische Minderheit nicht genügend schützen würde.

Auch der liberale Kandidat Dan profitiert von der Unzufriedenheit mit dem politischen System

George Simions Gegner in der Stichwahl, der Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan, ist Mathematiker, hat auf einer französischen Grande École studiert, und gilt als ein so fähiger wie zurückgenommener Lokalpolitiker.

Nicușor Dan tritt bei der Stichwahl gegen Simion an.
Nicușor Dan tritt bei der Stichwahl gegen Simion an. (Foto: Mihai Barbu/AFP)

Dan hat die Stadtfinanzen in Ordnung gebracht, die Infrastruktur erneuert, sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben. Er hat vor allem Anhänger in den Städten und in der amerikanischen sowie osteuropäischen Diaspora. Auch Dan kanalisierte die Unzufriedenheit mit dem politischen System, das bislang von den Sozialdemokraten und Konservativen geprägt wurde. Derzeit bilden diese zusammen mit einer Kleinpartei der ungarischen Minderheit eine Koalition.

Damit sieht das Feld ähnlich aus wie beim annullierten Wahlgang: zwei Oppositionspolitiker kommen in die Stichwahl, neben Georgescu war das im November die Vorsitzende der Liberalen, Elena Lasconi. Die Regierungsparteien, die diesmal einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen schickten und sonst meistens darauf vertrauen konnten, dass ein Kandidat ihrer Parteien auch Präsident wird, wurden abgestraft.

Damit wird die Stichwahl, wie es Nicușor Dan formulierte, nicht nur eine Entscheidung zwischen zwei Kandidaten. Sondern auch eine Entscheidung zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Vorstellungen von Rumänien. Entweder als einem prowestlichen oder einem antiwestlichen Land.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bedrohte Nato
:Angst an der Ostflanke

Seit Donald Trump Moskau offen Avancen macht, wächst die Sorge um das Fortbestehen der Nato. Wie geht es den Ländern, die nah an Russland liegen? Ein Überblick von Finnland bis Rumänien.

SZ PlusVon Verena Mayer, Viktoria Großmann und Alex Rühle

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: