EU-Ratspräsidentschaft:Kalter Krieg in Rumänien

EU-Ratspräsidentschaft: Frostige Beziehung: Rumäniens Regierungschefin Viorica Dăncilă und Staatspräsident Klaus Johannis

Frostige Beziehung: Rumäniens Regierungschefin Viorica Dăncilă und Staatspräsident Klaus Johannis

(Foto: AP)
  • In Rumänien befinden sich die von der postkommunistischen PSD geführte Regierung und der konservative Präsident Johannis im Dauerstreit.
  • PSD-Chef Dragnea führt Partei, Parlament und Regierung mit eiserner Hand. Regierungschefin Dăncilă zeigt wenig Eigenständigkeit.
  • Die rumänische Regierung versucht, die bisher unabhängige Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft DNA und die Generalstaatsanwaltschaft unter ihre Kontrolle zu bringen.

Von Florian Hassel, Warschau

Die Atmosphäre war frostig, als Rumäniens Präsident Klaus Johannis drei Tage vor Weihnachten zu einer Sitzung des Kabinetts kam. Die Regierung und der Präsident fechten einen politischen Dauerstreit aus. Dies müsse zumindest Anfang 2019 anders sein, mahnte der Präsident: "Es klaffen ja, und das ist hinreichend bekannt, riesige Meinungsunterschiede zwischen uns. Aber wenn es um die derzeit wichtigste nationale Frage geht, nämlich um die Frage der EU-Ratspräsidentschaft, können wir es uns nicht erlauben, nicht zusammenzuarbeiten."

Doch ob die Zusammenarbeit zwischen der von der postkommunistischen PSD geführten Regierung und dem konservativen Präsidenten Johannis funktionieren kann, ist fraglich. Hauptgrund des Kalten Krieges zwischen Regierung und Präsident sind nicht normale politische Meinungsunterschiede, sondern andauernde Probleme von Rumäniens mächtigstem Politiker, PSD-Parteichef Liviu Dragnea. Er ist auch Parlamentspräsident, darf aber nicht Regierungschef werden, weil er 2015 rechtskräftig wegen Wahlfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Wird eine weitere Verurteilung wegen Amtsmissbrauch zu dreieinhalb Jahren Haft vom Obersten Gericht bestätigt, muss Dragnea sogar für Jahre ins Gefängnis. Zudem steht noch ein Prozess aus wegen des Verdachts auf Betrug mit EU-Geld.

Und so wird die rumänische Politik seit dem Wahlsieg der PSD im Dezember 2016 nicht von Reformen in Bildung, Industrie oder Infrastruktur bestimmt, sondern von immer neuen Manövern, um die bisher unabhängige Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft DNA und die Generalstaatsanwaltschaft unter die Kontrolle der Regierung zu bringen. Parallel sollen Korruption, Steuerhinterziehung oder Amtsmissbrauch durch Änderungen des Strafrechts, der Strafprozessordnung oder durch Amnestien für Straftäter entkriminalisiert werden. Noch im Januar will die Regierung per Eilverordnung weitere Änderungen beschließen. Der Präsident verweigert solchen Initiativen allerdings seine Zustimmung, doch seine Kompetenz wird vom zunehmend fragwürdig entscheidenden Verfassungsgericht eingeschränkt.

EU-Mitgliedsstaaten wie "Iran oder Pakistan"

Dragnea führt Partei, Parlament und Regierung mit eiserner Hand und verschliss allein 2017 zwei Regierungschefs, die nicht alle Manöver mitmachten. Seit fast einem Jahr ist nun Viorica Dăncilă Regierungschefin. Zweifel an ihrer Qualifikation nährte die Dragnea-Vertraute schon als Europaparlamentarierin. Da sagte sie einem Fernsehsender, die EU wolle "sich nicht in interne Probleme von Mitgliedsstaaten wie dem Iran oder Pakistan einmischen".

EU-Ratspräsidentschaft: De-Facto-Regierungschef und mächtigster Politiker des Landes: PSD-Parteichef Liviu Dragnea (rechts) neben seiner Marionette Viorica Dăncilă

De-Facto-Regierungschef und mächtigster Politiker des Landes: PSD-Parteichef Liviu Dragnea (rechts) neben seiner Marionette Viorica Dăncilă

(Foto: AFP)

Auch als Ministerpräsidentin trat Dăncilă in einige Fettnäpfchen. In Montenegros Hauptstadt Podgorica freute sie sich, in Pristina (der Hauptstadt Kosovos) zu sein. Bei einem Besuch des Regierungschefs von Estland, Jüri Ratas, vergaß sie dessen Namen. Im Parlament nannte sie einen falschen Namen für die Weltbank. Und als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September nach Bukarest kam, verpasste Dăncilă dessen Empfang. Im Sommer 2018 flogen Dragnea und Dăncilă nach Israel und verkündeten, die rumänische Botschaft nach Jerusalem verlegen zu wollen - ein Rechtsverstoß und Affront gegen Präsident Johannis. Dieser hat gemäß der Verfassung die außenpolitische Richtlinienkompetenz und vertritt Rumänien im Ausland.

Uneigenständige Regierungschefin Dăncilă

Die innenpolitischen Fehltritte der Regierungschefin sind so zahlreich, dass Rumänen Hitlisten pflegen. Fast jeder ihrer Kommentare, Texte oder Ansprachen sei "voller Konstruktionsfehler und logischer Ungereimtheiten", stellte der Rektor der Bukarester Universität, Mircea Dumitru, fest. Rumänische Fernsehsender geben Auslandsauftritte der Regierungschefin mittlerweile gern mit Bildern ohne Ton wieder. Als Dragnea am 24. September über eine wichtige Versammlung informierte, stand Dăncilă auf der gesamten Pressekonferenz stumm an seiner Seite. Als ein Journalist ihr eine Frage stellte, bugsierte Dragnea sie schnell aus dem Raum.

Anders als ihre Amtsvorgänger hat Dăncilă Parteichef Dragnea jedoch nie kritisiert oder Eigenständigkeit erkennen lassen. Als die Regierung Proteste im August 2018 von der Polizei zusammenprügeln ließ und es 450 Verletzte gab, übernahm Dăncilă Verschwörungstheorien Dragneas. Als EU-Kommission und Europäisches Parlament Rumänien wegen seiner Angriffe auf die Justiz im November scharf kritisierten, gab sich die Regierungschefin "zutiefst empört". Jetzt will sie weitere Justizänderungen per Eilverordnung umsetzen.

Das Vorgehen Dragneas und Dăncilăs hat ihre Partei PSD in der Wählergunst von 45 Prozent bei der Wahl 2016 laut einer Umfrage auf derzeit 16 Prozent abstürzen lassen. Um Stammwähler wie Rentner oder Staatsbedienstete bei der Stange zu halten, wurden Renten und Gehälter stark erhöht und Sonderurlaub für Beamte gewährt. In der Folge dürfte das rumänische Haushaltsdefizit 2018 voraussichtlich drei Mal so hoch ausfallen wie unter der Vorgängerregierung. Der frühere oberste Steuereintreiber, Gelu Diaconu, beschuldigte die Dăncilă-Regierung sogar, sie manipuliere Haushaltszahlen, um offiziell unter der von der EU-Kommission erlaubten maximalen Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bleiben.

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