Rumänien:Gute Karten nach mittelmäßigem Spiel

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- Supporters of Romanian President Klaus Iohannis stand in front of his picture at an electoral meeting at the sports hall in Braila city (south-east Romania) November 6, 2019. - Around 2,000 people and important leaders of National Liberal Party (PNL) rulling party gather to attend Iohannis' speech as candidate for a second presidential mandate. Romanians are called to the polls on November 10, 2019 to elect a new President with Iohannis leading the polls and expected to win his second mandate. (Photo by Daniel MIHAILESCU / AFP)

(Foto: Daniel Mihailescu/AFP)

Das Balkanland wählt am Sonntag seinen nächsten Präsidenten. Favorit ist Amtsinhaber Klaus Johannis. Er wolle die Unabhängigkeit der Justiz wiederherstellen, sagt er.

Von Florian Hassel, Warschau

Gewöhnlich ist es ein Alarmzeichen, wenn sich ein Kandidat wenige Tage vor einer wichtigen Wahl nach einem neuen Wahlkampfmanager umsehen muss. Doch Rumäniens Präsident Klaus Johannis war hochzufrieden, dass ihm Ludovic Orban kurz vor der Präsidentenwahl am Sonntag den Laufpass gab: Denn Orban beendete diese Aufgabe, um am vergangenen Montag von Johannis als neuer Ministerpräsident vereidigt zu werden.

Für den 60-jährigen Johannis ist es ungewohnt, als Präsident mit einer Regierung zusammenzuarbeiten, statt sich mit ihr politisch bis aufs Messer zu bekämpfen: Seit der Siebenbürger Sachse und frühere Bürgermeister von Herrmannstadt (Sibiu) im November 2014 überraschend als Präsident gewählt wurde, hatte er es meist mit der postkommunistischen PSD als Gegenspieler an der Regierung zu tun. Diese tat unter dem PSD-Chef und faktischen Regierungschef Liviu Dragnea alles, um die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie höhlte den Rechtsstaat aus mit Gesetzen und Eilerlassen; Ziel des ganzen: den wegen Wahlmanipulation vorbestraften Dragnea in einem zweiten Prozess vor Verurteilung und Gefängnis zu bewahren.

Nicht immer machte Johannis als Präsident eine gute Figur. Er wirkt spröde und lange unentschlossen, er ist kein guter Redner und umgab sich teils mit zweifelhaften Ratgebern. Und im Februar 2017 entzog ein Gericht Johannis und seiner Frau endgültig ein Haus, das nach Ende des Kommunismus und einer Reprivatisierung nicht rechtmäßig in den Besitz der Johannis' kam, das hatte das investigative Rise Project recherchiert. Etliche Rumänen waren auch unzufrieden, weil sie fanden, Johannis unternehme als Präsident nicht genug gegen rechtswidrige Gesetze der PSD-Regierung. Doch die Macht von Rumäniens Präsident ist begrenzt: Er kann zwar Veto gegen Gesetze einlegen, doch dieses kann ziemlich leicht überstimmt werden.

Schlagzeilen machte auch, dass Johannis im Juli 2018 Laura Kövesi entließ, die überaus populäre Leiterin der Anti-Korruptions-Behörde DNA. Diesen Schritt hatte Johannis zwar monatelang verzögern können, er hatte aber letztlich keine Wahl: Das Verfassungsgericht, dominiert von der PSD nahestehenden Richtern, verpflichtete den Präsidenten in einem Skandalurteil, Kövesi entlassen. So wollte es der seinerseits höchst umstrittene Justizministers, um zu verhindern, dass Kövesi weiter Regierungspolitiker der Korruption anklagt. Seit kurzem ist Kövesi europäische Generalstaatsanwältin, die EU Chefermittlerin.

Im Vergleich zu der von Skandal zu Skandal taumelnden Regierung machte Johannis aber trotz seiner Mängel gute Figur. Die vergangenen Monate verliefen sogar fast ideal für ihn, der nun seine Wiederwahl anstrebt: Erst bereiteten die Wähler der PSD bei der Europawahl eine krachende Niederlage, während Johannis' konservative Oppositionspartei PNL zulegte. Dann wurde Ende Mai PSD-Parteichef Dragnea rechtskräftig verurteilt und sitzt im Gefängnis. Und schließlich zerfiel vor knapp einem Monat die von seiner Nachfolgerin Viorica Dăncilă geführte Regierung. Ihr Koalitionspartner Alde wollte offenbar das sinkende Schiff rechtzeitig vor der nächsten Parlamentswahl verlassen. Johannis' Parteifreund Orban brachte als PNL-Chef im Parlament genug kleine Parteien und Abweichler aus der PSD auf seine Seite, um die Regierung per Misstrauensvotum zu stürzen und selbst zum Regierungschef gewählt zu werden.

Vor der Präsidentenwahl wirbt Johannis bei den Rumänen als ein Politiker für sich, der die Unabhängigkeit der Justiz wiederherstellen, Erziehung und Gesundheitswesen reformieren und Investitionen in Transport und Infrastruktur fördern wolle ebenso wie eine moderne Landwirtschaft. Alles, damit Rumänien endlich nicht mehr das Armenhaus der EU bleiben werde. Das allerdings sind nicht Aufgaben eines Präsidenten, sondern die der Regierung. Die wird zwar nun von Johannis' eigener Partei gestellt, ist aber nur eine Minderheitsregierung mit kurzem Mandat bis zur planmäßigen Parlamentswahl im Herbst 2020.

Gleichwohl führt Johannis als Präsidentschaftskandidat mit großem Vorsprung: Eine Umfrage sieht ihn bei 39 Prozent, eine andere bei knapp 46 Prozent. Von den restlichen 13 Kandidaten erreichen nur drei mehr als zehn Prozent: die gerade mit ihrer Regierung gestürzte PSD-Parteichefin Viorica Dăncilă (15 bis 23 Prozent), der von Ex-Ministerpräsident Victor Ponta und der Alde-Partei gestützte Schauspieler Mircea Diaconu (17 Prozent ) und Dan Barna (13 bis 19 Prozent), Führer der aufstrebenden liberalen Oppositionspartei USR. Um schon am Sonntag für eine zweite fünfjährige Amtszeit gewählt zu werden, bräuchte Johannis mehr als 50 Prozent der Stimmen der knapp 19 Millionen Wahlberechtigten. Dies gilt als unwahrscheinlich, so dürfte die Entscheidung in einer Stichwahl am 24. November fallen.

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