Tumulte in RumänienGeorgescu soll nicht kandidieren dürfen

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Wut auf der Straße: Ein Anhänger von Călin Georgescu stellt sich in Bukarest einer Reihe von Polizisten entgegen.
Wut auf der Straße: Ein Anhänger von Călin Georgescu stellt sich in Bukarest einer Reihe von Polizisten entgegen. (Foto: Vadim Ghirda/dpa)

Rumäniens Wahlbüro schließt den prorussischen Politiker Călin Georgescu von der Präsidentschaftswahl im Mai aus. Das führt zu Gewalt auf den Straßen – und ein anderer rechtsextremer Kandidat läuft sich schon mal warm.

Von Tobias Zick

Kurz nach der Entscheidung brachen die Tumulte los. Einige Hundert Demonstranten versammelten sich noch am Sonntagabend vor dem Sitz des Zentralen Wahlbüros in Rumäniens Hauptstadt Bukarest, um gegen das zu protestieren, was gerade hinter den Türen mit zehn zu vier Stimmen beschlossen worden war: Der Kandidat Călin Georgescu darf demnach bei der erneuten Präsidentschaftswahl im Mai nicht antreten.

Bei den Straßenschlachten, die daraufhin ausbrachen, gingen Berichten zufolge Stühle in Straßencafés in Flammen auf, Büsche brannten, ein TV-Übertragungswagen wurde umgestürzt, randalierende Georgescu-Anhänger bewarfen Polizisten mit Pflastersteinen, die Einsatzkräfte antworteten mit Tränengas. Mehrere Beamte wurden verletzt.

Elon Musk regt sich auf

Zur Begründung hatte das Zentrale Wahlbüro erklärt, Georgescus Bewerbung entspreche nicht den rechtlichen Anforderungen, so habe er etwa die Finanzierung seines Wahlkampfs nicht vollständig offengelegt. Zudem verstießen seine bisherigen Handlungen und Aussagen zum Teil gegen die „Werte, die das Präsidentenamt erfordert“. Georgescu habe „die Verpflichtung, die Demokratie zu verteidigen, verletzt“.

Der abgelehnte Kandidat berief sich seinerseits auf die Demokratie. In einem Kommentar auf der Plattform X bezeichnete er die Entscheidung als „Stoß ins Herz der Demokratie auf der ganzen Welt“. Und der US-Präsidentenberater und Eigentümer von X, Elon Musk, sprang dem rumänischen Kandidaten, mit dem er sich zuvor solidarisch erklärt hatte, mit den Worten bei: „Das ist irre!“

Călin Georgescu fordert, man solle die Ukraine nicht gegen den russischen Angriffskrieg unterstützen.
Călin Georgescu fordert, man solle die Ukraine nicht gegen den russischen Angriffskrieg unterstützen. (Foto: Vadim Ghirda/DPA)

Noch ist die Entscheidung nicht rechtskräftig; Georgescu kann bis zum Montagabend Berufung einlegen, bis Mittwoch muss das rumänische Verfassungsgericht endgültig entscheiden. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass die dortigen Richter in seinem Sinne urteilen.

Die Wahlbehörde verwies auf ein Urteil des Verfassungsgerichts, mit dem dieses am 6. Dezember das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl vom 24. November annulliert hatte. In dieser hatte Georgescu mit knapp 23 Prozent überraschend die meisten Stimmen erzielt, nachdem er mit einer Social-Media-Kampagne, vor allem auf Tiktok, an nationalistische und religiöse Gefühle appelliert hatte. Zudem hatte er sich dagegen ausgesprochen, die Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen. Rumänien ist mit mehreren großen Nato-Basen einer der wichtigsten Standorte des westlichen Verteidigungsbündnisses in Südosteuropa.

Mit der Annullierung der Wahl im Dezember löste das Verfassungsgericht viel Kritik aus, nicht nur unter Anhängern Georgescus. Besonders das Timing schürte Argwohn. Denn wenige Tage zuvor hatte das Gericht, nach einer erneuten Auszählung, die Wahl in der ersten Runde noch explizit für gültig erklärt. In der Zwischenzeit allerdings hatte der damals noch amtierende Präsident Klaus Iohannis Geheimdienstberichte zur Veröffentlichung freigegeben, auf deren Grundlage es das Verfassungsgericht als hinreichend erwiesen sah, dass ausländische „staatliche Akteure“ Georgescus Wahlkampf auf unzulässige Weise unterstützt hätten.

Ein verkorkstes Verfahren

Hat sich das höchste Gericht eines EU-Mitgliedstaats politisch beeinflussen lassen, um einen allzu russlandfreundlichen Kandidaten in letzter Minute zu stoppen? Den Vorwurf haben Kritiker aus verschiedenen Lagern erhoben. Alexandra Iancu, Professorin für politische Wissenschaft an der Universität Bukarest, will lieber von einer „Krise der politischen Kultur“ sprechen als von einer „Krise der Justiz“. Es sei „ein bisschen ungerecht“, dem Verfassungsgericht allein die Schuld für das verkorkst anmutende Verfahren zuzuweisen.

Man müsse hinterfragen, inwieweit andere staatlichen Institutionen bereits in früheren Phasen möglicherweise versagt hätten: „Es war seit Längerem bekannt, dass er angegeben hatte, keine Wahlkampfkosten gehabt zu haben. Trotzdem gab es zunächst keine offiziellen Ermittlungen dazu.“ Man müsse allerdings auch berücksichtigen, dass er in ersten Umfragen bei etwa einem Prozent gestanden habe. Das könne in Teilen erklären, warum er lange „unter dem Radar“ der Behörden geblieben sei.

Inzwischen gibt es Ermittlungen; Ende Februar nahm die Polizei Georgescu für eine mehrstündige Vernehmung vorübergehend fest, seither darf er bis auf Weiteres das Land nicht verlassen. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Verstößen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, falscher Angaben zu seiner Wahlkampffinanzierung sowie der Gründung einer faschistischen Organisation.

Berichten zufolge wollte sich Georgescu am Montagnachmittag mit einem anderen rechtsextremen Kandidaten, George Simion, treffen, um eine gemeinsame Strategie für die Wahlen im Mai zu besprechen. Simion, der sich in der Vergangenheit mit Georgescu überworfen hatte, stellte sich nun demonstrativ hinter ihn und bezeichnete die Entscheidung des Wahlbüros als „Putsch“.

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