Süddeutsche Zeitung

Halbsatz im Gesetz:Wie Minister von einer Ausnahme beim Ruhegehalt profitieren könnten

  • Wegen der Forderungen der neuen SPD-Spitze an die Union ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Koalition vor Ende der Legislaturperiode zerbricht.
  • Für Minister wie Giffey und Heil könnte das erhebliche finanzielle Folgen haben - denn eigentlich erwerben Bundesminister erst nach vier Jahren Amtszeit den Anspruch auf ein Ruhegehalt.
  • Bei einer vorzeitigen Auflösung des Bundestags würden allerdings schon gut zwei Jahre reichen. Mitte März 2020 wäre es für Giffey und Heil soweit.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es ist nur ein unscheinbarer Halbsatz - aber er könnte sich für Ministerinnen und Minister wie Franziska Giffey und Hubertus Heil enorm auszahlen. Eigentlich erwerben Bundesminister erst nach einer Amtszeit von vier Jahren Anspruch auf ein Ruhegehalt. Das dürfte für Giffey und Heil kaum noch zu erreichen sein. Die neue SPD-Spitze will zwar nicht sofort aus der großen Koalition aussteigen. Wegen ihrer weitgehenden Forderungen an die Union ist aber die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, dass das Bündnis das Ende der Legislaturperiode nicht mehr erreichen wird.

Doch im Bundesministergesetz gibt es in Paragraf 15 Absatz 1 einen Halbsatz, an den die beiden SPD-Minister Hoffnungen knüpfen können. Unter bestimmten Voraussetzungen gelte auch eine "Zugehörigkeit zur Bundesregierung von mehr als zwei Jahren" bereits "als Amtszeit von vier Jahren", heißt es da. Giffey und Heil wurden am 14. März 2018 ernannt, sie müssten also nur bis zum 15. März 2020 durchhalten - das ist zu schaffen. Und auch eine der Voraussetzungen, die das Gesetz für die verkürzte Frist nennt, könnte durchaus eintreten: eine vorzeitige Auflösung des Bundestags. Wenn es dazu kommt, reichen auch gut zwei Jahre Amtszeit.

Es geht um viel Geld. "Im Fall der vorzeitigen Auflösung des Bundestags" bestehe "ein Anspruch auf Ruhegehalt in Höhe von 27,74 Prozent der Amtsbezüge, wenn die Mindestamtszeit von zwei Jahren erfüllt wurde", sagt ein Sprecher des zuständigen Bundesinnenministeriums auf Nachfrage. Das Amtsgehalt betrage derzeit "monatlich 15 065,92 Euro, hinzuzurechnen ist jeweils der Ortszuschlag, der sich nach den persönlichen Familienverhältnissen im jeweiligen Einzelfall bestimmt". Der Ortszuschlag variiert also. Laut Innenministerium beträgt er zum Beispiel bei einer verheirateten Ministerin, deren Ehepartner nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, und die ein Kind hat, monatlich 1327,99 Euro. Das Ruhegehalt, um das es geht, liegt also bei mehr als 4000 Euro. Gezahlt wird es mit Erreichen der Regelaltersgrenze - mit Abschlägen können es die Ex-Minister aber sogar schon ab Vollendung des 60. Lebensjahres beziehen.

Normale Beschäftigte erhalten für zwei Jahre nur 66 Euro Rentenanwartschaft

Für normale Beschäftigte ist eine derartige Absicherung kaum zu erreichen. Die Deutsche Rentenversicherung teilte am Freitag auf Nachfrage mit: "Ein Versicherter erhält derzeit nach 45 Jahren durchschnittlichem Arbeitsentgelt monatlich rund 1487 Euro Rente brutto." Und für zwei Arbeitsjahre ergebe sich "eine Rentenanwartschaft von rund 66 Euro".

Die Ressorts von Heil und Giffey äußerten sich am Freitag nur ziemlich kurz zu den möglichen Ruhegehaltsansprüchen. Eine Sprecherin von Heils Arbeitsministerium sagte lediglich, die Regelungen würden sich aus dem Bundesministergesetz ergeben, man solle sich deshalb an das dafür zuständige Innenressort wenden. Und Giffeys Familienministerium ließ lapidar verlauten: "Es gilt die Gesetzeslage - wenn die Voraussetzungen des §15 Absatz 1 Satz 2 des Ministergesetzes vorliegen, löst dies die entsprechenden Folgen aus, wie im Gesetz beschrieben."

Giffey und Heil gehören - wie Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) - zu den wenigen Kabinettsmitgliedern, die vor ihrer Ernennung im März 2018 weder Bundesminister waren noch als parlamentarische Staatssekretäre oder Mitglieder einer Landesregierung für die Ruhegehaltsermittlung anrechenbare Amtszeiten erworben haben.

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SZ vom 07.12.2019/mane
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