Rüstungsskandale:Panzer für die Werkstatt, U-Boote fürs Süßwasser

Infografik zu Rüstungsskandalen in der Bundesrepublik

Die Rüstungsskandale der Republik im Überblick

(Foto: SZ-Grafik, Fotos: dpa, SZ-Photo, Getty, AP)

Waffenkäufe der Bundeswehr waren immer wieder anfällig für Pannen und Bestechungsversuche. Ein Blick in die Geschichte zweifelhafter Rüstungsprojekte.

Von Hans Leyendecker

Pfründe und Pannen, Filz und Industriepolitik, Milliarden für unerprobtes Gerät und dann wieder Sparen an notwendiger Munition - die Geschichte der Ausstattung der Bundeswehr mit mehr oder weniger sinnvollem Gerät war nie ohne Widersprüche.

Aber in die Skandalchroniken der Republik sind vor allem die Rüstungsprojekte eingegangen, die zu teuer, unnütz oder vom Mief der Korruption umweht waren. Alles begann in den Fünfzigerjahren mit dem berühmten Schützenpanzer HS 30, der nichts taugte, aber viel kostete - das erste bestechende Beschaffungskonzept.

Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß durfte Tausende dieser Schützenpanzer ordern, obwohl er mit dem Bundeskanzler Konrad Adenauer nur ein Holzmodell besichtigt hatte. Bei der Bestellung gab es noch keinen Prototyp. Als der Panzer rollte, kam er nur mühsam voran. Die Ketten waren zu schwach, die Belüftung und die Kühlung von Motor und Bremsen klappten nicht, der Innenraum war viel zu eng. Wer während der Fahrt aussteigen wollte, riskierte sein Leben. Aber dazu kam es erst gar nicht, weil der Panzer meist in der Werkstatt stand und repariert wurde. Als er endlich fast Truppentauglichkeit erreichte, rollte von den frühen Siebzigerjahren an bereits sein Nachfolger Marder.

Schwarze Liste mit den Namen vieler Politiker

Aber nicht wegen Untauglichkeit hat sich der HS 30 in die Erinnerung eingebrannt, sondern weil 1958 eine Liste des Schweizer Herstellers aufgetaucht war, auf der die Namen vieler Politiker standen; dahinter waren sechs-bis siebenstellige Summen notiert. Der Fluss des Geldes konnte jedoch nie ganz geklärt werden.

Auch auf See war der Anfang rau. Die U-Boote der Klasse 201 mit den Einheiten U1, U2 und U3, die ab 1962 fertig wurden, konnten das Meerwasser nicht vertragen. Der aus Österreich importierte antimagnetische Stahl zeigte auf hoher See Risse in den Tauchzellen.

Tragisch endete die Umrüstung des amerikanischen Schönwetter-Jägers F 104 G, des Starfighters, zu einem Allwetter-Kampfflugzeug. Das Überspringen von Entwicklungs-und Erprobungsabschnitten zog eine beispiellose Absturzserie nach sich. Fast 300 Maschinen stürzten ab, etliche gingen am Boden zu Bruch, 116 Piloten starben.

Die Regierung Adenauer hatte sich für das US-Flugzeug und gegen die französische Konkurrenz entschieden, weil sie hoffte, an der atomaren Rüstung der Amerikaner beteiligt zu werden. Im Jahr 1966 enthüllte der Spiegel, dass Lockheed manche der Käufer bestochen hatte, und in anderen Ländern stürzten Politiker über einen Korruptionsskandal. In Deutschland allerdings gibt es bis heute keinen Beleg, dass im Zusammenhang mit dem Starfighter-Projekt geschmiert wurde.

Korruption war systemimmanent

Dabei waren Rüstungsaufträge und Korruption - früher zumindest - systemimmanent. Nur der Beweis fiel oft schwer. Es gab seit den Fünfzigerjahren immer wieder Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz im Zusammenhang mit Rüstungsprojekten. Das erste Verfahren der Koblenzer richtete sich 1957 gegen einen Amtsrat, der von am Uniformengeschäft interessierten Tuchfirmen Geschenke angenommen hatte. Er kam ins Zuchthaus. Die Zuständigkeit der Koblenzer ergab sich aus dem Umstand, dass das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz seinen Sitz hatte.

Besonders spektakulär verlief das Verfahren gegen eine der großen Managerfiguren der jungen Republik - Fritz-Aurel Goergen. Koblenzer Staatsanwälte ließen ihn 1964 auf einem Festbankett des damaligen Kanzlers Ludwig Erhard festnehmen. Bei Bundeswehraufträgen, so stand es im Haftbefehl, habe der damalige Chef und Mehrheitsaktionär der Henschel-Werke, die Lokomotiven, aber auch Panzerteile herstellten, angeblich rund 530 000 Mark in die eigene Tasche abgezweigt. Das war damals ein Staatsskandal. Goergen wurde krank, war nicht verhandlungsfähig, und der Betrugsverdacht ließ sich nicht erhärten. 1973 wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Er verzichtete auf die Entschädigung für die Untersuchungshaft und setzte sich mit einem geschätzten Vermögen von 100 Millionen Mark in die Schweiz ab, wo er bald darauf starb.

In anderen Ländern wie den USA, Frankreich oder Großbritannien gibt es einen Komplex aus Militär, Industrie und Politik, der MIP genannt wird. MIP entdeckt fortwährend angebliche Lücken bei der Abwehr und lässt sie dann schließen. Das funktioniert besonders gut, wenn die Rüstungsindustrie zum Teil oder ganz staatlich gelenkt wird. Und Kapazitäten verlangen permanent nach Auslastung. Ein altes Gesetz der Rüstungswirtschaft. In Deutschland gibt es auch so etwas wie einen MIP-Komplex, aber seit Strauß nicht mehr lebt, hat das Geflecht kein Gesicht.

Rüstungssskandale sind auch Ansichtssache

Was ein Rüstungsskandal ist oder nicht, ist Ansichtssache. Und die hängt oft von dem Umstand ab, welche Partei in das Projekt verwickelt war. Anschauungsmaterial liefert ein eher kleiner Skandal, der Ende der Achtzigerjahre kaum Aufmerksamkeit auslöste. Bei der Entwicklung und von neuen "Drei-Kappen-Fallschirmen" in der Zeit von Verteidigungsminister Manfred Wörner war es zu Schlampereien gekommen; auch die parlamentarischen Gremien waren wieder einmal draußen gehalten worden. Die SPD drohte, auch weil es einen Toten gegeben hatte, mit einem Untersuchungsausschuss, bis herauskam, dass Sozialdemokraten bei dem Projekt ebenfalls eine Rolle gespielt hatten. Kein Skandal also. Wenn alle irgendwie beteiligt sind, ist keiner wirklich an Aufklärung interessiert.

Das teuerste und langwierigste Projekt der Bundeswehr ist der Eurofighter. Mit Studien für das Flugzeug wurde schon in den Achtzigerjahren begonnen. Das Kampfflugzeug, das einschließlich Betrieb und Wartung bis 2040 schätzungsweise rund 80 Milliarden Euro kosten wird, kam erst mit neunjähriger Verspätung zum Einsatz. Statt den ursprünglich geplanten 50 Millionen Euro kostet eine Maschine nun 90 Millionen. Das Projekt hat den kritischen Bundesrechnungshof, zweifelnde Minister und skeptische Gremien überstanden. Geht doch.

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