Die Europäer sollen zusammenarbeiten – und zwar nicht nur die Regierungen, sondern auch die Wirtschaftsbosse. Besonders in der Rüstungsindustrie. Das ist der Auftrag, den sich die Verteidigungsminister von Polen, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien bei ihrem Treffen im Schloss Helenów bei Warschau am Montag gestellt haben. Der ukrainische Verteidigungsminister war per Video zugeschaltet.
Die neue Gruppe der Fünf hatte sich in Reaktion auf die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten gegründet. Die Europäer befürchten, er könnte die Unterstützung der Ukraine beenden. Anlass also, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen.
Diese sehen die Minister vor allem in enger Zusammenarbeit der Rüstungsbetriebe ihrer Länder mit denen der Ukraine. Die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der Ukraine bei der Rüstungsproduktion seien bislang nicht ausgeschöpft, sagte Polens Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz. „2025 muss das Jahr des Ausbaus der Rüstungsindustrie in Europa werden“, kündigte er an. Polen hat am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und diese ganz ins Zeichen der Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit gestellt.
Anpassung an den tatsächlichen Bedarf und einheitliche Standards gehören zu den Zielen
Von einer gezielten internationalen Zusammenarbeit von Rüstungsfirmen versprechen sich die Minister eine effizientere Produktion, die besser an den tatsächlichen Bedarf angepasst ist. Zudem soll mehr in der Ukraine produziert werden, also dort, wo Munition und Geräte auch eingesetzt werden. Zugleich sollen die Firmen ihr Wissen austauschen, einheitliche Standards herstellen, die Produktion beschleunigen und gewährleisten, dass alle Systeme zusammenpassen und miteinander kombiniert werden können.
Zudem haben die Minister eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit Joint Ventures befassen und rasch Ergebnisse liefern soll. Das Bundesverteidigungsministerium verweist auf eine solche erfolgreiche Projekt-Zusammenarbeit von deutschen und ukrainischen Unternehmen bei der Drohnen-Herstellung.
Auch die Institutionen sollen enger zusammenarbeiten, „um eine fruchtbare Synergie in Bezug auf Lieferung, Ausbildung und Lehre zu schaffen“, wie es in einem gemeinsamen Abschlussdokument heißt. Gemeint sind NSATU, das Trainings- und Ausbildungszentrum der Nato, die europäische Unterstützungsmission für die Ukraine Eumam und die Ukraine-Kontaktgruppe UDCG, der nicht nur Nato-Länder angehören.
Die Nato-Beiträge sollen eine faire Lastenverteilung bringen. Polen wendet 4,7 Prozent seines BIP auf
Man werde die Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer und für einen fairen und dauerhaften Frieden so lange unterstützen, wie nötig, wiederholten die fünf Verteidigungsminister als ihre oberste Priorität.
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der eine liberal-konservative Koalition anführt, hat sich vorgenommen, während der EU-Ratspräsidentschaft Polens Fortschritte bei der Vorbereitung von möglichen Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu erzielen. Tusk wird an diesem Dienstag zu einem Treffen der Nato-Alliierten im Ostseeraum nach Helsinki fliegen und möglicherweise im Anschluss nach Kiew reisen, wie polnische Medien mutmaßen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Vormittag in Kassel dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejew die erste von insgesamt 54 neuartigen Radhaubitzen übergeben. Die Radhaubitzen vom Typ RCH 155 werden vom deutsch-französischen Rüstungsunternehmen KNDS in Kassel hergestellt. Es handle sich um ein „weltweit einzigartiges vollautomatisches Waffensystem“, teilt das Verteidigungsministerium mit. Die ukrainische Armee erhalte es noch vor der Bundeswehr. Die Bundeswehr bildet auch ukrainische Soldaten aus.
Zugleich sind die Radhaubitzen ein Beispiel für internationale Zusammenarbeit: Großbritannien und Deutschland hatten vereinbart, „das Waffensystem gemeinsam zu kaufen, zu bewerten und zu optimieren“, wie das Verteidigungsministerium auf seiner Homepage schreibt.
Zur Erhöhung der Beiträge an die Nato erklärten die fünf Minister, es solle eine „faire transatlantische Lastenverteilung“ erreicht werden – was einer Erhöhung des Ausgabenziels von bislang jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes gleichkommt.
Der polnische Verteidigungsminister hatte in einem Interview mit der Financial Times die von Donald Trump aufgestellte Forderung nach fünf Prozent gutgeheißen. Das sei „ein wichtiger Weckruf“ für die Bündnisstaaten. Polen ist dabei, die stärkste Armee Europas aufzubauen, in diesem Jahr sollen nach Regierungsangaben 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung fließen.
Deutschland hatte das Zwei-Prozent-Ziel im vergangenen Jahr erstmals erreicht. Das werde nur der „Anfang sein können“, hatte Boris Pistorius am Morgen in Kassel gesagt: „Es wird deutlich mehr werden müssen, wenn wir in dem Tempo und dem Umfang weitermachen wollen, was wir müssen.“ Auch die Minister wollen Tempo machen. Bald wollen sich die fünf wiedersehen, dann in Paris.