Süddeutsche Zeitung

Deutsch-französisches Rüstungsprojekt:Drohne für alle Fälle

Der "Tornado", diverse Hubschrauber, der "A400M": Bei Rüstungsfragen ist Ärger unvermeidlich, besonders wenn es Sonderwünsche gibt. Für die neue Drohne der Bundeswehr heißt das: Sie muss alles können - auch schießen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Ein hübscher Treppenwitz der europäischen Rüstungspolitik: Der Transporter A400M fliegt ausgerechnet an jenem Tag seinen ersten Einsatz für die Bundeswehr, an dem Deutschland, Frankreich und Italien ein neues, gemeinsames Rüstungsprojekt bekanntgeben. Während also eine Wasseraufbereitungsanlage im Bauch der Großraummaschine nach Senegal gebracht wird, erlebt ein Reizthema seine Wiederauferstehung - und die immer gleiche Frage bleibt: Hat da jemand gelernt?

Rüstungsfragen gehören zum besonders schweren politischen Geschäft: Interessen von Militär und Industrie, gesellschaftliche Sorgen, immer knappe Budgets und die großen Fragen von Krieg und Frieden - kein anderer Stoff garantiert so viel Skandalpotenzial und so wenig Applaus. Wenn dann noch mehrere Länder ihre Interessen aufeinander abstimmen müssen, ist Ärger geradezu unvermeidbar. In der langen Geschichte der gemeinsamen Beschaffungspolitik gibt es hinreichend Lehrmaterial: der Tornado, diverse Hubschrauber, der A400M - immer wieder verstrickten sich unheilvoll die Interessen.

Bei der gemeinsamen Drohne und dem Aufklärungssatelliten könnte sich das ändern, auch weil - so sollte man annehmen - hinreichend viel Lehrgeld bezahlt wurde. Wichtiger aber ist, dass sich sowohl in Frankreich als auch in Deutschland das strategische Interesse verändert hat. Frankreichs enger Blick auf die eigene Wehrtechnologie hat sich in der Wirtschaftskrise geweitet, das Land braucht einen Partner für neue Rüstungsprojekte dieser Größe.

Deutschland bleibt der liebste militärische Partner.

Die Bundesregierung wiederum hat den Willen, für Europa eine eigene wehrtechnische Industrie am Leben zu erhalten. National wird das nicht gelingen. Also braucht es die Kooperation. Wer seine Armeen nicht abschaffen will und bei der Beschaffung nicht in die Abhängigkeit etwa der USA oder Chinas geraten möchte, der muss zusammenarbeiten.

Eine europäische Drohne muss die Beschaffungspolitik verändern

Wie aber lassen sich die Katastrophen vermeiden, die bisher alle internationalen Rüstungsprojekte begleitet haben? Mehr politische Abstimmung, ist die Antwort, nicht weniger. Wer diese Projekte allein der Industrie überlässt und es dabei versäumt, mit der anderen Regierung zu reden, der zahlt drauf. Das hat etwa der Eurocopter Tiger bewiesen. Den Kampfhubschrauber gibt es in allen Farben und Variationen - aber diese Sonderwünsche haben ihren (nahezu unbezahlbaren) Preis. Ähnlich waren die Erfahrungen mit dem A400 M. Für den Transportflieger gab es so viele nationale Sonderwünsche, dass er eigentlich auch über Wasser laufen können müsste.

Die Abstimmung für die Drohne muss also früher beginnen und von einem gemeinsamen Ziel geleitet sein: Extrawürste gibt es nicht. Bei einem Aufklärungssatelliten wird man sich schnell einig sein. Bei der Drohne wird es aber die deutsche Ministerin weniger leicht haben. Die vergleichsweise banalen technischen Probleme werden hierzulande von einer grundsätzlichen Frage überdeckt: Darf die Drohne nur aufklären, oder soll sie auch Raketen abschießen dürfen? Ursula von der Leyen hat schon im vergangenen Jahr einen vernünftigen Kurs vorgegeben: Eine Drohne wird alles können müssen, andere Modelle gibt es überhaupt nicht. Wofür sie aber eingesetzt wird, das entscheidet am Ende die Politik. In Deutschland heißt das: der Bundestag.

Die Drohne lehrt also: Rüstungspolitik ist immer auch Sicherheitspolitik. Eine gemeinsame Drohne, die auch mit Raketen bestückt werden kann, ändert die sicherheitspolitische Diskussion in Deutschland und erweitert das Einsatzspektrum für die Truppe. Wenn der Bundestag diesem Projekt zustimmt, dann stimmt er auch einer Erweiterung der Sicherheitspolitik zu. In Frankreich sieht man darin kein Problem.

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SZ vom 01.04.2015/leja
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