Rüstungskontrolle:Wenn Maschinen töten

Beherrscht der Mensch die Technologie oder beherrscht sie am Ende ihn? Heiko Maas diskutiert mit Experten über die Gefahren von autonomen Waffen und Cyberangriffen. Er fordert eine gemeinsame, weltweit geltende Linie.

Von Daniel Brössler, Berlin

Brandneu ist die Angst nicht. Roboter, die sich selbständig machen und schließlich fast die Menschheit vernichten, hat der tschechische Schriftsteller Karel Čapek bereits 1920 in seinem Stück "R.U.R - Rossums Universal Robots" beschrieben. Ein knappes Jahrhundert danach ist Čapeks Sorge in der politischen Wirklichkeit angekommen.

Die Gefahren durch autonome Waffensysteme war eines der Themen einer Fachkonferenz zur Rüstungskontrolle, zu der Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag 450 Experten und Diplomaten in Auswärtige Amt eingeladen hatte. "Killer-Roboter, die auf Basis anonymer Datensätze und völlig jenseits menschlicher Kontrolle über Leben und Tod entscheiden, sind bereits heute eine erschreckend reale Perspektive", sagte er.

Gewidmet war die Konferenz neben autonomen Waffensystemen auch Cyberangriffen, der militärischen Nutzung der Biotechnologie und neuen Raketentechniken. "Im Kern geht es um die Frage, ob wir die Technologie beherrschen oder am Ende von ihr beherrscht werden. Darauf müssen wir die richtige Antwort geben", forderte Maas. Die Konferenz war Teil seiner Bemühungen, Rüstungskontrolle und Abrüstung zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit zu machen - wobei er einräumte, dass das Klima nicht günstig zu sein scheint angesichts der Kündigung des INF-Vertrages, der nuklear bestückte Mittelstreckenraketen aus Europa verbannt hatte. Dennoch sei es gerade jetzt nötig zu handeln. Viele der neuen Technologien stießen in "politische und rechtliche Graubereiche vor, in denen die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, zwischen Frieden und Konflikt verschwimmen". Erst nachdem Zehntausende Soldaten im Ersten Weltkrieg qualvoll an Giftgas gestorben seien, habe sich die Welt 1925 zu einem Verbot solcher Waffen durchgerungen. Die Welt, pflichtete ihm der niederländische Außenminister Stef Blok bei, müsse eintreten in ein "neues Zeitalter der Rüstungskontrolle".

Das freilich gestaltet sich bislang zäh. So wird mit bisher bescheidenem Ertrag unter dem Dach der Vereinten Nationen in Genf über tödliche autonome Waffen verhandelt. Für die Bundesregierung ergibt sich das Ziel aus dem Koalitionsvertrag. "Autonome Waffensysteme, die der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen

wir ab. Wir wollen sie weltweit ächten", heißt es dort. Zusammen mit Frankreich wirbt Deutschland zu diesem Zweck für eine politische Absichtserklärung. Ein Teil der Staaten geht in der Forderung nach einem Verbot dieser Waffen weiter, anderen geht schon eine eher unverbindliche Erklärung zu weit.

"Killer-Roboter" seien ein "Angriff auf unsere Menschlichkeit selbst, auf die menschliche Würde, den Kern unserer Verfassung", mahnte Maas. Doch es gehe nicht nur um Ethik. Vollautonome Waffen seien anfällig für Manipulation und Fehlkalkulationen. Automatische Eskalationen und Rüstungswettläufe seien so programmiert. Bei den Verhandlungen in Genf wolle man das Prinzip wirksamer menschlicher Kontrolle über alle tödlichen Waffensysteme international festschreiben und damit einen "großen Schritt gehen hin zur weltweiten Ächtung vollautonomer Waffen". Menschen müssten die Kontrolle behalten, forderte in Berlin auch die Hohe UN-Beauftragte für Abrüstung und Rüstungskontrolle, Izumi Nakamitsu.

Der nächste Krieg, prognostizierte Maas, werde wird "nicht mehr nur mit Megabomben, sondern auch mit Megabits und Megabytes geführt". Die gemeinsamen Sicherheitsinteressen seien offenkundig. So werde kein Staat ernsthaft wollen, dass der Welthandel Cyber-Angriffen zum Opfer falle, dass Hacker sein Bankensystem lahmlegen oder den internationalen Luftverkehr gefährden. Zwar werde über das Thema bei den Vereinten Nationen oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhandelt, aber bisher fehle es an politischem Willen.

Ein "internationaler Raketendialog" wiederum solle sich den Gefahren durch neue manövrierfähige Flugkörper, die mit vielfacher Schallgeschwindigkeit unterwegs sind, widmen. Abgewogene menschliche Reaktionen seien hier kaum noch möglich. Im Bereich der Biotechnologie müsse verhindert werden, "dass Staaten, Terroristen oder Kriminelle neue Verfahren und den freien Zugang zu wissenschaftlicher Forschung nutzen, um mit biologischen Waffen die ganze Menschheit zu gefährden". Die Bundesregierung setze sich für die Schaffung eines Expertengremiums unter dem Dach des Biowaffenübereinkommens ein, das über die Risiken aufkläre.

Es könne allerdings nicht darum gehen, "technologische Entwicklung abzuschneiden", warnte Maas. "Für ein Land wie Deutschland - Hochtechnologiestandort und Exportweltmeister - wäre das fatal", sagte er.

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