Süddeutsche Zeitung

Rüstungskontrolle:Fünf weitere Jahre

Bidens Regierung will das New-Start-Abkommen verlängern - der letzte noch gültige Vertrag mit Russland, der die atomare Rüstung beschränkt. 122 UN-Staaten gehen in eine andere Richtung: Sie stimmten für ein Verbot von Atomwaffen, das nun in Kraft tritt.

Von Paul-Anton Krüger, München

Russland hat am Freitag die Ankündigung des neuen US-Präsidenten Joe Biden begrüßt, das New-Start-Abkommen zu Begrenzung der strategischen Atomwaffen zu verlängern. Es sei aber wichtig, zunächst die konkreten Vorschläge aus Washington zu sehen, sagte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow. Diese lägen noch nicht vor.

Biden strebt laut seiner Sprecherin Jen Psaki eine Verlängerung der letzten verbliebenen Rüstungskontrollvereinbarung mit Moskau ohne Vorbedingungen um fünf Jahre an, den laut Vertrag maximal möglichen Zeitraum. Er diene den Sicherheitsinteressen der USA. Seine Verlängerung sei umso wichtiger, wenn die Beziehung zu Russland eine gegnerische sei, wie derzeit.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich zuvor bereit erklärt, das Abkommen ohne Änderungen fortzuführen. Ohne eine Einigung läuft es am 5. Februar aus. Damit würden erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten alle Limits für die Atomarsenale der einstigen Supermächte fallen: Dem Vertrag nach sind das maximal je 1550 gefechtsbereite strategische Atomsprengköpfe pro Seite, die auf 700 landgestützte Interkontinentalraketen, auf U-Booten stationierte ballistische Raketen und schwere Bomber verteilt werden können.

Trump machte die Einbeziehung Chinas zur Bedingung

Er enthält auch Bestimmungen zum regelmäßigen Austausch von detaillierten Informationen über Aufstellung und Stützpunkte der Atomstreitkräfte der Gegenseite und gewährt kurzfristige Inspektionen durch Militärbeobachter zur Überprüfung.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte Bidens Ankündigung ebenfalls. Die Verbündeten hätten deutlich gemacht, dass sie der Erhaltung des Abkommens große Bedeutung beimessen. Er sehe die Verlängerung nicht als Endpunkt, sondern als Beginn neuer Anstrengungen, die internationale nukleare Rüstungskontrolle wieder zu stärken. Abkommen, die weitere Waffensysteme umfassen oder andere Länder wie China einbeziehen, müssten auf die Agenda.

Der russische Botschafter bei den internationalen Organisationen in Wien, Michail Uljanow, äußerte sich ähnlich. Eine Verlängerung werde beiden Seiten "mehr Zeit geben, um mögliche zusätzliche Maßnahmen für eine Festigung der strategischen Stabilität und globalen Sicherheit in Betracht zu ziehen", schrieb er auf Twitter.

Die USA und Russland hatten in den letzten Monaten der Trump-Regierung teil auf sehr hoher Ebene über eine Verlängerung des Abkommens verhandelt, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Washington hatte dabei die Einbeziehung etwa der taktischen Atomwaffen gefordert, die von dem Vertrag nicht umfasst sind, und zuvor eine Teilnahme Chinas zur Bedingung gemacht. Dabei wurden erstmals nach Jahren auch wieder grundsätzliche Fragen und die Nukleardoktrin beider Staaten angesprochen.

Vertrag von 122 Staaten für Atomwaffenverbot tritt in Kraft

Am Freitag trat indes auch der Vertrag der Vereinten Nationen über das Verbot von Atomwaffen in Kraft. Die USA wie auch Russland lehnen ihn ebenso ab wie die anderen offiziellen Atommächte China, Frankreich und Großbritannien sowie die inoffiziellen Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Auch Deutschland und die anderen Nato-Staaten, die im Zuge der erweiterten Abschreckung unter dem nuklearen Schutzschirm der USA stehen, wollen sich nicht beteiligen.

Der Verbotsvertrag war von 122 UN-Mitgliedstaaten verabschiedet worden und erhielt 90 Tage nach der Ratifizierung durch den 50. Vertragsstaat seine Gültigkeit. Er verbietet den Einsatz von Atomwaffen ebenso wie dessen Androhung, die Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe, Lagerung und Stationierung. Manche dieser Punkte würden auch auf Nato-Staaten wie Deutschland zutreffen, in denen die USA noch taktische Atomwaffen stationiert haben.

UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete das Abkommen als Höhepunkt einer weltweiten Bewegung und als einen wichtigen Schritt hin zu einer Welt frei von nuklearen Kriegsgeräten. Das Abkommen war von dem Friedensnetzwerk Ican initiiert worden. Es ist eine Reaktion darauf, dass die offiziellen Atommächte nach Ansicht vieler Staaten ihre Abrüstungsverpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht erfüllen, und soll politisch Druck auf sie ausüben.

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