Vor knapp einem Monat bereits wandten sich neun Abgeordnete der Union in einem Brief an die Kanzlerin. Zur Einleitung heißt es darin, Gabriel habe "ohne Abstimmung eine Kehrtwende in der deutschen Exportpolitik eingeschlagen". Seine "Verhinderungspolitik" ziehe "weitreichende Verwerfungen" nach sich und führe "zu nachhaltigen Störungen der außenpolitischen Beziehungen". Sollte sich nichts ändern, drohe "die Verlagerung der Produktion in das Ausland" - und ein "nachhaltiger Verlust deutscher Kernkompetenzen".
Der CSU-Sicherheitspolitiker Florian Hahn legt nun nach: "Wenn Gabriel seine restriktive und populistische Exportpolitik fortsetzt, wird er zum Totengräber der wehrtechnischen Industrie Deutschlands", sagt er. Sein Parteifreund Johannes Singhammer, Vizepräsident des Bundestages, drückt es von Amts wegen diplomatischer aus: "Wir müssen Sorge dafür tragen, in Verteidigungstechnologien nicht zusätzlich abhängig zu werden." Beide haben den Brief an Merkel unterzeichnet.
Was die Kanzlerin sagt
Und was denkt die Kanzlerin selbst? Ende vergangener Woche wurde sie das bei ihrer traditionellen Pressekonferenz kurz vor dem Urlaub gefragt. "Wie jetzt jeweils die Rüstungsexportrichtlinien ausgelegt werden im spezifischen Falle, darüber diskutieren wir im Bundessicherheitsrat", sagte sie. "Da gibt es unterschiedliche Bewertungen, das ist im Übrigen auch nicht neu in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland." Wie unterschiedlich die Bewertungen sein dürften, lässt sich schon daran ablesen, dass Merkel vor einiger Zeit die Linie ausgegeben hat, kleinere Staaten, etwa in Afrika, zur Stabilisierung lieber mit Waffen auszurüsten, statt sich direkt einzumischen. Allerdings wurde damals stets bestritten, dass es dabei auch um den Mittleren und Nahen Osten gehe.
Die Rüstungsindustrie steht seit Jahren vor dem gleichen Problem: In Europa sind die Verteidigungsetats gesunken, deshalb ist sie um neue Absatzmärkte bemüht - die sich vor allem in Drittstaaten finden. Gabriel sieht die Sache anders: Angesichts der Großlage seit dem Kalten Krieg müsste es eigentlich eine europäische Verteidigungsindustrie geben statt etwa deutsche und französische Produkte, die sich gegenseitig Konkurrenz machten.
Wie es weitergeht
Doch wie restriktiv geht er nun eigentlich vor? Das lässt sich nur schwierig beurteilen. Die ganz heiklen Anfragen landen im geheim tagenden Bundessicherheitsrat. Seit Neuestem wird der Bundestag zwar darüber informiert, was dort genehmigt wurde - allerdings nicht darüber, was das Gremium, dem nur ein Teil der Bundesregierung angehört, abgelehnt hat. Darüber dürfen die Mitglieder nicht sprechen. Unwidersprochen blieb ein Spiegel-Bericht von Ende Mai, wonach der Sicherheitsrat in einer Sitzung zwei Drittel der Exportanträge abgelehnt habe. Eines der wichtigsten Projekte habe Gabriel gar nicht erst zur Beratung in dem Gremium zugelassen, sondern bereits vorher herausgefischt.
Wie das weitergeht? Vizekanzler Gabriel, so ist aus seinem Umfeld zu hören, will beim Thema Drittstaaten restriktiv bleiben. Und die Briefeschreiber aus der Union haben um einen "Gesprächstermin" bei Angela Merkel gebeten. Der Konflikt dürfte die Sommerpause überstehen.