Es ist ärgerlich, wie wenig professionell die schwarz-gelbe Koalition dieses Land regiert. Und es ist erstaunlich, welche Fehler von der erfahrenen, pragmatischen Kanzlerin Angela Merkel gemacht werden. Merkel war in der großen Koalition eine nicht immer entschlussfreudige, aber doch führungsbewusste Moderatorin, der Union und SPD Respekt zollten. Heute scheint es, als lasse sie viele Dinge treiben und beobachte aus dem Seitenaus, was ihre Mannschaft auf dem Spielfeld vergurkt. Ein Paradebeispiel dafür ist das Verhalten der Regierung im Falle des Exports von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien.
Der Bundessicherheitsrat, ein geheim tagender Kabinettsausschuss unter Vorsitz der Kanzlerin, hat offenbar den Verkauf von 200 Leopard-Panzern an Riad genehmigt. Zwar erhielten die Saudis auch früher schon Rüstungsgerät aus Deutschland, durchaus auch während der Regierungszeit von SPD und Grünen. Letzteres, dies am Rande, sollte etliche Sozialdemokraten und Grüne davon abhalten, im Falle des Panzergeschäfts die Klappe allzu weit aufzureißen. Auch unter Rot-Grün zählte Deutschland zu den großen Rüstungsexporteuren.
Andererseits hat Deutschland nie an ein Land wie Saudi-Arabien ein Waffensystem geliefert, das so trefflich zu Offensive wie Defensive taugt, das zur Niederschlagung von Aufständen benutzt und zur Angstverbreitung unter Demonstranten verwendet werden kann. Nicht von ungefähr sind Panzer sehr symbolträchtige Waffensysteme, auch und gerade was ihren Export angeht. Wegen des anvisierten Verkaufs von Leoparden an den Nato-Partner Türkei wäre es vor Jahren fast zum Bruch der rot-grünen Koalition gekommen. Leoparden für die Niederlande, Kanada oder Spanien sind hinnehmbar; diese Länder sind Bündnispartner mit einem ähnlichen Politik- und Werteverständnis. Im Falle von Pakistan oder eben Saudi-Arabien ist das anders.
Die Bundesrepublik hat sich aus historischen, politischen und moralischen Gründen für eine relativ restriktive Exportpraxis entschieden. Zwar gab es immer wieder Problemfälle, auch wegen des Umfangs der Verkäufe - Deutschland ist der drittgrößte Rüstungsexporteur der Erde - sowie der politisch-kommerziellen Interessen. Das Denken übrigens, ein souveränes Land müsse eine eigene Rüstungsindustrie haben - die deutsche Armee braucht deutsche Panzer, gebaut von deutschen Arbeitern - erinnert in seiner Einfachheit im Zeitalter der globalisierten Produktion an den Schimpansen von Trigema. Die Multinationalisierung der europäischen Rüstungsproduktion ist ein Gebot der Vernunft, auch der ökonomischen. Wer aber, wie Schwarz-Gelb, Krauss-Maffei Wegmann an den Tropf einer autoritären Clan-Monarchie hängt, schadet europäischen Interessen und perpetuiert eine überholte Politik.
"Leoparden" und Geopolitik
Die ökonomische Begründung für den Panzer-Deal ist altbacken und falsch. Die politische Begründung ist so fadenscheinig, dass sich die Kanzlerin nicht einmal traut, sie öffentlich zu vertreten. Es gehe darum, so sagen Merkels anonyme Kanonenspanner, Saudi-Arabiens "geopolitische Rolle" gegenüber Iran, aber auch im Nahost-Prozess zu "stabilisieren". Die Weltpolitik lehrt, dass autoritäre Systeme, die der Westen oder der Osten mit Rüstungsgütern "stabilisieren" wollte, dem Untergang oft näher waren als ihrem Fortbestand. Gewehrläufe oder neue Panzerkanonen trugen selten zur Nachhaltigkeit solcher Systeme bei. Die Amerikaner zum Beispiel haben versucht, Iran unter dem Schah mit Rüstungslieferungen zu stabilisieren. Als Iran doch an die Khomeinisten fiel, "stabilisierten" West und Ost Saddams Irak gegen Iran mit Rüstungslieferungen. Dergestalt "stabilisiert", führten beide Krieg gegeneinander. Wenn Saudi-Arabiens "Stabilisierung", auch mit Leoparden, gegenüber dem Iran ähnliche Folgen zeitigt, dann gnade uns Gott.
Auch das zweite geopolitische Argument für die Panzerlieferung lässt sich zerpflücken. Gewiss, Saudi-Arabien hat bisher eine eher mäßigende Rolle im Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis gespielt. Vielleicht wird es auch die Palästinenser von einer einseitigen Staatsausrufung im Herbst abbringen. Das aber hängt nicht von der Lieferung deutscher Panzer ab, sondern vielmehr davon, dass es im ureigenen Interesse Riads liegt, dem Einhalt zu gebieten, was die Saudis als die "Radikalisierung der arabischen Straße" fürchten. In Bahrain haben sie das mit ihren bereits vorhandenen Panzern getan; in Palästina werden sie es mit guten Worten versuchen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen mit Leopard 2 A7 bewaffneten saudischen Panzerbrigaden und einer saudischen Vermittlerrolle in Palästina.
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Und schließlich: Es mag sein, dass der Leopard-Export im Moment Israel nicht direkt bedrohen würde. Diese Situation des Augenblicks aber nun als ein Argument für die Panzer-Lieferung in zwei oder drei Jahren zu betrachten, ist kurzsichtig. Es sei daran erinnert, dass die Saudis seit Jahrzehnten zwischen Hohem Atlas und Hindukusch alle möglichen Gruppierungen mit Geld und (Rüstungs-)Gut unterstützt haben. So gut wie alle diese Günstlinge sind Feinde Israels und scheren sich wenig um die strategischen Interessen Riads oder deren Widerspiegelung im Westen. Außerdem: Die al-Sauds, also der weitverzweigte regierende Clan, sind selbst in einem vormodernen, wahhabitischen Fundamentalismus erstarrt, dem sie eine wirtschaftsliberale Glitzerfassade aufgeklebt haben. Dieses System wird von jenen, die den Geist des Tahrir-Platzes in sich tragen, ähnlich verachtet wie von den gänzlich anders gepolten Hamas-Fundamentalisten.
Es gibt zu viele gute Argumente gegen diese Panzerlieferung, moralische, politische und geopolitische. Die Bundesregierung unter Angela Merkel aber weigert sich, in die Debatte überhaupt einzutreten, weil sie sich hinter dem Geheimhaltungsgebot des Bundessicherheitsrates verkriecht. Kaum jemand verlangt, den Gang der Beratungen in diesem Gremium offenzulegen. Unabhängig von dem aber, was in der konkreten Sitzung gesprochen worden ist, gehört die politische Begründung einer solchen Exportentscheidung zur Pflicht der Regierung. Zum ersten Mal würde ein solches Waffensystem an ein solches Land in diesem Umfang geliefert. Dies wäre ein Bruch mit der bisherigen Exportpolitik. Wer eine so schwerwiegende Entscheidung an Parlament und Wählern de facto vorbeischludern will, der verstößt gegen das Offenheitsgebot in der Demokratie.
Außerdem legt das Verhalten Merkels und der Ihren in dieser Frage nahe, dass sie nichts verstanden haben von dem, was in den vergangenen Monaten in Deutschland passiert ist. Auch weil eine Landesregierung selbstherrlich redete und handelte, gibt es heute in Stuttgart eine grün-rote Koalition. Die Menschen wollen wissen, warum die Politik Entscheidungen trifft. Merkel schwebt in der Gefahr, von der einstigen Teflon-Kanzlerin zur Tepco-Kanzlerin zu werden: gravierende Fehler machen, aber dann nichts sagen und nichts begründen.