Rüstungsexporte:Waffen in alle Welt

Volksabstimmung zum Waffenrecht

Pistolen des Waffenherstellers Sig Sauer – ähnlich wie diese – sind nach Kolumbien gelangt.

(Foto: Martin Ruetschi/dpa)

Im ersten Halbjahr wurden Ausfuhren für vier Milliarden Euro genehmigt. Die Opposition kritisiert vor allem Exporte nach Saudi-Arabien. Das sind aber nicht die einzigen Lieferungen in den arabischen Raum.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Früher kam er einmal im Jahr, unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt es ihn nun zweimal jährlich: den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung. An diesem Mittwoch geht es im Kabinett um den Exportbericht zur ersten Jahreshälfte 2016. Und wieder einmal muss sich Gabriel scharfe Kritik der Opposition anhören: "Diese Bundesregierung schreibt ihre verheerende Bilanz der Verantwortungslosigkeit fort und genehmigt enthemmt Waffen in alle Welt", sagt die Grünen-Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken erklärt: "Diese dramatischen Zahlen zeigen, dass das ganze System der Exportkontrolle überhaupt nicht funktioniert."

Wie haben sich die Exporte entwickelt?

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres erteilte die Regierung Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von 4,03 Milliarden Euro - was mehr als eine halbe Milliarde über dem Wert des ersten Halbjahrs 2015 liegt. Im gesamten Jahr 2015 hatte die Bundesregierung Einzelgenehmigungen im Wert von 7,86 Milliarden Euro erteilt, womit das Gesamtvolumen so hoch war wie seit vielen Jahren nicht. Wegen dieses starken Anstiegs hatte Gabriel bereits Anfang Juli in der Kritik gestanden, als der entsprechende Bericht veröffentlicht wurde. Kurz darauf wurden dann jene Zahlen für das erste Halbjahr 2016 bekannt, die nun noch einmal offiziell im neuen Exportbericht festgehalten sind. Von den 4,03 Milliarden Euro entfielen 2,32 Milliarden Euro auf Genehmigungen für sogenannte Drittländer, also Lieferungen in Staaten, die weder Mitglied in EU oder Nato noch, wie Australien, der Nato gleichgestellt sind. Im ersten Halbjahr 2015 hatte der Gesamtwert der Einzelgenehmigungen für Drittländer bei 1,67 Milliarden Euro gelegen.

Wie kommt der Anstieg zustande?

Um bei den Drittländern zu bleiben: Ein erheblicher Teil des Wertes kommt durch die Lieferung einer Fregatte an Algerien zustande. Das Wirtschaftsministerium verweist hier darauf, dass deren Herstellung bereits 2012 genehmigt wurde, also von der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Algerien steht dadurch nun auf Platz eins der Liste mit den wichtigsten Bestimmungsländern. Auch die Genehmigungen für Saudi-Arabien, das auf Platz drei dieser Liste steht, sind im ersten Halbjahr 2016 deutlich gestiegen - von gut 178 Millionen im ersten Halbjahr 2015 auf mehr als 483 Millionen Euro. Hier wurden laut Exportbericht unter anderem Hubschrauber und Teile für Kampfflugzeuge genehmigt. Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass es sich um "Mehrzweckhubschrauber mit militärischen Ausstattungsmerkmalen" handele, die "in europäischer Industriekooperation hergestellt" würden. Das Ministerium bemüht sich also, die eigene Verantwortung zumindest zu relativieren.

Welche Exporte sind besonders heikel?

Da hat die Opposition eine eindeutige Antwort: "Statt Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien endlich zu stoppen, schraubt die Bundesregierung die Lieferungen an das Krieg führende und menschenverachtende Regime Saudi-Arabiens ohne jedes Verantwortungsgefühl wieder hoch", so drückt es die Grünen-Politikerin Brugger aus. Der Linken-Parlamentarier van Aken kritisiert: "Saudi-Arabien führt gerade einen brutalen Krieg in Jemen - trotzdem haben sich die Waffenexporte aus Deutschland an die Saudis offenbar verdreifacht." Tatsächlich richten Kampfflugzeuge aus Saudi-Arabien mit ihren Bombardements in Jemen verheerende Schäden an. Und es gibt noch mehr Lieferungen in den arabischen Raum. So wurden Ausfuhren in Höhe von mehr als 84 Millionen Euro in die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt, darunter Teile für Korvetten, Minenjagdboote und Kampfschiffe.

Wie sieht es mit Kleinwaffen aus?

Hier hatte sich Gabriel vorgenommen, besonders strenge Maßstäbe anzulegen, denn: "In internen und regional grenzüberschreitenden Konflikten werden die meisten Todesfälle durch den Einsatz von Kleinen und Leichten Waffen verursacht", heißt es im Exportbericht. Die Lieferung solcher Waffen in Drittländer will Gabriel daher "besonders restriktiv" handhaben. Der Gesamtwert der Genehmigungen für Kleinwaffen sank von 12,4 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2015 auf 11,6 Millionen Euro. Auf Drittländer entfielen hier nur 3,4 Millionen Euro, darunter laut Exportbericht "insbesondere Genehmigungen für den Irak zur Ausstattungshilfe der kurdischen Regionalregierung". Zum Vergleich: Der Gesamtwert der Kleinwaffen-Genehmigungen hatte 2014 bei mehr als 47 Millionen gelegen, während es 2013 noch mehr als 82 Millionen Euro gewesen waren.

Was ist mit der Munition?

Der Wert für Kleinwaffen-Munition hat sich verzehnfacht, von knapp 27 Millionen im ersten Halbjahr 2015 auf 283,8 Millionen Euro. Der mit 275 Millionen Euro größte Teil dieser Summe allerdings entfällt auf EU- oder Nato-Staaten oder gleichgestellte Länder. Auf Drittländer entfielen lediglich 8,8 Millionen Euro. In dieser Summe wiederum sind Genehmigungen im Wert von 5,4 Millionen für den Irak enthalten. Die Vereinigten Arabischen Emirate bekommen Munition und Munitionsteile im Wert von mehr als zwei Millionen Euro.

Wer bekommt am meisten?

Auf Platz zwei der Liste mit den wichtigsten Bestimmungsländern stehen, gleich hinter Algerien, die USA, gefolgt von Saudi-Arabien. Dahinter finden sich Südkorea, die Schweiz, die Niederlande und die Vereinigten Arabischen Emirate. Es folgt auf Platz acht die Türkei, die damit weit nach oben geklettert ist. In die Türkei durften unter anderem Teile für Flugzeuge sowie Drohnen und Triebwerke geliefert werden, außerdem Kommunikationsausrüstung.

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