Rüstungsausgaben:Kalter Krieg am Rande Europas

Griechenland und die Türkei rüsten gegenseitig hoch, und Deutschland unterstützt sie auch noch dabei.

Christiane Schlötzer

Kein Land in der Europäischen Union ist so großzügig beim Einkauf von Rüstungsgütern wie Griechenland. Und kein Staat der EU kann sich das so wenig leisten wie das hochverschuldete Hellas. Gut vier Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts gehen für Militärausgaben drauf, andere EU-Staaten begnügen sich mit einem bis eineinhalb Prozent. Der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou hat auf dieses Ungleichgewicht erst vor wenigen Tagen hingewiesen. Dieses Missverhältnis ist nicht neu, es hat Athen zuletzt aber auch nicht davon abgehalten, noch mehr Panzerfahrzeuge und Unterseeboote zu ordern.

Darüber können sich besonders deutsche und französische Firmen freuen, wie der jüngste Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri zeigt. Griechenland bezieht 31 Prozent seiner Rüstungsgüter von deutschen Unternehmen. Die würden auch gern noch mehr liefern, Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter zum Beispiel, für die das klamme Griechenland schon vor einer Weile Interesse bekundet hat. Ein noch besserer Kunde als Griechenland ist nur die Türkei, die laut Sipri-Statistik der wichtigste Abnehmer deutscher Wehrtechnik ist.

Kann man Nato-Mitgliedern Rüstungsexporte verbieten?

Nun heißt es, das sei alles kein Problem, schließlich gehören Griechenland und die Türkei der Nato an, und Rüstungsexporte in Nato-Staaten könne man anderen Nato-Mitgliedern kaum verbieten. Das stimmt. Aber Griechenland und die Türkei sind ein Spezialfall. Die zwei Ägäis-Anrainer rüsten seit Jahren gegeneinander auf. Kampfflugzeuge beider Nationen liefern sich regelmäßig Schaukämpfe, dabei gibt es immer wieder Tote. Der kalte Krieg in der Ägäis hat schon viele Pilotenleben gekostet. Nato und EU schauen diesem hochriskanten Spiel schon viel zu lange zu. Falls es doch Kritik an Athen und Ankara gibt, dann wird sie nicht öffentlich bekannt.

Auch die Türkei kann sich ihre extrem hohen Militärausgaben eigentlich nicht leisten, kauft aber ebenfalls kräftig ein. Die Generalität verzichtet ungern auf die Demonstration von Stärke. Da treffen sich jenseits und diesseits der Ägäis durchaus manche Interessen. Freilich glaubt kaum jemand, dass die beiden Nachbarn, die wirtschaftlich immer enger zusammenwachsen, im 21. Jahrhundert ernsthaft gegeneinander Krieg führen könnten. Die Hochrüstung am Rand Europas ist ein Anachronismus.

Die Europäische Union sollte daher darauf dringen, dass Ankara und Athen ihre Streitigkeiten über Hoheitsgewässer und Flugverbotszonen auf zivilisierte Weise austragen - vor dem Internationalen Gerichtshof. Papandreou selbst hätte nun eine gute Gelegenheit, sein Land an den Abrüstungsgedanken zu gewöhnen. Und wenn die Regierungen in Berlin und Paris den Griechen helfen wollen, dann sollten sie ihnen weitere Rüstungskäufe ausreden. Das könnte in Deutschland Arbeitsplätze kosten. Aber es wäre ehrlicher, als die unbezahlten Rechnungen der Griechen später mit Steuergeldern zu begleichen.

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