Süddeutsche Zeitung

Koalition:Industrie fordert Lockerung des Rüstungsembargos gegen Saudi-Arabien

  • Die deutsche Rüstungsindustrie fordert eine Lockerung des Ausfuhrverbots nach Saudi-Arabien.
  • Eine Verlängerung hätte "sehr einschneidende Konsequenzen".
  • In Berlin suchen die Koalitionsparteien weiter nach einer Lösung.

Von Mike Szymanski, Berlin

Im Streit um das Ausfuhrverbot für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien erhöht nun auch die Industrie den Druck auf die Koalition. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, dringt auf Lockerungen: "Das vollumfängliche Exportverbot beschädigt das Vertrauen unserer europäischen Partner in die Zuverlässigkeit der deutschen Industrie und vermindert so die Kooperationschancen der Industrie in Europa", sagte er der Süddeutschen Zeitung. In Summe sei die deutsche Rüstungsexportpolitik so "restriktiv wie nie zuvor".

SPD, CDU und CSU suchen fieberhaft nach einer Lösung für den weiteren Umgang mit Exporten nach Saudi-Arabien. Am Sonntag läuft das Ausfuhrverbot aus, wenn die Koalitionspartner sich in dieser Frage nicht doch noch verständigen. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte sich für eine sechsmonatige Verlängerung ausgesprochen. Die Union will Rüstungsgeschäfte zum Teil wieder ermöglichen. Sie sorgt sich um die künftige Zusammenarbeit mit Partnern wie Frankreich und Großbritannien bei europäischen Rüstungsprojekten. Vom Exportverbot sind derzeit auch Gemeinschaftsprodukte betroffen. London fürchtet etwa um eine Bestellung von 48 Eurofighter-Kampfflugzeugen aus Saudi-Arabien. Auch Frankreich will weiter Geschäfte mit Saudi-Arabien machen, obwohl das Land maßgeblich am Jemen-Krieg beteiligt ist. Saudi-Arabien führt eine Militärallianz an, die in Jemen gegen die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft. Dennoch protestieren die Regierungen in London und Paris gegen die Blockadehaltung in Deutschland.

Koalition versucht erst einmal, Zeit zu gewinnen

Die Bundesregierung hatte im November die Tötung des regierungskritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zum Anlass genommen, alle Rüstungsgeschäfte mit dem Land zu unterbinden. Die Rüstungswirtschaft fürchtet einerseits Schadenersatzforderungen und andererseits, aus dem Markt gedrängt zu werden. "Diese Industrie hat ein Anrecht darauf, in planbaren Verhältnissen zu leben, denn wir haben den Anspruch, ein verlässlicher europäischer Partner zu sein und uns dem Wettbewerb stellen zu können", sagte Verbandschef Atzpodien. Er warnte vor einer Fortsetzung des Ausfuhrverbots um weitere sechs Monate. Dies würde für einige Unternehmen "sehr einschneidende" Konsequenzen haben.

Am Donnerstag war zunächst noch unklar, ob und wie die Koalitionspartner ihren Streit beilegen. Aus Koalitionskreisen war zu hören, dass womöglich erst einmal Zeit gewonnen werden müsse, die Probleme gestalteten sich vielschichtig. In Wolgast etwa liegen Patrouillenboote für Saudi-Arabien zur Auslieferung bereit. Aus der SPD kommt die Forderung, deutsche Abnehmer für die Boote zu finden, etwa Marine oder Bundespolizei. "Wenn die Bundesregierung den Exportstopp nach Saudi-Arabien weiter verlängert, muss sie jetzt auch eine Alternative für Wolgast entscheiden", hatte Manuela Schwesig, Parteivize und Regierungschefin in Mecklenburg-Vorpommern unlängst klargemacht.

Ralf Stegner, ebenfalls Parteivize, erklärte am Donnerstag, dass er jegliche Erwägungen ablehne, europäischen Rüstungspartnern zumindest teilweise entgegenzukommen. "Wenn Sie sagen: Keine Waffenexporte in Krisengebiete und Diktaturen, dann heißt das keine. Und nicht: ein bisschen", sagte Stegner im ZDF.

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SZ vom 29.03.2019/kit
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