Rüstung:Nachbessern, ergänzen, nachbessern

Die Probleme von Verteidigungsministerin von der Leyen beim Transportflugzeug und beim Sturmgewehr zeigen: Kaum etwas in der Politik ist so kompliziert, wie eine Truppe mit zuverlässigem Material zu bewaffnen.

Von Christoph Hickmann

Zwei Nachrichten aus dem weiten Feld des Rüstungswesens wären zu Beginn der Woche beinahe untergegangen - oder fanden jedenfalls nicht die Beachtung, die sie eigentlich verdient gehabt hätten. Dabei lassen sich an ihnen exemplarisch die wichtigsten Probleme verdeutlichen, mit denen die Rüstungspolitik zu kämpfen hat. Und zwar auch unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Zunächst verkündete ihr Ministerium, dass Deutschland künftig gemeinsam mit Frankreich eine Staffel von Transportflugzeugen des Typs Hercules C-130J betreiben will. Dann teilte das Ressort mit, dass es sich im Rechtsstreit mit der Waffenschmiede Heckler & Koch geschlagen gibt, also ein Gerichtsurteil nicht anfechten wird, wonach das umstrittene Sturmgewehr G 36 den vertraglichen Anforderungen entspricht. Auf den ersten Blick haben beide Meldungen nichts miteinander zu tun. Tatsächlich hängen sie zusammen.

Zunächst zu den Transportflugzeugen. Die neuen Maschinen aus US-amerikanischer Produktion sollen eine Ergänzung zum Problemflieger A400M sein: kleiner, wendiger und im Gegensatz zu dem pannenanfälligen Großraumtransporter aus europäischer Gemeinschaftsproduktion in der Lage, auch auf Flugplätzen mit nicht perfekt ausgebauter Infrastruktur zu landen. So weit, so nachvollziehbar. Nur: Die öffentliche Geduld in Sachen A400M hielt ja auch deshalb so lang, weil man sich bis in Fachkreise hinein der Illusion hingab, man müsse zwar Pannen, Anfälligkeiten und Verzögerungen in Kauf nehmen, bekomme dafür aber ein Flugzeug, das (fast) alles könne, was ein Militärtransporter können muss. Doch auf Buckelpisten landen kann er schon mal nicht so gut - im Gegensatz zur altersschwachen Transall. Um die zu ersetzen, braucht es nun also zwei Modelle, den A400M und die Hercules. Es ist ein Beispiel dafür, wie im Rüstungswesen immer wieder von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird, wie sich auch Fachpolitiker stets aufs Neue einreden lassen, es gebe die eine Goldrandlösung, mit der alles gut werde - um am Ende doch nachbessern und ergänzen zu müssen. Dafür kann von der Leyen nichts, der A400M ist eine Altlast, die sie übernommen hat. Anders sieht es beim G 36 aus.

Auch dabei handelt es sich rein formal um eine Altlast, das Gewehr stand bereits in der Diskussion, bevor von der Leyen ihr Amt antrat. Hier allerdings hat die Ministerin die ganze Angelegenheit durch übereiltes Handeln erst so richtig zur Eskalation gebracht. Weil sie ein für allemal Ruhe haben wollte, kündigte sie kurzerhand die Ausmusterung des Gewehrs an - ohne jedoch für die nächsten Jahre Ersatz bieten zu können. Als Ergebnis laufen die Soldaten nun mit einer Waffe durch die Gegend, die ihre Chefin für untauglich erklärt hat.

Obendrein sollte Heckler & Koch auch noch Schadenersatz wegen des vermeintlichen Pannen-Gewehrs zahlen - zu Unrecht, wie dann kürzlich das Landgericht Koblenz entschied: Die Firma habe genau das geliefert, was in den Neunzigerjahren vereinbart worden sei. Dass von der Leyens Ministerium unter Verweis auf das "Prozessrisiko" nun doch nicht gegen dieses Urteil vorgeht, dürfte vor allem an kommunikationstaktischen Erwägungen liegen: Im Jahr vor der Bundestagswahl wollte man höchstwahrscheinlich nicht mit jeder neuen Instanz die leidige Sache mit dem Gewehr wieder in Erinnerung rufen.

Von der Leyen hat sich vorgenommen, das Rüstungswesen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Beispiel A400M wirft ein Schlaglicht auf die strukturellen Grenzen, die diesem Vorhaben gesetzt sind. Das Beispiel G 36 steht dafür, dass es mit Aktionismus allein auch nicht getan ist. Und beide Fälle zeigen: Die Herausforderung ist derart komplex, dass die Ministerin sich ihr mehr als nur vier Jahre lang widmen sollte.

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