Rüstung:Koalition streitet über Militärstrategie

Die CDU kann sich ein "konventionelles Abfangsystem" als Schutz vor russischen Raketen vorstellen. Die SPD nicht.

Von Daniel Brössler, Berlin

Der deutschen Regierungskoalition droht die nächste Bruchlinie. Vor Beginn der Sicherheitskonferenz in München an diesem Freitag wurden deutliche Meinungsunterschiede zwischen CDU/CSU und SPD in der Frage deutlich, welche Konsequenzen sich aus dem absehbaren Ende des INF-Abrüstungsvertrages ergeben. Nötig sei ein "breiter Mix von Maßnahmen", sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zum Ende eines Treffens mit ihren Nato-Kollegen am Donnerstag in Brüssel. Zu einer offenen Diskussion gehöre, "weder auszuschließen noch zu hierarchisieren noch einzuschließen". Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte sich zuvor gegen eine Nachrüstung gewandt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte, das Bündnis habe "nicht die Absicht, neue landgestützte Atomraketen in Europa zu stationieren". Wohl aber bezeichnete er die Stationierung neuer konventioneller Waffen in Europa als "eine von vielen Optionen". Genau diese Möglichkeit rückt nun in Berlin in den Fokus der Auseinandersetzungen.

Eine konventionelle Nachrüstung könne sich als sinnvoll erweisen, sagte der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann David Wadephul. Diese müsse dann auch von Deutschland mitgetragen werden. "Es darf keinen deutschen Sonderweg geben", forderte er. Vorstellen könne er sich ein "konventionelles Abfangsystem", das Schutz vor nuklear bestückten russischen Mittelstreckenraketen biete. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verwahrte sich gegen solche Überlegungen. "Da gibt es einen tief greifenden Dissens. Auch eine konventionelle Nachrüstung birgt ein hohes Eskalationsrisiko und könnte einen Rüstungswettlauf provozieren", sagte er.

Nicht ausgestanden ist auch der Streit über die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Deutschland steht hier unter massivem Druck vor allem der USA, aber auch der anderen Verbündeten. Alle Alliierten hatten sich 2014 verpflichtet, sich beim Wehretat "innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zuzubewegen". Erreichen will die Bundesregierung bis 2024 allerdings nur einen Wert von 1,5 Prozent. "Das muss mehr sein", forderte der amtierende amerikanische Verteidigungsminister Patrick Shanahan in Brüssel.

"Wir bleiben als Regierung dem Nato-Ziel verpflichtet. Wir müssen es bleiben. Alle anderen befreundeten Nato-Staaten streben es ja auch an oder haben es schon erreicht", betonte Verteidigungsministerin von der Leyen im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Deutschland müsse ambitionierter sein und die 1,5 Prozent-Marke schon Ende 2021 erreichen, forderte Unionsfraktionsvize Wadephul. Derzeit sind es 1,34 Prozent. Die Bundeswehr müsse im Bündnis "zur stärksten und schlagkräftigsten Streitmacht Europas" werden. "Um Gottes Willen. Das hat überhaupt nichts mit unserer derzeitigen Diskussionslage zu tun", kritisierte das der SPD-Außenpolitiker Mützenich. Der tatsächliche Bedarf der Bundeswehr müsse "in Ruhe" angeschaut werden.

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