Rüstungsindustrie :Mehr Planwirtschaft wagen

Lesezeit: 2 Min.

Panzer vom Typ „Marder“ stehen auf einem Zug für die Verladung Richtung Litauen, wo derzeit ein Nato-Manöver stattfindet. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Um die Produktion von Waffen und Kriegsgerät in Zeiten einer Bedrohung durch Russland auszuweiten, will die Regierung mehr Staatseinstiege in Rüstungsunternehmen ermöglichen. Doch alles ist und bleibt eine Frage des Geldes.

Von Georg Ismar, Berlin

An Problembewusstsein mangelt es nicht. Seit dem Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine ist die Frage, wie schneller und mehr Rüstungsgüter produziert werden können, ein Dauerthema in der Bundesregierung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat mehrere Rüstungsgipfel einberufen, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Kanzler Olaf Scholz (SPD) setzten gemeinsam im Februar den Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall im niedersächsischen Unterlüß.

Nun liegt der Entwurf für eine neue nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie (SVI) vor, mit der die vom Kanzler ausgerufene Zeitenwende materiell abgesichert werden soll. Ein Hauptproblem ist bisher, dass die Produktion von Rüstungsgütern langwierig ist – und eine Produktion im großen Stil, der Aufbau neuer Fertigungslinien nur erfolgt, wenn es auch langfristige Abnahmegarantien gibt.

Bisher galt eine Beteiligung des Staates als Ausnahme

Wichtige Details sind noch mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) abzustimmen – es ist natürlich auch wieder eine Frage des Geldes und der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. „Die Umsetzung der Strategie erfolgt im Rahmen der Haushalts- und Finanzplanung der Bundesregierung“, heißt es in dem Entwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Im September soll das Kabinett darüber entscheiden. Ein Kernpunkt ist, dass der Staat „sich ausnahmsweise in besonderen strategischen Fällen“ an Rüstungsunternehmen beteiligen kann. Bereits seit 2020 ist der Bund mit 25,1 Prozent am Rüstungsunternehmen Hensoldt beteiligt, das für die Luftverteidigung Hochleistungsradare herstellt. Bisher galt das aber als Ausnahme, doch seit Monaten prüft der Bund auch einen Einstieg beim U-Boot-Hersteller Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Weitere könnten dann folgen.

Geplant ist daneben ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Eine staatliche Förderung des „wehrtechnischen Mittelstands“, der Abbau „von planungs- und genehmigungsrechtlichen sowie bürokratischen Auflagen beim Auf- und Ausbau von Produktions-, Lager- und Unterstützungskapazitäten“ und eine Prüfung von Novellierungen im Kriegswaffenrecht, um international „etwaige Wettbewerbsnachteile“ auszugleichen.

Geprüft werden soll, ob die KfW-Förderbank Rüstungsfirmen stärker unterstützen kann

Aber entscheidend werden eben auch die finanziellen Rahmenbedingungen sein: Instrumente der Wirtschaftsförderung könnten auch für Rüstungsunternehmen geöffnet und mehr Exportkreditgarantien zur Unterstützung von Rüstungsexporten ermöglicht werden. Noch von Finanzminister Lindner gebilligt werden muss, ob etwa auch die staatliche KfW-Förderbank verstärkt die Rüstungsbranche finanziell unterstützen soll. Bis hin zur Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit bei der Gewinnung von Fachkräften und zu staatlicher Hilfe bei der Beschaffung von kritischen Rohstoffen reichen die Pläne.

André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, sieht einen hier „überfälligen Schritt hin zur Verteidigungsfähigkeit und Wehrhaftigkeit unseres Landes“. Aber ehrlich gesagt hätte er sich diesen Ansatz bereits viel früher gewünscht. „Die Ukraine, die Bundeswehr und die Nato würden besser dastehen als heute, hätten wir uns eher auf den Weg gemacht, aber jetzt sollten wir nach vorne blicken“, sagte er. Allerdings brauche es nicht nur bessere Rahmenbedingungen wie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, sondern letztlich eben auch mehr Geld.

„Denn ohne Geld keine Planungssicherheit für Großunternehmen sowie Mittelstand und ohne Planungssicherheit kein Kapazitätsaufbau“, betont Wüstner. Das heiße im Klartext, ein noch so gutes Papier fürs Schaufenster werde nicht ausreichen, „es muss tatsächlich auch erkennbar etwas in den Laden kommen“. Es sei daher sinnvoll, besser als bisher Staatseinstiege bei Rüstungsfirmen zu ermöglichen, insbesondere wenn es sich um relevante Schlüsseltechnologien handele.

Das sei bei den Bündnispartnern nicht anders. Schon 2022 habe es deutsche Firmen gegeben, welche einen Teil ihres Risikos, etwa für den Bau neuer Anlagen für die Munitionsherstellung, abgefedert haben wollten. Übergreifend gehe es dabei auch darum, so Wüstner, „wie viel Marktwirtschaft in Zeiten des Krieges in Europa möglich und wie viel Planwirtschaft nötig ist“.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRüstungsindustrie im Ukrainekrieg
:Russlands tödliche Reserve

Russland produziert mehr Waffen als die gesamte Sowjetunion im Kalten Krieg – und füllt trotz hoher Verluste und Sanktionen seine Depots auf. Westliche Experten sind alarmiert.

Von Florian Hassel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: