Süddeutsche Zeitung

Rücktritt von Ringstorff:Der Kapitän streicht die Segel

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Spröde Person, stringente Politik: Zehn Jahre lang hat Harald Ringstorff die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern an der Macht gehalten. Nun hat er seinen Rücktritt angekündigt.

Varinia Bernau

Letztlich hat er Wort gehalten: "Ich werde nicht so lange im Amt bleiben wie Adenauer", war die Standardantwort von Harald Ringstorff auf die immer wiederkehrenden Gerüchte um seinen Rückzug aus der Politik. Seit 1998 war er Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. Heute hat er seinen Rücktritt angekündigt - und wird den einstigen Bundeskanzler somit noch um vier Jahre unterbieten. Als Nachfolger wird Sozialminister Erwin Sellering gehandelt, der im April 2007 bereits den SPD-Landesvorsitz übernommen hatte.

Nach Spekulationen über einen Wechsel an der Spitze der Landesregierung sei es an der Zeit, Klartext zu reden, begründete Ringstorff seine Entscheidung. Die Menschen und seine Partei sollten sich rechtzeitig auf personelle Veränderungen einstellen können.

Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Verantwortung für das Land zu tragen, heiße aber auch, den Staffelstab rechtzeitig zu übergeben. Mit Ringstorff werden seinen Angaben zufolge auch Bauminister Otto Ebnet und Finanzministerin Sigrid Keler (beide SPD) aus dem Kabinett ausscheiden. Es würden im sozialdemokratischen Teil der Landesregierung neue und jüngere Kräfte Verantwortung übernehmen, betonte der Regierungschef.

In westlichen und südlichen Gefilden ist der Name Harald Ringstorff nur wenigen geläufig - und das, obwohl er bereits bei seinem Amtsantritt vor zehn Jahren Geschichte geschrieben hatte: Eine rot-rote Koalition in Schwerin hatte ihn zum Ministerpräsidenten gemacht.

Späte, aber steile Karriere in der Politik

Vor dem Zusammenbruch der DDR hatte sich Ringstorff nicht politisch engagiert, nach dem Chemiestudium an der Universität Rostock arbeitete er im Schiffbau. Der heute 68-Jährige gehörte jedoch vom November 1989 an zu den Gründungsmitgliedern der Sozialdemokraten in Rostock.

Es folgte eine Parteikarriere, wie sie wohl nur in den Jahren nach der Wende möglich war: Im März 1990 wurde Ringstorff Vorsitzender des Landesverbandes der SPD, holte sieben Monate später bei den ersten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern ein Mandat und wurde Fraktionsführer der oppositionellen Sozialdemokraten. Im Sommer 1993 wurde er fast einstimmig zum SPD-Spitzenkandidaten für die folgende Landtagswahl bestimmt, aus der eine große Koalition hervorging. Ringstorff wurde strellvertretender Ministerpräsident und übernahm die Leitung des Ministeriums für Wirtschaft und Angelegenheiten der Europäischen Union.

Rot-rote Landesregierung - geglücktes Experiment

Als Landesparteichef blieb er vor allem wegen des Verhältnisses der Sozialdemokraten zur SED-Nachfolgepartei PDS gefordert und konnte die Genossen 1996 mehrheitlich für seinen Vorschlag gewinnen, eine Zusammenarbeit mit der PDS nicht auszuschließen. Dass die Partei ihn im Juni 1998 mit 73 gegen 2 Stimmen zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im folgenden Herbst bestimmte, galt gleichzeitig als Billigung seiner Entscheidung, ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf zu gehen und sich damit den Weg für mögliche Koalitionsverhandlungen auch mit der PDS offenzuhalten.

Obwohl der roten-roten Schweriner Landesregierung keine großen Chancen eingeräumt wurden, die Legislaturperiode bis 2002 zu überstehen, hielt das Bündnis noch weitere vier Jahre, was Beobachter vor allem der stringenten Politik des Ministerpräsidenten zuschrieb. Der spröde, zuweilen auch starrköpfige Landesvater war beliebt.

Erst nachdem die SPD bei der jüngsten Landtagswahl im Herbst 2006 massive Verluste von mehr als 10 Prozentpunkten erlitt, sah sich Ringstorff gezwungen, den Regierungspartner zu wechseln. Ein fortgesetztes rot-rotes Bündnis hätte nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme gehabt, so regierte Ringstorff fortan mit der CDU. Die Koalition arbeitete geräuschlos, aber antriebsarm. Das Land profitierte, wie der Osten insgesamt, von der Konjunktur.

Über einen Rücktritt Ringstorffs wird schon seit Monaten spekuliert. Im Frühjahr hatten die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Wahlschlappen hinnehmen müssen. Kritiker warfen Ringstorff daraufhin vor, er sei "müde" geworden. Der SPD-Politiker war der dienstälteste ostdeutsche Ministerpräsident - und zudem einer der wenigen Sozialdemokraten, die derzeit ein Flächenland regieren. Nur in Rheinland-Pfalz und Brandenburg ist dies noch der Fall.

Im vertraulichen Gespräch mit den Genossen in Mecklenburg-Vorpommern war oft zu hören, dass etwas frischer Wind gut täte. Kein Sozialdemokrat wagte es jedoch, sich offen gegen den Mann zu stellen, der die Partei seit zehn Jahren an der Macht hält. Nun ist er ihnen zuvorgekommen: Er hat angekündigt, sein Amt zum 3. Oktober aufzugeben.

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