Rücktritt von Guttenberg: Reaktionen:"Scheinheilig und verlogen" - Merkel attackiert Kritiker

"Wir müssen uns nicht erklären lassen, was Anstand und Ehre sind": Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich im Zusammenhang mit der Plagiatsaffäre gegen Kritik von Seiten der Opposition verwahrt.

Die Bundeskanzlerin sieht die Glaubwürdigkeit ihrer Partei nach der Plagiatsäffare um den zurückgetretenen Verteidigungsminister nicht beschädigt. "Niemand bestreitet, dass Karl-Theodor zu Guttenberg schwere Fehler gemacht hat", sagte die CDU-Vorsitzende am Dienstagabend auf einer Wahlkampfveranstaltung in Stuttgart. Zugleich verwahrte sie sich aber gegen die Kritik aus der Opposition: "Wir müssen uns von niemandem erklären lassen, was Anstand und was Ehre in unserer Gesellschaft sind."

Scheinheiligkeit und Verlogenheit warf sie in diesem Zusammenhang dem Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, dem Grünen-Fraktionvorsitzenden Jürgen Trittin sowie SPD-Chef Sigmar Gabriel vor. "Diesen Leuten geht es einzig und allein darum, uns zu schwächen und nicht die Wissenschaft in Deutschland zu stärken", sagte Merkel.

Andreas Fischer-Lescano, der den Stein mit seinen Internetrecherchen ins Rollen gebracht hatte, sieht den Rücktritt des Ministers unterdessen nicht als persönlichen Triumph. "Mir ging es immer darum, dass an Guttenberg dieselben wissenschaftlichen Maßstäbe angelegt werden wie bei anderen Forschern auch. Und das musste den Verlust seines Doktortitels zur Folge haben", sagte der Bremer Juraprofessor der Süddeutschen Zeitung. Den Amtsverzicht selbst wollte er nicht bewerten.

Fischer-Lescano hatte die ersten abgeschriebenen Textstellen in Guttenbergs Doktorarbeit entdeckt und das Werk als "dreistes Plagiat" kritisiert. Er wirft dem CSU-Politiker vor, systematisch verschleiert, plagiiert und getäuscht zu haben. Seinen Rücktritt aber forderte er nie. "Ich habe Guttenberg immer aus der Perspektive kritischer Rechtswissenschaft betrachtet. Die politischen Schlussfolgerungen müssen andere ziehen", sagte er der SZ.

Aufatmen in Bayreuth

Erleichterung über Guttenbergs Rücktritt empfindet dagegen der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger Bormann: Der Rücktritt Guttenbergs nehme einigen Druck von der Universität und der Kommission zur wissenschaftlichen Selbstkontrolle, sagte Bormann der Berliner Zeitung. "Wir müsse die Fakten, die im Internet veröffentlicht und uns von anderer Seite zugetragen wurden, jetzt detailliert prüfen und aufarbeiten."

Die Kommission werde insbesondere zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob ein Täuschungsversuch vorliege oder eine Täuschungsabsicht erkennbar sei. Diese Frage sei strittig. "Wir werden uns deshalb auch externen Rat einholen", kündigte Bormann an. Dieser Prozess werde noch einige Wochen in Anspruch nehmen.

Bormann sagte, ihm sei bewusst, dass das Ergebnis der Prüfung auch für die Staatsanwaltschaft von Interesse sein werde. Gegen Guttenberg liegen mehrere Strafanzeigen vor. Die Universität erwarte, dass Guttenberg seine Ankündigung wahr mache und sich an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe beteilige.

Gabriel lobt Guttenberg-Kritiker in der Union

SPD-Chef Gabriel hat unterdessen die Kritik aus der Union am zurückgetretenen Verteidigungsminister gelobt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe so getan, als sei es für ein politisches Amt ohne Bedeutung, wenn ein Minister für seine Doktorarbeit geistiges Eigentum stehle, sagte Gabriel der Passauer Neuen Presse. Man müsse sich bei den CDU-Politikern bedanken, die nicht zugelassen hätten, dass dieses unwürdige Spiel weitergeht. Politiker wie Kurt Biedenkopf, Wolfgang Böhmer oder Annette Schavan hatten Guttenberg zuletzt öffentlich kritisiert.

Guttenberg tritt zurück

Rücktritt von allen politischen Ämtern: Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)

(Foto: dpa)

Gabriel sagte, die Kanzlerin habe den eigentlichen Schaden angerichtet. "Angela Merkel hat den Eindruck erweckt, dass Regierungsmitglieder über Recht und Gesetz stehen", sagte er. Es gebe eine Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit und Geradlinigkeit in der Politik. Viele hätten diese Sehnsucht auf Guttenberg projiziert. "Sie alle hat er enttäuscht, weil er offensichtlich gelogen hat und noch nicht einmal den Mut hatte, das wirklich einzugestehen", sagte Gabriel.

Der SPD-Chef forderte eine schnelle Entscheidung über die Nachfolge Guttenbergs: "Wir brauchen einen Verteidigungsminister, der Solidität und Gründlichkeit vor Schnelligkeit stellt." Außerdem müsse die Bundeswehrreform vorübergehend ausgesetzt werden, bis die entscheidenden Fragen geklärt seien. Guttenberg habe sie begonnen, ohne zu wissen, wie er den Nachwuchs gewinnen könne, wie die Reform finanziert werden und wie die künftigen Strukturen aussehen sollen.

"Jeder eine zweite Chance verdient"

In der Union mehren sich unterdessen die Stimmen, die auf eine baldige Rückkehr des gefallenen Polit-Stars setzen. "In einer offenen Gesellschaft hat jeder eine zweite Chance verdient", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer (CDU), dem Handelsblatt online. Guttenberg habe in kurzer Zeit zwei Ministerien überaus erfolgreich geführt und dabei große Verdienste erreicht.

"So viele talentierte Politiker hat die politische Klasse in Deutschland nicht, als dass man auf Guttenberg verzichten könnte", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der Mitteldeutschen Zeitung. Er hoffe, dass Guttenberg der Union als Politiker erhalten bleibe und seine Rückkehr so bald wie möglich stattfinden könne. Schließlich gäbe es Fälle, in denen bei Politikern sehr viel mehr kriminelle Energie vorhanden gewesen sei als bei Guttenberg und die auch zurückgekehrt seien, argumentierte der CSU-Politiker.

Nach Einschätzung des Parteienforschers Gerd Langguth dürfte Guttenberg gestärkt aus der Plagiatsaffäre hervorgehen und könnte sich damit zu einem ernsthaften Konkurrenten für CSU-Chef Horst Seehofer entwickeln. "Sein Rücktritt ermöglicht ihm ein Comeback", sagte Langguth dem Handelsblatt online.

Der Experte hält eine Wiederkehr Guttenbergs als CSU-Chef oder bayerischer Ministerpräsident für nicht unwahrscheinlich. Er brauche irgendwann ein neues, ihm eigene Autorität verleihendes Amt. "Zunächst ist aber ein Bußgang angesagt, dem sicherlich ein Hochamt folgen wird", erklärte Langguth.

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