Süddeutsche Zeitung

Rücktritt von Franz Müntefering:Bewegende Worte zum Abschied

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Franz Müntefering hat seinen Rücktritt in einer emotionalen Rede vor den Abgeordneten der SPD begründet und tosenden Applaus geerntet. Er dankte auch Parteichef Kurt Beck - der inzwischen bekannt gab, wer Münteferings Ämter übernehmen wird.

Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) tritt nach politischen Niederlagen und aus Sorge um seine krebskranke Frau von seinen Ämtern zurück. Nachfolger im Ministeramt wird nach Angaben des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck der Parlamentarische Geschäftsführer des SPD-Fraktion Olaf Scholz.

Den Posten des Vizekanzlers übernimmt nach der Verständigung in der SPD- Spitze Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Laut Fraktionschef Peter Struck wird der niedersächsische Abgeordnete Thomas Oppermann Nachfolger von Scholz als Geschäftsführer der Fraktion.

"Rein persönliche Gründe"

Müntefering versicherte, dass sein Rücktritt "ausschließlich" private Gründe habe. Er sagte bei einer Pressekonferenz in Berlin, er fühle sich noch stark genug, um für eine vernünftige Politik in Deutschland zu kämpfen. Er wolle aber nun mehr Zeit für seine schwer kranke Frau haben. Seine Rücktrittsentscheidung habe er am vergangenen Sonntag getroffen.

Zugleich verteidigte er den Entschluss von Beck, jetzt nicht von Mainz nach Berlin ins Bundeskabinett zu wechseln. Er könne dies durchaus als eine "vernünftige, pragmatische und sinnvolle Entscheidung" sehen.

Beck selbst sagte am Dienstagabend, es wäre ein "Fehler", wenn er ein Ministeramt übernehmen würde. Ein Zusammenwirken zwischen der SPD-Bundestagsfraktion, dem Vizekanzler und der Partei biete die größeren Spielräume und "letztendlich auch die besseren Möglichkeiten, sozialdemokratische Politik zu entwickeln", sagte Beck.

Bewegende Rede

Zuvor hatte Müntefering seinen Rücktritt in einer bewegenden Rede vor den Abgeordneten der SPD begründet. Er verwies nach Teilnehmerangaben unter anderem darauf, dass seine Frau seit 2001 fünf schwere Operationen gehabt habe und nach dem letzten Eingriff nun in die Reha gehen werde. Er habe vor der Entscheidung gestanden, seine Arbeit als Minister weiterzuführen oder an ihrer Seite zu sein. Die Abgeordneten reagierten betroffen und bewegt auf die Rede. Müntefering erhielt langen, tosenden Applaus.

Er rief die Fraktion auf, sich ihrer Verantwortung für eine Politik bewusst zu sein, die nur die Sozialdemokratie vertreten könne. Ausdrücklich dankte er Parteichef Kurt Beck, mit dem er sich in den letzten Wochen einen Machtkampf über das Thema Arbeitslosengeld I geliefert hatte, sowie Fraktionschef Peter Struck und der ganzen Fraktion. Beck wiederum dankte Müntefering. Dieser wird sein Amt den Angaben zufolge in der kommenden Woche abgeben, aber Abgeordneter bleiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zollte Müntefering Respekt und Achtung. Spitzenpolitiker der Union, wie Fraktionschef Volker Kauder, sahen trotz des Schritts von Müntefering die Basis der Koalition nicht erschüttert. Andererseits galt Müntefering als derjenige SPD-Politiker, der die Koalition trotz Meinungsverschiedenheiten mit der Union stets stabilisiert hatte.

Müntefering hatte schon vor der Koalitionsrunde am Montagabend Beck und Fraktionschef Struck von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt. Die Kanzlerin unterrichtete er am Dienstagmorgen. Müntefering ist seit dem Regierungsantritt der Großen Koalition im November 2005 Arbeits- und Sozialminister. SPD-Vorsitzender war er von März 2004 bis November 2005.

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dpa/Reuters/AFP
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