Rücktritt:Unerklärliche Erklärungsversuche

Wie aus einer Abfindung für Laurenz Meyer eine Sonderzahlung und schließlich ein Stolperstein wurde.

Von Hans Leyendecker

Am vergangenen Wochenende, als Laurenz Meyer noch CDU-Generalsekretär war und Hoffnung hatte, die Affäre überstehen zu können, schaute er sich die alten Abfindungsvereinbarungen an, die er 1999 mit dem Dortmunder Stromkonzern VEW geschlossen hatte.

Rücktritt: Laurenz Meyer geht.

Laurenz Meyer geht.

(Foto: Foto: Reuters)

"So gründlich wie jetzt habe ich die noch nie gelesen", sagte der gelernte Diplom-Volkswirt danach einem Vertrauten. Meyer ahnte aber, dass es nicht ganz einfach sein würde zu erklären, warum er zwischen Frühjahr 1999 und Juli 2000 als eine Art Abfindung insgesamt 250.000 Mark von der VEW erhalten hatte, obwohl er dann doch in das Unternehmen zurückgekehrt war.

250.000 Mark - überhaupt nicht üppig

Auch sein Parteifreund Ronald Pofalla, Jurist, Bundestagsabgeordneter und Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von 2002 bis 2004, studierte am Wochenende intensiv die Unterlagen; Parteichefin Angela Merkel hatte ihn eingeschaltet. Die Akte ist dünn - ein Standardvertrag vom 30.März 1999 und eine nur eine Seite starke Zusatzvereinbarung vom 30.Juni 2000.

Pofalla, der Rechtsanwalt in jener Essener Kanzlei ist, die auch den Altkanzler Helmut Kohl bei diversen Anlässen vertritt, teilte Meyer mit, die von VEW gezahlten 250.000 Mark wären als echte Abfindung überhaupt nicht üppig gewesen. Immerhin gehörte Meyer als Manager dem Konzern seit 1975 an und hatte zuletzt von VEW 14 Monatsgehälter à 15700 Mark plus Tantieme und Sondervergünstigungen wie Strom- und Gasrabatt erhalten.

Das Problem allerdings aus Sicht Pofallas: Meyer sei ja nicht bei VEW ausgeschieden, und deshalb sei die Quasi-Abfindung nicht zu erklären. Am Montag gab Meyer eine Erklärung ab, die mit der Parteichefin abgestimmt war: Ihm sei bewusst, dass "nicht verstanden wird, dass ich seinerzeit jenes Geld angenommen habe, obwohl ich in das Unternehmen zurückgegangen bin".

Steuer-Privileg nicht genutzt

Aber er habe, da in dem VEW-Vertrag "Ausschließungsgründe für den Fall der Rückkehr nicht aufgeführt waren", die 250.000 Mark "als Abfindung und zur Leistung ausstehender Gehaltsansprüche" kassiert und behalten. Diese Erklärung hielt knapp 24 Stunden. Dann wurde den Akteuren klar, dass der von Meyer und anderen verwendete Begriff "Abfindung" in der Erklärung eigentlich falsch war.

Meyer hatte beispielsweise von dem Steuer-Privileg, das bei einer Abfindung einen Freibetrag von 20.000 Mark bedeutet hätte, keinen Gebrauch gemacht. Auch hatte das Unternehmen diesen Freibetrag bei der Zahlung an Meyer merkwürdigerweise nicht berücksichtigt.

Sehr ungewöhnlich ist auch, dass das Unternehmen eine erste Tranche von 90000 Mark im Frühjahr 1999 an Meyer gezahlt hatte, obwohl zu diesem Zeitpunkt sein VEW-Vertrag nur ruhte und er die Möglichkeit hatte, bis zum 30.Juni 2000 an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die 90000 Mark wurden von den Beteiligten wie eine Sonderzahlung versteuert.

Jetzt wird es richtig kurios

Dann wurde es erst richtig kurios. Im Juni 2000 fing Meyer wieder bei VEW an und kassierte fortan nicht nur sein Monatsgehalt von knapp 16 000 Mark brutto, sondern er verlangte auch die Auszahlung der zweiten Abfindungs-Tranche von 160.000 Mark.

Dabei hätte er die bereits erhaltenen 90000 Mark an VEW zurückzahlen müssen - ähnlich wie ein Angestellter, auf dessen Konto der Arbeitgeber versehentlich eine hohe Summe gebucht hat. Juristisch betrachtet waren die 160000 Mark eine "rechtsgrundlose Zahlung", wie Juristen sagen. Auch deshalb prüft die Essener Staatsanwaltschaft, ob im Fall VEW/Meyer ein Verdacht auf Untreue vorliegt.

An Fragen herrscht kein Mangel: Warum zahlte VEW im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung versteckte Boni? Welche Gründe gab es für eine derart ungewöhnliche Alimentierung? Warum hat Meyer nicht zurückgezahlt, was er zu Unrecht bekommen hat?

Falls die Bundes-CDU in diesen Tagen mit ihrem bisherigen Parteimanager eine Abfindung vereinbaren sollte, würde es sich für die Akteure empfehlen, sich an die gängigen Regeln zu halten.

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