Mit seiner Ankündigung, Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen, die schon anderswo einen Asylantrag gestellt haben, hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im vergangenen Juni eine Regierungskrise ausgelöst. Kurzzeitig sah es so aus, als würde er von seinen Ämtern - Parteivorsitz und Ministeramt in Berlin - zurücktreten.
Die Union einigte sich schließlich auf einen Kompromiss. Sowohl mit Österreich als auch Griechenland und Spanien hat Deutschland entsprechende Vereinbarungen getroffen. Nun zeigt sich: Seit vergangenem Sommer sind nur elf Migranten auf Grundlage dieser Abkommen von der deutsch-österreichischen Grenze zurückgeschickt worden; neun davon nach Griechenland und zwei nach Spanien.
Auch mit Italien, dem dritten wichtigen Ersteinreise-Staat, war über ein Abkommen verhandelt worden. Das Ministerium erklärte: "In Bezug auf die politische Zustimmung von Italien hat sich bislang kein neuer Sachstand ergeben." Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega-Partei will die Verteilung von Bootsflüchtlingen in Europa durchsetzen.

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Die Rücknahme von Migranten aus anderen Ländern gilt als heikel - auch wenn Italien eigentlich zuständig wäre. Nach den Dublin-Regeln ist normalerweise jenes Land für Schutzsuchende zuständig, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Migranten, die unerlaubt weiterreisen, können in ihr Ankunftsland zurückgeschickt werden.
In der Praxis gelingt es aber oft nicht, die Betroffenen innerhalb der dafür vorgesehenen sechs Monate zurückzubringen. Bundesinnenminister Seehofer wollte deshalb ein schnelleres Verfahren. Die Absprachen mit Griechenland und Italien sehen Rückführungen binnen 48 Stunden vor, falls Migranten dort schon einen Asylantrag gestellt haben. Möglich ist das aber nur für Menschen, die an der ohnehin nur punktuell kontrollierten deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden - also nur für einen Bruchteil der Migranten, die insgesamt Deutschland erreichen.