Rückkehr der bulgarischen Krankenschwestern:Cécilia und ihre Schwestern

Acht Jahre saßen sie in Gaddafis Gefängnissen, nun sind sie heimgekehrt. Aber nicht nur die fünf bulgarischen Krankenschwestern werden in Sofia bejubelt - auch die Frau des französischen Präsidenten Sarkozy lässt sich feiern.

Klaus Brill und Gerd Kröncke

Natürlich war auch dieser Tag der Erlösung ein Tag der weiß-grün-roten Schleifen, und natürlich kam irgendwann der Moment, ,,da waren alle sehr gerührt''. So hat es jedenfalls Michael Geier, der deutsche Botschafter in Sofia, am Dienstagmorgen im VIP-Raum des Sofioter Flughafens miterlebt.

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Frankreichs First Lady grüßt die Menge bei Ihrer Ankunft am Flughafen von Sofia - links von ihr EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.

(Foto: Foto: dpa)

Der bulgarische Außenminister Iwajlo Kalfin hatte gerade den fünf Krankenschwestern und dem palästinensischen Arzt, deren mehr als achtjährige Odyssee in libyschen Gefängnissen mit der Ankunft in der Heimat nun endlich und definitiv zu Ende gegangen war, den Text jener Urkunde vorgelesen, mit der sie vom bulgarischen Staatspräsidenten begnadigt wurden. Ihr Dasein als Kriminelle war beendet, und etliche der versammelten Angehörigen, von denen viele die bunten Schleifen auf der Brust trugen, brachen in Tränen aus. Andere klatschten immer wieder. Und draußen auf dem Flughafengebäude prangte, riesig und unübersehbar, ein weiß-grün-rotes Ansteckmonster.

Die Schleifen mit der Aufschrift ,,Ihr seid nicht allein'' waren im vergangenen halben Jahr zum Symbol für die Anteilnahme geworden, mit denen die Bulgaren das schmerzensreiche Schicksal ihrer Landsleute verfolgten. Einige Medien hatten das kleine Zeichen erfunden und verbreitet, normale Leute und führende Politiker trugen es ständig am Revers, und schon die Feier zum EU-Beitritt Bulgariens am 1.Januar war in dieser Art in die Nationalfarben Weiß-Grün-Rot getaucht.

Die Nacht des Wartens

So auch der Dienstag, der Tag der Freude, den Bulgariens führende Politiker noch vor der Ankunft der Befreiten von all den Inkriminationen reinigen wollten, mit denen die libyschen Behörden ihre Gefangenen belastet hatten. Mit anderen Offiziellen fuhr am Dienstag auch Generalstaatsanwalt Boris Weltschew zum Flughafen hinaus, um dem Staatspräsidenten Georgi Parwanow noch rechtzeitig das Begnadigungsgesuch vorlegen zu können.

Dieser unterzeichnete es sofort und erklärte, er betrachte die Schwestern und den palästinensischen Arzt, der wegen libyscher Sperenzien vor kurzem ebenfalls noch rasch die bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, als unschuldig. Den Vorwurf, sie hätten absichtlich mehr als 400 Kinder mit Aids angesteckt, hatte nach dem Einspruch internationaler Experten außerhalb Libyens sowieso niemand mehr ernst genommen.

Vor allem in Bulgarien stand die Rechtschaffenheit der Krankenschwestern außer Zweifel, entsprechend lebhaft waren am Dienstag die Reaktionen auf die glückliche Heimkehr. Schon die halbe Nacht hatten Verwandte und Freunde der Befreiten am Flughafen verbracht, hatten in Autos und auf Bänken ein paar Stunden Schlaf gesucht, viele wirkten später angespannt. Erst allmählich löste sich die Spannung, und der Tag wurde für das ganze Land zum Feiertag.

Boyko Borissow, der Bürgermeister von Sofia, erklärte gar seine Absicht, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy sowie der Präsidentengattin Cécilia Sarkozy und der EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner die Ehrenbürgerschaft der bulgarischen Hauptstadt anzutragen als Anerkennung für ihre Verdienste um die Rettung. Die beiden Frauen hatten in den letzten Tagen in Tripolis verhandelt und am Dienstag in der Maschine des französischen Präsidenten die Freigelassenen nach Sofia gebracht.

Cécilia und ihre Schwestern

Der Bürgermeister indes befand sich mit seinem Vorstoß nicht ganz im Einklang mit der Regierung, die die Verdienste offenkundig anders gewichtet. Außenminister Iwajlo Kalfin begrüßte am Flughafen natürlich dankbar neben Frau Ferrero-Waldner auch Frau Sarkozy, hob dann aber sogleich die besonderen Verdienste der EU sowie Deutschlands und Großbritanniens hervor - beide Länder hatten während entscheidender Phasen in den zurückliegenden Jahren die EU-Präsidentschaft inne.

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Die heimgekehrten bulgarischen Krankenschwestern mit Verwandten am Flughafen von Sofia.

(Foto: Foto: dpa)

Und die Einladung an den deutschen Botschafter Geier, der Zeremonie auf dem Flughafen beizuwohnen, kam nicht von ungefähr - hatte doch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schon bei den EU-Beitrittsfeiern am 1.Januar sein Engagement in dieser Sache bekundet und dann vor allem im Juni zusammen mit Ferrero-Waldner bei einem Besuch in Libyen den Durchbruch erzielt, der die Einigung auf das jetzt umgesetzte Modell der Abwicklung brachte: Geld für die Familien der aidskranken Kinder und politische Vergünstigungen gegen die Freilassung.

Ferrero-Waldner war es dann auch, die in der Nacht zum Dienstag in Tripolis vor dem Abflug im libyschen Außenministerium mit dem Unterhändler Abd al-Ati al-Ubeidi ein sogenanntes ,,Memorandum of Understanding'' unterzeichnete, das eine künftige Zusammenarbeit Libyens mit der EU in Aussicht stellt.

Der Kuckuck aus dem Elysée

Vor diesem Hintergrund gewinnt das Engagement des französischen Präsidenten in den letzten Tagen seinen eigenen Stellenwert. Sarkozy hat sich die Affäre zunutze gemacht, um den eigenen Ruhm zu fördern.

Gewiss, schon im Wahlkampf hatte er das Schicksal der misshandelten Frauen dieser Welt zum Thema gemacht. Ingrid Betancourt, die in Kolumbien entführte Präsidentschaftskandidatin, und die unglücklichen Krankenschwestern aus Bulgarien waren von ihm zu französischen ,,Citoyennes'' geadelt worden, Ehrenbürgerinnen gewissermaßen. Und seit eine Einladung des Obersten Gaddafi auf dem Tisch lag, hatte Sarkozy Libyens ,,Führer'' klar gemacht, er werde nur kommen, wenn zuvor das Problem der Krankenschwestern auf humanitäre Weise gelöst sei.

Die Rolle des Präsidenten wird in Frankreich durchaus kritisch gesehen. Die französischen Sozialisten, denen schon lange nichts Handfestes gegen ihn einfällt, sahen in der Reise Cécilias ,,das Erkennungszeichen des Sarkozysmus''. Der frühere Europaminister Pierre Moscovici klagt: ,,Sarkozy macht sich die Strategie des Kuckucks zu eigen, des Vogels, der seine Eier in fremde Nester legt.'' Auch er verweist darauf, die eigentliche Arbeit sei zuvor von der EU, vor allem während der deutschen Präsidentschaft von Angela Merkel geleistet worden.

Exzellente Verhandlungsführerin

Aber die Bilder, die um die Welt gehen, zeigen nun Cécilia Sarkozy, Madame, winkend im Kreise der Befreiten. Die Frau des Präsidenten, für die der konservative Figaro schon die Rolle einer neuen Lady Di in Betracht zieht, war von ihrem Mann als eine Art persönliche Botschafterin geschickt worden. Schon vorvergangene Woche war sie überraschend zu Gaddafi geflogen, um medienwirksam auch die Krankenschwestern und einige kranke Kinder zu besuchen.

Weil die Demarche in Brüssel und Berlin etwas irritierte, hatte Sarkozy seiner Frau diesmal nicht nur wieder den Generalsekretär des Elysée zur Seite gegeben, sondern auch der EU-Kommissarin fürs Äußere, Benita Ferrero-Waldner, einen Platz in der französischen Präsidentenmaschine angeboten. Cécilias Mission wird zwar nur eine symbolische gewesen sein, aber sind es nicht gerade die Symbole, die zählen? Einer Freundin, der Regional-Abgeordneten Isabelle Balkany, hatte Cécilia Sarkozy einige SMS von ihrer jüngsten Mission geschickt. Danach sei die Situation sehr hart, sehr kompliziert gewesen, ,,aber Cécilia ist eine exzellente Verhandlungsführerin, gelassen, nie ihre Selbstbeherrschung verlierend'', sagt die Freundin.

Cécilia und ihre Schwestern

Cécilia Sarkozy sucht noch ihr Drehbuch als Erste Dame der Republik, sie hatte seit der Wahl ihres Mannes nur wenige öffentliche Auftritte. Anders als Bernadette Chirac will sie sich nicht auf wohltätige Werke festlegen; sie strebt offenbar auch nicht wie Danielle Mitterrand eine eigenständige politische Rolle an. Denkbar ist, dass Sarkozy seine Frau gelegentlich als eine Art Sonderbotschafterin einsetzt.

,,Das wird keine klassisch diplomatische Rolle sein'', sagt der Staatssekretär Roger Karoutchi, der Madame nahe steht, ,,sie wird nicht über die Raketenbegrenzung mit Russland verhandeln''. Aber humanitäre Missionen, ein ums andere Mal, wären wohl denkbar. In diesem Fall hat sie, sagte ihr Mann nicht ohne Stolz auf einer Pressekonferenz am Dienstag, eine ,,wahrhaft bemerkenswerte Arbeit'' geleistet. Sarkozy war umgeben von seinem Premier, dem Außenminister und einer Staatssekretärin, allesamt stumm.

Andererseits kam Sarkozy nicht umhin, auch die Bemühungen der anderen zu würdigen - die von EU-Kommissionspräsident Barroso ebenso wie die der Kommissarin Ferrero-Waldner, vor allem aber die der Regierung von Katar. Für die Freilassung sei kein einziger Euro gezahlt worden, weder von Frankreich noch von der EU. Was aber die Bemühungen von Katar angehe, dazu könne er nichts sagen, da könne er nur dankbar sein.

Denn der Emir von Katar hat offenbar tief in seine Schatulle gegriffen, um die finanziellen Ansprüche der Libyer zu befriedigen. Am Ende hatten diese zeitweise sogar noch verlangt, die EU und andere sollten dem Land auch eine Küstenautobahn von der tunesischen bis zur ägyptischen Grenze bauen helfen und sich außerdem beim Bau neuer Eisenbahnstrecken engagieren.

Schlag auf Schlag

Dieser Schacher hat in Bulgarien bei den Angehörigen der befreiten Gefangenen durchaus heftiges Missfallen erregt wie zuvor schon die Vergütungen für die Familien der infizierten Kinder. Auch einige der Verwandten verlangen, wie ein Sprecher sagte, jetzt im Gegenzug von der libyschen Regierung eine Entschädigung für all die Leiden, die sie ihrerseits in den langen Jahren der Gefangenschaft ihrer Lieben erdulden mussten. Und auch die bulgarische Justiz setzt zum Gegenschlag an. Generalstaatsanwalt Boris Weltschew kündigte noch am Dienstagmorgen auf dem Flughafen an, er werde die fünf Krankenschwestern, den palästinensischen Arzt und einen weiteren bulgarischen Arzt, der zwischenzeitlich in Libyen eine vierjährige Haftstrafe abgesessen hatte und in der bulgarischen Botschaft in Tripolis das Ende des Dramas abwartete, zu dem von ihnen selbst erhobenen Vorwurf vernehmen, sie seien in der Haft gefoltert worden.

Ihre Wohnorte dürfen die Zurückgekehrten vorerst noch nicht wieder aufsuchen, man wird sie erst einmal medizinisch untersuchen und nach ihren Erlebnissen befragen. Zu diesem Zweck hat die Regierung ihnen und ihren Verwandten das Gästehaus im Stadtteil Bojana zur Verfügung gestellt, das schon seit den Zeiten des gestürzten kommunistischen Parteichefs Todor Schiwkow ein exklusives Refugium im schönsten Teil der Stadt darstellt. Von hier aus hat man nicht nur einen guten Blick auf Sofia, sondern vor allem in der Gegenrichtung auf das malerische Witoscha-Gebirge. Gleich nebenan im nationalen historischen Museum, der einstigen Residenz des KP-Chefs, werden die Schätze der Nation aufbewahrt.

Ob den Geretteten danach jetzt der Sinn steht, ist fraglich. Jedenfalls dürfen sie wieder unumschränkt von allem reden, was ihnen nachts träumt. Dies hatten sie sich in Libyen schon nicht mehr getraut, wie eine der fünf Krankenschwestern, Kristiana Waltschewa, am Dienstag erzählte. Sie verblüffte die Journalisten, die in großer Zahl zum Flughafen geeilt waren, im Übrigen mit der Bemerkung, sie habe an Libyen auch einige gute Erinnerungen. Von der bevorstehenden Freilassung hatten die Gefangenen sehr kurzfristig erfahren. Man hatte sie in der Nacht um vier Uhr geweckt. Fünf Stunden später waren sie in Sofia.

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