Ermittlungen wegen Putschversuch:Vom Ehrenritter zum Verdächtigen

Ermittlungen wegen Putschversuch: Gegen Rudy Giuliani, Berater und Anwalt von Ex-Präsident Trump, wird in Georgia ermittelt.

Gegen Rudy Giuliani, Berater und Anwalt von Ex-Präsident Trump, wird in Georgia ermittelt.

(Foto: Kevin Dietsch/imago images/UPI Photo)

Dem US-Anwalt Rudy Giuliani droht wegen möglicher Wahlbeeinflussung eine Anklage in Georgia. Das könnte auch seinen Chef Donald Trump in arge Bedrängnis bringen.

Von Fabian Fellmann, Washington

Welch tiefer Fall. Am Mittwoch muss Rudy Giuliani vor einer Sonderjury in Atlanta antreten. Dort ist der 78-Jährige nicht etwa als Zeuge vorgeladen, sondern als möglicher Beschuldigter.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war er der bekannteste Bürgermeister der Welt. 2001 wurde er für seine Arbeit nach den Terroranschlägen in New York vom Time Magazine zur Person des Jahres gekürt und erhielt einen Ehrenrittertitel von Queen Elizabeth II. 2008 schien sogar das Weiße Haus in Griffweite zu sein.

Dann kam Donald Trump, für den Rudy Giuliani als Anwalt arbeitete. Er war eine der treibenden Kräfte hinter den Versuchen, das Resultat der Präsidentschaftswahl 2020 umzustoßen. Im Mittelpunkt stand der Bundesstaat Georgia, wo die Wahl besonders knapp ausgegangen war. Trump persönlich rief die Behörden in der Hauptstadt Atlanta an und forderte sie auf, 11 780 Stimmen für ihn zu finden.

Zuvor hatte er Giuliani ins Kapitol von Atlanta zu Sitzungen von republikanisch dominierten Parlamentsgremien geschickt. Sie versuchte der Anwalt dazu zu bewegen, das Wahlresultat für nichtig zu erklären und die 16 Wahlmännerstimmen von Georgia nicht Joe Biden, sondern Donald Trump zuzuschlagen. Dafür rekrutierte er 16 Trump-treue Wahlmänner, um mit den offiziellen Wahlmänner zu konkurrieren.

Anfangs wurde die Strafverfolgerin noch belächelt

Giuliani tischte eine Lüge nach der anderen auf. An einem Treffen am 3. Dezember 2020 präsentierte er ein Video und behauptete, darauf seien zwei Wahlhelferinnen zu sehen, die einen Koffer voller gefälschter Biden-Stimmen unter einem Tisch hervorziehen. Obwohl die Behörden den Sachverhalt umgehend klärten, verbreitete Giuliani seine Behauptungen weiter. Die Frauen hätten "heimlich USB-Sticks herumgereicht, als wären es Fläschchen mit Heroin oder Kokain", sagte Giuliani eine Woche später. Die Frauen erhielten Todesdrohungen, wie sie später in Washington bei den Anhörungen zu Trumps Putschversuchen erzählen sollten; dabei hatten sie einander lediglich Minzbonbons zugesteckt.

Die Manipulation von Wahlen ist in Georgia ebenso unter Strafe verboten wie das Anlügen von Behörden. Darum hat Fani Willis, die Strafverfolgerin von Fulton County, dem Distrikt der Hauptstadt Atlanta, im Januar 2021 eine Strafuntersuchung eingeleitet. Die wurde anfänglich belächelt als Selbstinszenierung einer rachsüchtigen Demokratin; wie in den USA üblich wurde Willis von den Stimmberechtigten zur Strafverfolgerin gewählt. Inzwischen aber ist vielen Republikanern das Lachen vergangen, weil sich Willis als hartnäckige Juristin erwiesen hat, deren bisheriges Vorgehen von mehreren Gerichten gestützt wurde.

Mit richterlicher Billigung hat Willis etwa eine Special Grand Jury einberufen, die nun seit mehreren Monaten die Geschehnisse aufarbeitet und Zeugen befragt. In dieser Rolle war auch Giuliani anfänglich vorgeladen, doch nun gilt er als möglicher Beschuldigter, wie am Montag bekannt wurde. Auch die meisten der falschen Wahlmänner sind nunmehr mögliche Beschuldigte. Die Special Grand Jury wird zwar nicht über ihre Schuld entscheiden, auch nicht über eine Anklage. Doch sie wird einen Bericht erstellen, mit dem die Strafverfolgerin später Anklage erheben kann. Das erscheint nun zunehmend wahrscheinlich.

Giuliani versuchte, der Befragung zu entgehen: Er habe sich im Juli mehrere Stents einsetzen lassen und könne nicht nach Atlanta fliegen, argumentierten seine Anwälte. Doch Giuliani hatte Mitte Juli mit Bargeld mehrere Flugtickets gekauft, unter anderem nach Zürich und Rom.

Giuliani könnten mehrere Jahre Haft drohen

Ob er vor der Special Grand Jury viel sagen wird, ist zu bezweifeln. Als möglicher Beschuldigter kann er die Aussage verweigern, wenn er sich damit selbst belasten würde. Giuliani sagte dem Rechtsaußen-Sender Newsmax, er habe als Trumps Anwalt gehandelt, ihre Besprechungen seien der Schweigepflicht unterstellt. "Wenn man Anwälte in Beschuldigte verwandelt, weil sie ihre Kunden verteidigen, dann beginnen wir in einem faschistischen Staat zu leben", sagte Giuliani, selbst einst Strafverfolger in New York. Das sehen allerdings nicht nur die Richter in Georgia anders, sondern auch im Staat New York und der Hauptstadt Washington. Sie haben Giuliani vorläufig die Anwaltslizenz entzogen wegen seiner Lügen in Georgia.

Im Fall einer Verurteilung in Georgia würden Giuliani mehrere Jahre Haft drohen. Das brächte Donald Trump in arge Bedrängnis: Wenn der Anwalt kriminell handelt - was gilt dann für seinen Auftraggeber? Für John Bolton ist es ein klarer Fall. Der nationale Sicherheitsberater unter Trump ist inzwischen einer seiner Erzfeinde. Bei CNN kommentierte er die jüngsten Entwicklungen in Georgia so: "Wenn Rudy Giuliani Probleme kriegt, dann gilt das sicherlich auch für Trump."

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