Afrika:Warum Ruandas Soldaten in Ostkongo kämpfen

Lesezeit: 3 Min.

Zivilisten aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Ruanda. Die Kämpfe in der Region haben Hunderttausende vertrieben. (Foto: TONY KARUMBA/AFP)

In der Demokratischen Republik Kongo lebe die Ideologie des Völkermords von 1994 fort, sagt Ruandas Präsident Kagame. Doch den Rebellen, die die Millionenstadt Goma erobert haben, hilft er noch aus anderen Gründen.

Von Paul Munzinger, Kapstadt

In der Nacht auf Mittwoch hat sich Ruandas Präsident Paul Kagame erstmals zur Lage in Goma zu Wort gemeldet, der umkämpften Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, direkt an der ruandischen Grenze. Von einer „produktiven Konversation“ mit US-Außenminister Marco Rubio berichtete Kagame auf X. Gesprochen habe man über die „Notwendigkeit, einen Waffenstillstand in Ostkongo zu sichern und ein für alle Mal die Wurzeln des Konflikts anzugehen“. Über seinen eigenen Beitrag zur Lage in Goma, dem bisherigen und dem künftigen, verlor Kagame kein Wort.

Am Wochenende hatte sich der Dauerkonflikt im kongolesisch-ruandischen Grenzgebiet zugespitzt wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Grund war der Vormarsch der Rebellengruppe M23 auf die Millionenstadt Goma an der Nordspitze des Kivu-Sees. Am Montag verkündete die Miliz, sie habe die Stadt erobert. Das war etwas voreilig, auch am Mittwochmorgen wurde noch vereinzelt gekämpft in und um Goma, wie Augenzeugen berichteten. Doch den Großteil der Stadt einschließlich des Flughafens scheinen die Rebellen inzwischen unter ihrer Kontrolle zu haben.

Schon seit Jahren sind Millionen Menschen in Ostkongo auf der Flucht

Hunderttausende Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen binnen weniger Wochen vor der M23 geflohen, Millionen Menschen sind in Ostkongo schon seit Jahren auf der Flucht. Und die Gefahr, dass die kongolesisch-ruandische Rivalität erneut in einen Krieg mündet, ist gestiegen. In Kongos Hauptstadt Kinshasa – im äußersten Westen des Riesenstaats gelegen, knapp 1600 Kilometer Luftlinie von Goma entfernt – verwüsteten Demonstranten am Dienstag die Botschaft Ruandas, dessen Präsidenten sie für die Eskalation verantwortlich machen.

Paul Kagame hat in der Vergangenheit stets bestritten, die M23-Miliz militärisch zu unterstützen. Doch er machte nie einen Hehl daraus, dass er auf ihrer Seite steht im Konflikt in Ostkongo. Dort setzt sich seit 30 Jahren in gewisser Weise der ruandische Bürgerkrieg fort, der 1994 in den Völkermord der Hutu-Mehrheit an den Tutsi mündete. Die 2012 gegründete M23 versteht sich als Schutzmacht der Tutsi in Ostkongo und bekämpft dort unter anderem die Gruppe FDLR. Diese wiederum ging einst aus Hutu-Milizen hervor, die nach dem Völkermord über die Grenze flohen.

Inzwischen dementiert Kagame nicht mehr, dass er die Miliz unterstützt

Und zwar vor dem Tutsi Paul Kagame, dessen Armee 1994 den Bürgerkrieg gewonnen und den Völkermord beendet hatte. Seit 2000 ist er Präsident – und hat Ruanda zu einem stabilen und wirtschaftlich recht erfolgreichen Land entwickelt, in dem allerdings keine Opposition geduldet wird.

Inzwischen dementieren Kagame und die Mitglieder seiner Regierung in der Hauptstadt Kigali nicht mehr, dass sie M23 mit Geld, Waffen und sogar ruandischen Soldaten unterstützen. Sie schweigen dazu. Das könnte daran liegen, dass die Beweislast zuletzt erdrückend wurde. So erdrückend, dass auch um Ausgewogenheit bemühte Institutionen wie der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder die Internationale Kontaktgruppe für die Großen Seen Ruanda ausdrücklich aufforderten, seine Truppen von kongolesischem Staatsgebiet zurückzuziehen.

Er solle seine Truppen aus Ostkongo abziehen, verlangt der UN-Sicherheitsrat von ihm: Ruandas Präsident Paul Kagame. (Foto: LUIS TATO/AFP)

Öffentlich begründet Kagame sein Interesse an Ostkongo mit den Aktivitäten der FDLR (Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas). Die dürfe dort weiter ihre „Völkermord-Ideologie“ verbreiten. Und zwar mit Unterstützung der kongolesischen Regierung, was auch die Vereinten Nationen kritisieren. Das dürfte Kagame meinen, wenn er von den „Wurzeln des Konflikts“ spricht.

Kobalt und Gold, Wolfram und Tantal wecken Begehrlichkeiten

Doch Experten gehen davon aus, dass es Kagame noch oder sogar vor allem um etwas anderes geht: um Bodenschätze. Kongo verfügt über viele Rohstoffe, die zur Herstellung von Handys, Computern und Batterien gebraucht werden und weltweit stark gefragt sind. Im Süden des Landes gibt es die weltgrößten Kobalt-Vorkommen, im Osten werden Gold, Zinn, Wolfram und Tantal abgebaut. Für die mehr als 100 bewaffneten Gruppen in der Region sind die Bodenschätze eine wichtige Einnahmequelle. Auch für M23.

Die kongolesische Regierung wirft Kigali vor, dass Rohstoffe aus dem Ostkongo über Ruanda den Weg auf dem Weltmarkt finden. Das halten auch Experten für plausibel. Ruandas Mineralienexporte hätten sich binnen zwei Jahren auf mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr verdoppelt, sagte der US-Politikwissenschaftler und Kongo-Experte Jason Stearns der Nachrichtenagentur Reuters. Wie viel davon genau aus Kongo komme, sei unklar, doch es sei ein „erheblicher Anteil“.

Die Außenministerin der Demokratischen Republik Kongo, Therese Kayikwamba Wagner, forderte am Dienstag nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York nicht nur den sofortigen Abzug der ruandischen Truppen aus ihrem Land, sondern auch ein Embargo auf ruandische Mineralienexporte. Der Sicherheitsrat müsse jetzt handeln, sagte Wagner: „Genug ist genug.“

Tatsächlich ist es schon einmal gelungen, die M23 durch internationalen Druck zum Rückzug aus Goma zu bewegen. 2012 war das, als die Miliz die Stadt zum ersten Mal eingenommen hatte. Doch viele Beobachter bezweifeln, dass sich das wiederholen lässt.  Kagame sei heute deutlich weniger von internationaler Finanzhilfe abhängig sei als vor 13  Jahren. Und daher deutlich schwerer unter Druck zu setzen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Medizin
:Heiler, Helfer, Humanist

Vor 150 Jahren wurde der „Urwalddoktor“ Albert Schweitzer geboren, der in Lambarene eine Krankenstation aufbaute und über Jahrzehnte dort Patienten behandelte. Ein großer Arzt und Denker, der gerade in heutigen Zeiten für Mediziner zum Vorbild taugt.

Werner Bartens

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: