Süddeutsche Zeitung

Ruanda:Anprangern, was andere verschweigen

Regierungskritikerin Diane Rwigara, einst selbst Teil der Machtelite, wird festgenommen.

Von Isabel Pfaff

Einst war sie selbst Teil der mächtigen Elite Ruandas, inzwischen ist sie persona non grata - und landet mitunter sogar in Polizeigewahrsam: Diane Rwigara, 35, und seit einigen Jahren lautstarke Kritikerin des Regimes von Präsident Paul Kagame, wurde am Montagabend in ihrem Haus in der Hauptstadt Kigali festgenommen. Die Polizei ermittelt gegen sie wegen Urkundenfälschung und gegen ihre Familie wegen Steuerhinterziehung.

In den vergangenen Tagen waren bereits Gerüchte über Diane Rwigaras Verschwinden im Umlauf, weil ihr in den USA lebender Bruder sie nicht erreichen konnte und deshalb verschiedene Medien kontaktierte. Am Montagabend teilte die ruandische Polizei mit, dass Rwigara, ihre Mutter und ihrer Schwester verhaftet wurden. Mittlerweile, so die Polizei am Dienstag, seien die drei wieder zu Hause, könnten aber für Befragungen jederzeit wieder zurückbeordert werden.

Diane Rwigara zählt zu den profiliertesten Regierungskritikern des kleinen ostafrikanischen Landes. Was sonst nur internationale Menschenrechtsorganisationen laut aussprechen, prangert Rwigara öffentlich an: den autoritären Kurs der Staatsführung, die Unterdrückung Andersdenkender, die Menschenrechtsverletzungen. Das war nicht immer so. Rwigara entstammt nämlich genau jenem Zirkel, der nach dem Bürgerkrieg und dem verheerenden Völkermord mit geschätzt 800 000 Opfern im Jahr 1994 zur neuen Elite aufstieg: Ihr Vater, ein Tabak- und Immobilienunternehmer, war einst ein Verbündeter des Präsidenten, er galt Ende der Neunzigerjahre als wichtiger Geldgeber der neuen Regierungspartei RPF. Im Februar 2015 starb er, nach offiziellen Angaben bei einem Autounfall - doch seine Familie vermutet, dass ihn Regierungskräfte am Unfallort töteten, weil er seine Geschäfte nicht in den Dienst der RPF habe stellen wollen. Die Rwigaras forderten die Behörden auf, die Ungereimtheiten rund um den Unfall aufzuklären, doch nichts passierte.

Seither übt Diane Rwigara, eine in den USA ausgebildete Ökonomin, immer lauter Kritik an Ruandas Regierung. Im Mai kündigte sie an, bei den Präsidentschaftswahlen im August antreten zu wollen. Doch die Wahlkommission ließ Rwigara nicht als Kandidatin zu; sie warf ihr vor, mehrere der erforderlichen Unterschriften von Unterstützern gefälscht zu haben. Mit demselben Vorwurf hinderten die Behörden auch andere Politiker an der Kandidatur, so dass Kagame am Ende nur zwei recht aussichtslose Konkurrenten hatte - und die Wahl erwartungsgemäß gewann, mit fast 99 Prozent der Stimmen.

Sie weist die Vorwürfe zurück - die Regierung von Paul Kagame wolle sie mundtot machen

Nach Ablehnung ihrer Kandidatur gründete Rwigara eine Bewegung namens "People Salvation Movement" und setzte so ihr Engagement gegen die Regierung fort - bis vor ein paar Tagen. Am Mittwoch meldete die Polizei auf Twitter, dass das Haus von Rwigaras Familie durchsucht worden sei - im Rahmen von Ermittlungen wegen der Fälschung von Unterschriften sowie Steuerhinterziehung. Die Festnahme vom Montag begründete ein Polizeisprecher damit, dass die Familie nicht reagiert habe auf mehrere Vorladungen.

Diane Rwigara weist die Vorwürfe an sie und ihre Familie zurück, sie wirft der Regierung vor, sie mundtot machen zu wollen. Sie wäre nicht die Erste. Mehrere einstige Regime-Insider haben sich in den vergangenen Jahren von Präsident Kagame abgewandt und ihn kritisiert. Einige sitzen in Haft, andere sind unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Immerhin, um ihr Leben fürchtet Rwigara momentan nicht. "Mich zu töten würde zu viel Lärm machen", sagte sie dem Guardian kurz vor der Wahl in einem Interview. "Es ist schwerer, dich zu töten, wenn du einmal bekannt bist."

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SZ vom 06.09.2017
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