Rot-rot-grüne Mehrheit in Länderkammer:Bundesrat demonstriert Macht gegen Schwarz-Gelb

Managergehälter, Internetabzocker, Zwangsprostitution: In seiner letzten Sitzung vor den beiden Wahlen am Sonntag arbeitet der Bundesrat eine lange Liste von Gesetzesvorlagen ab. Die von SPD, Grünen und Linken abgelehnten Gesetze sind vorerst erledigt. Eines, das Verkehrssünder betrifft, kam hingegen durch.

In seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Hessen hat der Bundesrat über eine ganze Reihe von Gesetzesvorlagen abgestimmt. Die Mehrheit der von SPD, Grünen und Linken regierten Länder demonstrierte ihre Stärke, gab aber auch ein Signal, dass sie die Länderkammer nicht als reines Blockadeinstrument nutzen will.

Die Sitzung war deshalb von Bedeutung, weil die rot-rot-grüne Ländermehrheit bei Einspruchsgesetzen die Möglichkeit hatte, den Vermittlungsausschuss anrufen. Da der Bundestag aber vor der Wahl nicht mehr zusammenkommt, kann er die Einsprüche des Bundesrates nicht mehr mit der dafür notwendigen Kanzlermehrheit zurückweisen. Da diese Gesetzesvorhaben bis zum Ablauf der Wahlperiode nicht endgültig verabschiedet sind, verfallen sie (Diskontinuität). Die neue Bundesregierung müsste in der nächsten Legislaturperiode jeweils ein neues Gesetzesvorhaben starten.

Die einzelnen Entscheidungen im Überblick:

  • Der Bundesrat hat die Gesetzespläne zur Begrenzung von Managergehältern gestoppt. Die Länderkammer rief dazu den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an und ließ das Vorhaben damit scheitern. Ursprünglich war vorgesehen, künftig zusätzliche Kontrollrechte für die Aktionäre von börsennotierten Unternehmen einzuführen - als Reaktion auf die Empörung über ausufernde Managergehälter. Demnach sollte in Zukunft die Hauptversammlung einmal jährlich über die Vergütung des Vorstands entscheiden und nicht mehr allein der Aufsichtsrat. Eine gesetzliche Obergrenze für die Managergehälter war nicht vorgesehen. Im Bundesrat kam jedoch Kritik aus dem Lager der von SPD, Grünen und Linken geführten Länder. Sie werteten die Pläne als wirkungslos und unzureichend.
  • Abzocker im Internet werden es künftig schwerer haben, an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Der Bundesrat ließ das Gesetz zur Einschränkung unseriöser Geschäftspraktiken ohne Aussprache passieren, mit dem überzogene Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen gestoppt und bei 155,30 Euro gedeckelt werden. Zudem sind künftig im Internet oder per Telefon abgeschlossene Verträge mit Glücksspielanbietern nur noch dann gültig, wenn sie schriftlich bestätigt werden. Für Inkasso-Unternehmen und Telefonwerbung gelten künftig strengere Regeln. Damit diese auch befolgt werden, sind die Bußgelder deutlich erhöht worden.
  • Die Gesetzespläne gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel wurden gestoppt. Die Länderkammer rief auch hier den Vermittlungsausschuss an. Union und FDP hatten eine Änderung des Gewerberechts vorgesehen, um Zwangsprostitution in Deutschland einzudämmen. Bordellbetreiber sollten künftig unter anderem schon bei der Anmeldung ihres Gewerbes eingehend überprüft werden. Darüber hinaus waren Auflagen zum Schutz der Prostituierten geplant und eine Verschärfung des Strafrechts zum Menschenhandel. Die von SPD, Grünen und Linken geführten Länder kritisierten die Pläne jedoch als unzureichend.
  • Die Reform des Flensburger Punktesystems für Verkehrssünder steht. Der Bundesrat stimmte den Details zu, die in einer Verordnung geregelt werden. Damit werden Geldbußen für bestimmte Verstöße angehoben, etwa fürs Handytelefonieren am Steuer oder fehlende Winterreifen. Außerdem wird festgelegt, welche Delikte künftig je nach Schwere im neuen System mit einem, zwei oder drei Punkten bewertet werden. Bisher gilt eine Skala von eins bis sieben Punkten. Der Führerschein wird künftig nach acht statt 18 Punkten entzogen. Das neue System soll zum 1. Mai 2014 in Kraft treten.
  • Dem zunehmenden Missbrauch von Werkverträgen soll ein Riegel vorgeschoben werden. Einem Antrag der rot-grün regierten Länder stimmte die Länderkammer zu. Darin werden schärfere gesetzliche Regelungen und mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte vorgeschlagen. Nun wird sich der nächste Bundestag mit dem Gesetzentwurf beschäftigen müssen. Ins Gerede kamen Werkverträge, weil Betriebe dazu übergingen, Arbeit nicht mehr von eigenem Personal oder Leiharbeitern erledigen zu lassen, sondern von Fremdpersonal auf der Basis von Schein-Werkverträgen. Für die Betroffenen sind sie durchweg mit Nachteilen verbunden: Sie arbeiten nicht nur zu Niedriglöhnen, ihnen werden auch die für Arbeitnehmer üblichen tariflichen Rechte vorenthalten.
  • Die Bekämpfung der Ärztekorruption wird vorläufig nicht verschärft. Der Bundesrat hat das Präventionsgesetz der schwarz-gelben Bundestagskoalition nicht passieren lassen und den Vermittlungsausschuss angerufen. Die Regelungen gegen Ärztekorruption sind Teil des Präventionsgesetzes, das höhere Investitionen der Krankenkassen in die Vorbeugung von Krankheiten vorsieht. Die Länder kritisieren dies und fordern zwei getrennte Gesetze. Sie verlangen auch, dass die Kosten für die Prävention nicht allein die Krankenkassen tragen müssen.
  • Das Bildungssparmodell der schwarz-gelben Koalition ist im Bundesrat endgültig gescheitert. Die Länderkammer rief auch hier mehrheitlich den Vermittlungsausschuss an. Das Gesetz sah vor, dass die Empfänger von Betreuungsgeld diese Leistung auch zum Bildungssparen oder zur privaten Altersvorsorge nutzen können - dies wird nun nicht möglich sein.
  • Vegane und vegetarische Lebensmittel sollen in Zukunft besser gekennzeichnet werden. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung auf, bei der EU eine baldige Regelung dafür anzumahnen. Die aktuellen Vorschriften ermöglichten es Verbrauchern nicht, sich über tierische Bestandteile zu informieren. Was vegan und vegetarisch ist, sei nicht gesetzlich bestimmt. Verbraucherverbände machen sich für klare Regeln stark, da tierische Zutaten teils "versteckt" seien. Viele vermuteten etwa nicht, dass Säfte Gelatine als Vitamin-Trägerstoff enthalten könnten.
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