Rot-Rot-Grün:Revolutionär für Thüringen, unmöglich im Bund

Die Linke leaders Kipping and Riexinger talk with party's top candidate in Thuringia state election, Ramelow, after news conference in Berlin

Bodo Ramelow mit Katja Kipping und Bernd Riexinger in Berlin. Das Bild ist vor den Landtagswahlen in Thüringen entstanden, als von Rot-Rot-Grün nur geträumt wurde.

(Foto: REUTERS)

Bodo Ramelow als Ministerpräsident in Thüringen - das wäre eine kleine Revolution. Gleichzeitig wäre es das Ende rot-rot-grüner Gedankenspiele für eine Bundesregierung 2017. Denn in Berlin läuft die Linke vor der SPD weg.

Kommentar von Nico Fried

Eigentlich ist diese Koalition ein Ding der Unmöglichkeit: Sie hat die knappste denkbare Mehrheit und damit eine Neigung zur Instabilität schon in den Genen. Sie stellt gängige politische Vorstellungen auf den Kopf, weil sie die Nachfolgepartei der SED in die Mitte rückt und dafür die einstige Volkspartei SPD zur Mehrheitsbeschafferin eines linken Ministerpräsidenten degradiert. Trotzdem wird Rot-Rot-Grün in Thüringen wahrscheinlich zustande kommen und vielleicht sogar funktionieren. Die Welt geht davon ganz gewiss nicht unter, allenfalls die Thüringer SPD, die freilich sehr viel tiefer nicht mehr sinken kann.

Für den Bund ist dieser Pakt von Erfurt ein Signal - aber nicht das, von dem jene Sozialdemokraten träumen, die sich 2017 aus dem Joch der großen Koalition befreien wollen. Im Gegenteil: Ein rot-rot-grünes Bündnis in Erfurt wird in aller Deutlichkeit aufzeigen, woran es den drei Parteien auf Bundesebene fehlt. Vor allem die SPD, die sich per Parteitagsbeschluss für die anderen Roten öffnete, hat in Berlin erkennen müssen, dass die Linke an diesem Angebot nicht interessiert ist. Bodo Ramelow, der designierte Ministerpräsident in Erfurt, ist auf die SPD zugegangen. Die Linke im Bund läuft vor ihr weg.

Macht doch, was ihr wollt

Weil Gelingen oder Scheitern der Koalition in Erfurt keine Auswirkung auf Berlin haben wird, grüßt die Bundes-SPD die Genossen in Thüringen mit einem ebenso entschiedenen wie gleichgültigen: Macht doch, was ihr wollt. Diese Indifferenz der Bundes-SPD steht im Gegensatz zu den Einmischungen, Drohungen und Verwünschungen, die das Gezerre um eine rot-rot-grünes Bündnis einst in Hessen hervorrief. Das hatte vor allem mit dem gebrochenen Wahlversprechen von Andrea Ypsilanti zu tun, nicht mit der Linken zu paktieren. Einen solchen Fehler kann die Thüringer SPD nicht mehr begehen, weil sie vor der Wahl nur versprochen hat, irgendwie an der Macht bleiben zu wollen: das Zünglein an der Waage. Eine rote FDP.

Ein zweiter Grund für das hessische Desaster war seinerzeit aber auch die Sorge der Sozialdemokraten in Berlin, den rot-rot-grünen Verdacht bis zur Bundestagswahl 2009 nicht mehr loszuwerden. Davor muss heute niemand mehr Angst haben. Es ist wahrscheinlicher, dass Wladimir Putin mit Petro Poroschenko Kasatschok tanzt, als dass im Bund Rot-Rot-Grün regiert.

Der größte Unterschied zwischen Berlin und Erfurt ist der Unterschied zwischen den Linken. Ramelow ist der unumstrittene Chef in seinem Laden. Er will regieren und ist dafür bereit, sich bis an die Grenze des Zumutbaren anzupassen. Gregor Gysi in Berlin ist nur noch ein Chef unter vielen. Vielleicht will er regieren, vielleicht auch nicht. Seinen Laden hat er schon lange nicht mehr im Griff - und als er jüngst erst für und dann gegen Waffenlieferungen an die Kurden war, wusste man nicht einmal mehr, ob Gysi weiß, was Gysi tut. Sein wichtigstes Machtinstrument ist die Drohung, dass er auch gehen kann, wenn es nicht nach seinem Willen läuft. Eine Linke ohne Gysi aber wäre wie "Wetten, dass..?" ohne Gottschalk.

Je wahrscheinlicher die Regierungsbeteiligung, desto gefährdeter die Existenz

Es ist irrig zu glauben, SPD und Grüne könnten in Erfurt einer Partei nicht die Hand reichen, die in der Ukraine-Krise so entgegengesetzte Positionen vertritt. Die Außenpolitik spielt im Landtag keine Rolle. Richtig ist aber, dass dadurch die Unverträglichkeit der außenpolitischen Positionen im Bund nicht aufgelöst, sondern noch schärfer konturiert wird. Wie ein Kanzler Sigmar Gabriel Koalitionspartner bändigen sollte, von denen der eine das Militär ablehnt, während der andere sich sogar deutsche Truppen im Irak vorstellen kann, wüsste Gabriel wohl selbst nicht. Es spricht freilich viel dafür, dass er es auch gar nicht mehr wissen will.

Ohnehin dürfte er nicht in die Verlegenheit kommen. Im aktuellen Bundestag gibt es zwar eine Mehrheit für SPD, Linke und Grüne. Aber nur, weil immer klar war, dass diese Mehrheit nicht regieren wird. Wäre dies vor der nächsten Bundestagswahl anders, finge die linke Mehrheit gleich an zwei Stellen an zu bröseln. Denn die Linke im Bund legitimiert sich mit Radikalopposition - je wahrscheinlicher eine Regierungsbeteiligung, desto gefährdeter ihre Existenz, zumal die Linke anders als in Erfurt nicht den Regierungschef stellen könnte. Wenn aber die Protestpartei sich als Pro-System-Partei selbst zu verraten droht, gehen die Protestwähler eben nächstes Mal zur AfD.

Was aber einer SPD passieren kann, die ein Bündnis mit der Linken nicht ausschließt, ist vielleicht die wichtigste Lektion, die Gabriel aus der Landtagswahl in Thüringen lernen kann: minus sechs Prozentpunkte. Das wirkliche Signal von Erfurt ist für die SPD kein Aufbruch-, sondern ein Warnsignal: Rot-Rot-Grün im Bund, das ist wirklich ein Ding der Unmöglichkeit.

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