Rot-Grüne Sozialreformen:"Hartz" ist out

Warum die SPD den Begriff "Hartz" nicht mehr für die Reformen am Arbeitsmarkt verwenden will. Demonstranten in 140 Städten protestieren allerdings nicht gegen den Namen, sondern gegen die Inhalte.

Zur Begründung sagte SPD-Chef Franz Müntefering: "Der Begriff "Hartz" sagt nichts zum Inhalt und führe nur zu Missverständnissen." Man müsse den Menschen klarer machen, dass es um die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gehe. "Das ist die Botschaft."

Weitere Änderungen an der mit den Reformen geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe lehnte Müntefering ab. Der SPD-Chef: "Das Gesetz selbst ist beschlossen und gilt so. In einigen Jahren wird man sich eventuell das eine oder andere Detail noch mal ansehen."

Clement gegen generelle Mindestlöhne

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat sich derweil gegen gesetzliche Mindestlöhne für alle Branchen ausgesprochen. Ein genereller Mindestlohn sei nicht nötig, sagte der SPD-Minister in der ARD. Er halte sehr viel von der Tarifhoheit der Gewerkschaften, die in den Tarifverhandlungen bereits eine Art von Mindestlohn aushandelten, an dem sich alle orientieren sollten.

Nach Clements Ansicht ist nur in der Bauwirtschaft der Mindestlohn sinnvoll. In diesem Sektor sei dies damit zu rechtfertigen, dass es einen starken Druck durch illegale Beschäftigung gebe.

Trotz der Proteste gegen Hartz IV zeigte sich Clement weiter optimistisch. "Ich glaube, dass wir eine Phase erreichen, in der auch Hartz IV wieder positiv klingt", sagte der SPD-Politiker.

Gewerkschaften skeptisch

SPD-Chef Franz Müntefering hatte am Wochenende den Gewerkschaften angeboten, die Zumutbarkeitsregeln der Arbeitsmarktreform Hartz IV mit gesetzlichen Mindestlöhnen zu mildern. Gewerkschaftsvertreter äußerten sich aber skeptisch: "Wir schlagen vor, hier die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen als eine Lösung anzusehen", sagte IG-Metall-Chef Jürgen Peters im WDR. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer hatte am Wochenende gesagt, dass die Chancen auf Veränderungen bei Hartz größer seien als für einen Mindestlohn.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer begrüßte dagegen den Vorschlag. In der Rheinischen Post sagte er, dass die Gewerkschaften die Idee mittragen sollten. "Ich bin absolut überzeugt, dass es notwendig ist, Mindestlöhne gesetzlich zu garantieren, um der Gefahr einer ständigen Abwärtsspirale und eines Lohndumpings zu begegnen", sagte Bütikofer.

Merz bekennt sich zur Reform

Nach harscher Kritik aus der Union mehren sich wieder die positiven Stimmen zu Hartz IV. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz stellte sich ausdrücklich hinter die Reform. In der ARD sagte Merz, er habe keinen Zweifel daran, dass die Grundsatzentscheidung der Bundesregierung richtig sei, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Der CDU-Politiker kritisierte jedoch Fehler bei der Informationspolitik der Regierung.

Die CDU-Spitze berät seit Montagvormittag in Brandenburg an der Havel über den Kurs der Partei zu der umstrittenen Arbeitsmarktreform Hartz IV. Die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten und CDU-Landeschefs haben dazu ein Papier vorgelegt. Darin werden zur Abfederung der Reform im Osten ergänzende Hilfen vom Bund verlangt. Unter anderem sollen Lohnkostenzuschüsse für gering Qualifizierte gezahlt werden, um so mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Wirtschaftsweiser Bofinger: Hartz löst die Probleme nicht

Inzwischen hat sich der "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger mit Kritik am Reformprogramm der Regierung zu Wort gemeldet. Er hält die Hartz-Gesetze für ungeeignet, die Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu lösen.

Die Reform gehe davon aus, dass es den Arbeitslosen an Arbeitsanreizen fehlt. Daher werde nun der Druck erhöht. "Größere Anreize oder stärkerer Zwang helfen nichts, wenn es keine offenen Stellen gibt", sagte Bofinger.

Müntefering: Lafontaine soll nicht andere instrumentalisieren

Im Streit um den früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine verwies Franz Müntefering auf die Grenzen der SPD-Mitgliedschaft, die Werbung für andere Parteien verbiete. Müntefering forderte Lafontaine auf: "Er soll helfen und nicht selbstverliebt andere instrumentalisieren."

Demonstrationen in 140 Städten erwartet

Der Protest gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV wird heute wieder auf die Straße getragen. Zu "Montags-Demonstrationen" in bundesweit etwa 140 Städten erwarten die Veranstalter noch mehr Menschen als vergangene Woche. Meistens in den neuen Ländern hatten fast 100.000 Personen demonstriert.

Nach Informationen des globalisierungskritischen Netzwerks attac wurden nach dem starken Zulauf in der Vorwoche erneut in mindestens 140 Städten Demonstrationen und Kundgebungen angemeldet. Dabei sei im Westen ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen.

In Berlin erwarten die Veranstalter über 30.000 Demonstranten. Dort gibt es zwei Protestzüge: Der eine zieht erneut vor die Parteizentrale der SPD, der andere vor das Bundesbüro der Grünen, um deren Mitverantwortung für Hartz IV zu zeigen.

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