Süddeutsche Zeitung

NRW: Minderheitsregierung:"Wir werden rasch Konsequenzen ziehen"

Kraft-Probe in NRW: Sollte die Linke den Antrag auf Abschaffung der Studiengebühren im Landtag nicht passieren lassen, droht die Ministerpräsidentin mit vorzeitigen Neuwahlen.

Bernd Dörries

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat der Linken mit vorzeitigen Neuwahlen gedroht, sollte sie den Antrag auf Abschaffung der Studiengebühren im Landtag nicht passieren lassen. "Sollte sie uns tatsächlich an der Abschaffung der Studiengebühren hindern, werden wir rasch Konsequenzen ziehen. Wir scheuen uns nicht vor Neuwahlen, absolut nicht", sagte Kraft dem Spiegel.

Über das Ende des von der schwarz-gelben Vorgängerregierung eingeführten Semesterbeitrages soll im Frühjahr im Landtag abgestimmt werden. Der rot-grünen Koalition fehlt eine Stimme zur Mehrheit, sie ist darauf angewiesen, dass sich mindestens zwei Abgeordnete der Linken der Stimme enthalten.

Inhaltlich sind die Unterschiede zwischen der Minderheitsregierung und den Linken nicht sehr groß, Kraft will die Studiengebühren zum Wintersemester 2011 abschaffen, die Linken bereits für den Sommer. Die neu in den Landtag gewählten Linken stehen allerdings innerparteilich unter großem Druck, ihre Unabhängigkeit zu beweisen. Teile der Basis werfen der Landtagsfraktion vor, der rot-grünen Regierung zu gefällig zu sein.

Der Ärger erreichte seinen Höhepunkt, als sechs Linken-Abgeordnete im Dezember dem Haushalt von Rot-Grün ihre Stimme gaben, obwohl in monatelangen Beratungen mit der Basis zuvor eine Enthaltung vereinbart worden war. Fraktionschef Wolfgang Zimmermann nannte die Zustimmung eine technische Panne. Als die Fraktion dann beschloss, dass man die Studiengebühren nicht unbedingt sofort abschaffen müsse, widersprachen Landesvorstand und Basis: Sie wollen die Beiträge sofort kippen.

Zimmermann steht nun vor dem Problem, einen erneuten Konflikt mit der Basis zu riskieren; oder Neuwahlen zu verursachen und damit das Risiko, schon nach kurzer Zeit wieder aus dem Landtag zu fliegen. Bei der SPD ist man sich sicher, dass die Linken letztlich zu große Angst vor Neuwahlen haben und das rot-grüne Vorhaben durchwinken werden.

Ins Schlingern geraten

Doch selbst wenn Kraft sagt, sie scheue Neuwahlen nicht - sonderlich begeistert ist kaum jemand in der SPD über diese Aussicht. Denn die noch am Jahresende stabile Minderheitsregierung ist ins Schlingern geraten, nachdem der Verfassungsgerichtshof in Münster per einstweiliger Anordnung untersagt hat, für den Nachtragshaushalt 2010 neue Schulden aufzunehmen, bis endgültig über dessen Verfassungsmäßigkeit entschieden ist. 2011 wollte Kraft ursprünglich 7,8 Milliarden Euro neue Schulden machen und ist durch das Gericht zum Umdenken gezwungen worden.

Die Regierungschefin will nun doch einsparen. Nachdem sie stets erklärt hatte, es gebe im Haushalt keinerlei Einspar-Potential, soll der Etat jetzt um 400 Millionen Euro gekürzt werden. Am Personal wird nicht gespart, weil dann die Linke dem Haushalt nicht zustimmen würde. Also sollen sich viele kleine Posten summieren. "Wir werden den Digitalfunk bei der Polizei preiswerter einführen können. Das spart uns fast 60 Millionen Euro. Bei der Umstellung der Kostenrechnung im Haushalt kürzen wir über sechs Millionen. Oder wir stoppen die Privatisierung von Küchen und Auto-Werkstätten bei der Polizei, die uns 1,2 Millionen Euro kosten soll", sagt Kraft im Spiegel.

Aber mit einer Rekord-Neuverschuldung von 7,4 Milliarden Euro - bei sehr gutem Wirtschaftswachstum - läuft auch dieser Haushalt Gefahr, für verfassungswidrig erklärt zu werden, weil die Schulden höher sind als die Investitionen. Kraft fordert deshalb erneut eine Diskussion um den Investitionsbegriff: Es könne nicht sein, dass Ausgaben für Maschinen und Beton Investitionen seien, solche für Bildung aber nicht. Grundsätzlich sehe sie keinen anderen Weg, als heute Schulden zu machen, in Bildung zu investieren und auf Mehreinnahmen in der Zukunft zu hoffen.

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SZ vom 07.02.2011/aho
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