Süddeutsche Zeitung

Stellvertreter-Kandidaten der US-Republikaner:Wer wird Romneys Vize?

Eine Frau, einen Sohn indischer Einwanderer oder ein Tea-Party-Idol: Wen auch immer US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney zu seinem Vize macht, er trifft damit eine wichtige strategische Entscheidung im Duell gegen Obama. Diese Republikaner sind in der engeren Wahl.

Christian Wernicke, Washington

Die Außenpolitkerin

George W. Bush verehrte seine "Condi", pries die Politikprofessorin und Russlandexpertin von der Stanford University einst als seine "Vertraute". Doch genau diese Nähe zum 43. US-Präsidenten trübt die Aussichten der prominentesten schwarzen Republikanerin, ins Machtzentrum in Washington zurückzukehren.

Das Antlitz der ehemaligen Sicherheitsberaterin und Außenministerin erinnert Millionen Amerikaner bis heute an den vermaledeiten Irak-Krieg und überhaupt an die Bush-Ära, die mit einer Finanzkrise endete, unter deren Folgen das Land bis heute darbt.

Mitt Romneys Ehefrau Ann soll ihn bedrängt haben, erstens eine Frau und zweitens Rice als Vize zu erwägen. Und obwohl Rice unermüdlich sagt, sie wolle das Amt nicht - die Gerüchte halten sich, dass Romney sich mit ihr die außenpolitische Kompetenz erwerben wolle, an der es ihm bisher mangelt.

Gegen Rice, die als Kind im rassistisch vergifteten Alabama aufwuchs, spricht freilich, dass sie keinerlei Wahlkampf-Erfahrung hat. Die 57-Jährige wurde für ihre Posten stets nominiert. Zudem würde Romney einen schlagkräftigen Teil der republikanischen Basis verprellen: Rice befürwortet das Recht auf Abtreibung - weshalb die Gegner dieses Rechts bereits drohen, Romney mit dieser Frau an seiner Seite die Gefolgschaft zu verweigern.

Tim Pawlenty gilt als "Mr. Nice Guy" der Republikaner. Er lächelt immer, weshalb viele den Ehrgeiz des Ex-Gouverneurs von Minnesota unterschätzen. Seit knapp einem Jahr ist der 51-jährige Jurist nun ohne Amt oder Arbeit, seine Präsidentschaftskandidatur gab er auf, nachdem er sich in einer TV-Debatte blamiert hatte: Pawlenty scheute sich, zuvor geäußerte Polemiken gegen Mitt Romney in dessen Anwesenheit zu wiederholen. Nun zieht er als eifriger Romney-Verehrer übers Land, im Gegenzug half der Multimillionär, Pawlentys Wahlkampfschulden abzustottern.

Romney und Pawlenty verbindet mittlerweile eine zwischen Politikern eher unübliche Sympathie. Pawlenty gilt als Technokrat, wie Romney gab er aber (etwa beim Klimaschutz) dem Druck der Partei nach und wandte sich nach rechts. Was die beiden Männer unterscheidet, könnte Romney nützen: Pawlenty, der evangelikale Protestant, genießt bei der christlichen Rechten genau das Vertrauen, das dem Mormonen fehlt.

Und ein Vize Pawlenty, aufgewachsen im Gestank der Schlachthöfe von Saint Paul, wäre ein volksnaher Kontrast zu Romneys arg elitärem Image. Nur, wirklich mitreißen kann der Biedermann kaum jemanden. Schon John McCain, Spitzenkandidat anno 2008, wog Pawlenty als Vize - und befand: zu nett.

Rob Portmans größte Stärke ist zugleich seine ärgste Schwäche: Dem 56 Jahre alten Senator eilt der Ruf voraus, er sei "der ultimative Insider" in Washington. Der alerte Jurist und Zahlen-Freak kennt die Gänge und Hinterzimmer der US-Hauptstadt: Vor 23 Jahren begann er als Rechtsberater im Weißen Haus von George H. W. Bush, später verdingte er sich kurz als Lobbyist, ehe er 1993 als Abgeordneter ins Repräsentantenhaus einzog und sich dort den Ruf eines gemäßigten Pragmatikers erwarb.

Unter George W. Bush kehrte Portman in die Administration zurück, diente erst als Handelsbeauftragter, dann als Budgetdirektor. Der Mann mit dem grauen Seitenscheitel gilt als Künstler des Kompromisses - aber das ist in Zeiten, da das Wahlvolk voller Abscheu nach Washington blickt, ein Makel: Die Parteibasis und zumal die Tea-Party-Bewegung wünschen sich mehr Feuer, als in Portman brennt.

Für ihn als Romneys Vize spricht das ähnliche politische Temperament. Der leidenschaftliche Kajakfahrer, der einst auf Chinas Flüssen paddelte, beeindruckt mit Kompetenz und Zähigkeit, nicht mit Charisma. Und der Unternehmersohn hat ein Pfund, das kein Konkurrent aufwiegen kann: Er stammt aus Ohio, jenem umkämpften Bundesstaat, ohne den noch kein Republikaner ins Weiße Haus kam.

Bobby Jindal, der dunkle Mann aus dem tiefen Süden, wäre die kalkulierte Überraschung: Sollte Romney wider Erwarten diesen Sohn indischer Einwanderer zu seinem Adlatus machen, hätte er das Zeichen gesetzt, dass seine bis dato so perfekte wie konventionelle Kampagne mehr Risiko wagen will.

Und mehr Farbe: Jindal, erfolgreicher Gouverneur von Louisiana, wäre rein äußerlich das Signal, dass die Republikaner mehr sein wollen als nur die Partei der weißen Mehrheit, die laut Prognose binnen einer Generation nur noch die größte Minderheit im Land sein wird. Die Macht der Ethnien in Amerikas Politik wächst, und Bürger indischer Abstammung gelten als erfolgreichste Minorität.

Dabei ist Jindal, der als Jugendlicher vom Hinduismus zum Katholizismus konvertierte, auf den zweiten Blick ein typischer Konservativer. Der 41 Jahre junge Republikaner, der Mitte des vergangenen Jahrzehnts kurz auch als Kongressabgeordneter in Washington agierte, lehnt Abtreibung wie Schwulenehe ab. Als Gouverneur senkte er Steuern und bekämpfte linientreu Obamas Gesundheitsreform.

Sein Aufstieg erlitt 2009 einen bis heute spürbaren Rückschlag: Jindal durfte namens der Partei im Fernsehen auf Präsident Obamas Rede zur Lage der Nation antworten - und langweilte Millionen Landsleute mit seinem Referat.

Paul Ryan ist der Vordenker, ja der Chefideologe der Republikaner in Washington. Die gesamte "Grand Old Party" hat sich seinem marktradikalen Programm verschrieben. Wer seinen Thesen im parteiinternen Vorwahlkampf widersprach, wurde von der Basis abgestraft. Also hat auch Mitt Romney brav seinen Schwur geleistet auf Paul Ryans Lehre von drastischer Haushaltssanierung, Sozialkürzungen und einer Abschaffung der staatlich garantierten Krankenversicherung für US-Senioren.

Barack Obama, der demokratische Präsident, adelte den erst 42 Jahre alten Kongressabgeordneten aus Wisconsin bereits als seinen spirituellen Widerpart: Der Präsident zitiert gern und viel aus Ryans Schriften - um wankelmütige Wähler vor dem zu warnen, was da kommen würde, falls Romney ins Weiße Haus einzöge.

Ryans kreative Intelligenz und sein unermüdlicher Fleiß ringen im Kongress auch vielen Demokraten Respekt ab. Der Fitness-Fanatiker ist ein Idol der Tea-Party, obwohl er gegen Ende der Bush-Ära dafür stimmte, strauchelnde Großbanken an der Wall Street und die Autokonzerne in Detroit mit Staatsmilliarden vor der Zusammenbruch zu bewahren. Falls Romney diesen Streiter zum Vize macht, wäre das ein weiteres Signal, dass Amerika ein Lagerwahlkampf und ein Kulturkrieg droht.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2012/str/gba
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