Süddeutsche Zeitung

Romneys Fehler im US-Wahlkampf:Selbst sein größter Feind

Lesezeit: 3 min

Eine Panne reiht sich an die nächste. Mitt Romney hat sich das Leben Im US-Wahlkampf mit großen Fehlern selbst schwer gemacht. Nun hat er noch drei Gelegenheiten, die Trendwende zu schaffen. Er muss Barack Obama zu Ausrutschern zwingen.

Nicolas Richter, New York

Die Romneys können bestätigen: Läuft es einmal miserabel, dann richtig. Vor einigen Tagen musste das Flugzeug Ann Romneys nach einem Brand notlanden. Ihr Mann Mitt, der zurzeit eher mühevoll um die Präsidentschaft kämpft, wollte den Ernst der Lage später mit ein paar launigen Bemerkungen erklären: "In die Flugzeugkabine kommt ja kein Sauerstoff von draußen, weil sich die Fenster nicht öffnen lassen. Ich weiß nicht warum, das ist ein echtes Problem."

Was humorvoll und abgeklärt klingen sollte, brachte Romney wieder einmal Spott ein: Ein Anwärter aufs Weiße Haus fordert Flugzeuge mit offenen Fenstern! Und wenn es ein Witz war: Warum versteht ihn niemand?

Mitt Romney hat nun drei Gelegenheiten, einen Trend zu wenden, der seit Wochen zu seinen Ungunsten ausfällt. Auf die erste Fernsehdebatte mit Präsident Barack Obama an diesem Mittwoch zur Innen- und Wirtschaftspolitik folgen im Oktober zwei weitere: Am 16. müssen beide Kandidaten vor Saalpublikum die Fragen von Bürgern beantworten, am 22. streiten sie über Außenpolitik. Zwischendurch, am 11. Oktober, treffen die Vize-Kandidaten Joe Biden und Paul Ryan aufeinander. Millionen Amerikaner werden zusehen und etliche schadenfroh darauf warten, dass einer der Duellanten die Fassung verliert.

Betrachtet man die Ausgangslage, reicht es Romney nicht, keinen Fehler zu machen. Vielmehr muss er Obama zum Fehler zwingen. Romney braucht eine Wende, seit einem Monat hat er nur schlechte Nachrichten hinnehmen müssen. Während eine Panne auf die nächste folgte, fiel er in den Umfragen immer weiter zurück.

Nach der jüngsten Erhebung von Washington Post und ABC liegen Obama (49 Prozent) und Romney (47) bundesweit fast gleichauf. Trostlos für den Herausforderer aber sind die Zahlen in den "swing states", deren Bürger von Wahl zu Wahl anders entscheiden; dort steht es im Schnitt 52 zu 41 für Obama.

Diese Zahlen sind relevanter, weil der Präsident von Wahlmännern aus den einzelnen Staaten gewählt wird, wobei der führende Kandidat im jeweiligen Staat alle Wahlmänner gewinnt. Wenn Romney Präsident werden wollte, müsste er zum Beispiel den von weißen Arbeitern geprägten Staat Ohio gewinnen sowie Florida, wo Rentner und Latinos zu den großen Wählergruppen zählen. In beiden Staaten aber ist Romney trotz intensiven Wahlkampfs zurückgefallen.

Der Internetseite Real Clear Politics zufolge, die den Durchschnitt diverser Umfragen berechnet, liegt Obama in Ohio mit 5,6 Prozentpunkten vorne, in Florida mit 3,2. Er führt auch in Virginia, Wisconsin, North Carolina.

Romney hat sich in letzter Zeit selbst das Leben schwergemacht. Erst ließ er sich von Clint Eastwood die Show stehlen beim Parteitag in Tampa. Während der Unruhen in Nordafrika dann machte Romney dem Präsidenten übereilt Vorwürfe, was ihn alles andere als staatsmännisch aussehen ließ. Schließlich tauchte der verheerende Videofilm auf, der Romney dabei zeigte, wie er fast die Hälfte der Wählerschaft als Sozialschnorrer beschimpfte.

All diese Rückschläge hindern Romney daran, dem Land zu erklären, was er vorhat. Noch immer ist unklar, wie und für wen er die Steuern senken, wie er den Haushalt ausgleichen würde, oder wie er mit China, Russland und Iran umgehen würde. Gut einen Monat vor der Wahl wissen viele Wähler noch immer nicht, wofür Romney steht. Vizekandidat Paul Ryan hat das Bild eher unschärfer gemacht.

Eigentlich sollte er für Haushaltsdisziplin und Einschnitte im Sozialsystem stehen. Zunehmend aber rückt Romney von den größten Zumutungen im Programm seines Parteifreundes ab. Andererseits klagen Leute vom rechten Flügel der Republikaner, Ryan wirke nach anderthalb Monaten an Romneys Seite schon viel zu zahm.

Im ersten Streitgespräch mit Obama muss Romney also beweisen, dass er die Mittelschicht versteht und einen Plan hat, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung zu senken. Bleibt er zu vage, wird Obama ihm vorwerfen, vage zu sein; wird er zu konkret, wird Obama ihm soziale Kälte vorhalten.

Doch Romney ist nicht chancenlos. Während der Vorwahlen schlug er seine Konkurrenten in ähnlichen Debatten deutlich, was daran lag, dass er seriös und vertrauenswürdig wirkte. Er hat sich nun für die Vorbereitung viel Zeit genommen.

Obama ist ein anderer Gegner, aber auch er ist angreifbar. Romney kann ihm die Wirtschaftslage vorwerfen oder das Regierungsdurcheinander nach dem Anschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi. Das Weiße Haus hatte erst von einem Exzess wütender Demonstranten gesprochen, erst später räumte es ein, dass offenbar Terroristen zugeschlagen hatten.

Die Terrorversion ist für Obama weniger schmeichelhaft, weil er seine außenpolitische Bilanz gern mit Erfolgen gegen al-Qaida schmückt, etwa der Tötung Osama bin Ladens. Nun werfen ihm die Republikaner vor, die Öffentlichkeit über die Urheber des Terrors in Bengasi getäuscht zu haben.

Mitt Romney gilt also als gut gerüstet. Auf ein Stilmittel aber, das zuletzt oft seine Wirkung verfehlte, sollte er verzichten: auf Humor.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2012
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