Romney-Strategie:Befreit vom rechten Ballast

Lesezeit: 5 min

Monatelang hat Mitt Romney den harten Rechtsaußen gegeben, getrieben von der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung. Ausgerechnet im Fernsehduell gegen Präsident Barack Obama rückte der Herausforderer wieder in die Mitte - und legt seither in Umfragen zu.

Nicolas Richter, Washington

Mitt Romney hat eine schwierige Beziehung zur Tea Party, auch wenn sie eigentlich aus seiner Wahlheimat Boston stammt. Aus Protest gegen das britische Zollrecht kippten 1773 die Bürger einst drei Schiffsladungen Tee ins Meer. Die heutige Tea Party allerdings, eine rechtspopulistische Bewegung, macht dem Moderaten Politiker Romney das Leben schwer. Sie diktiert den Republikanern eine radikale Agenda, die nicht zu Romney passen will. Am vergangenen Mittwoch nun hat Romney in der Fernsehdebatte mit Präsident Barack Obama seine eigene Tea Party gefeiert: Er warf gleich die ganze Tea Party über Bord.

Republican presidential nominee Romney greets audience members at a campaign rally in St. Petersburg

Zurück in der Mitte: der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney während eines Wahlkampfauftritts in St. Petersburg, Florida.

(Foto: REUTERS)

Romney entsorgte Steuersenkungen für Reiche ("Leuten mit hohem Einkommen geht es gut"), trennte sich vom ungezügelten Kapitalismus ("Regulierung ist wesentlich") und pries seine Gesundheitsreform in Massachusetts als "Vorbild für das Land", obwohl sie identisch ist mit der Krankenversicherung von Präsident Obama. Am Ende der Debatte gab sich Romney wieder so, wie er einst in der Politik angefangen hatte: als Moderater und Moderator. Er wirkte befreit vom rechten Ballast, derweil der Präsident nur zuschaute.

In Gedanken war Obama vielleicht bei seiner Frau Michelle, mit der er an diesem Tag den 20. Hochzeitstag feierte. Er hatte sich vorgenommen, weder zornig noch arrogant zu wirken, aber er wirkte gar nicht. Obama soll am nächsten Morgen, als er sich im Fernsehen sah, entsetzt gewesen sein. Glaubt man den Umfragen, steigen Romneys Werte seitdem, während Obamas fallen. Der Herausforderer hat den Trend gedreht. Das Gefährliche für Obama ist, dass Romney endlich einen Ton und eine Botschaft gefunden hat, mit denen er in der Mitte Stimmen gewinnt, statt dort nur als Sonderling zu gelten.

Es ist schwer auszumachen, wo Romneys Überzeugungen liegen. In einem Videofilm, der kürzlich aufgetaucht war, nannte er 47 Prozent der Wähler Schmarotzer, es entsprach der Karikatur vom unmenschlichen Business-Roboter, den Obamas Wahlkampagne von ihm zeichnet. Nach der Fernsehdebatte warf Romney auch diese Bilder von sich selbst weg: Sein Geschwätz, erklärte er schuldbewusst, sei schlicht daneben gewesen. Zu seinen Gunsten kann man annehmen, dass die Bemerkungen vor reichen Spendern fielen und er insofern nur tat, was er immer tut: Jedem Publikum das sagen, was es gerade hören will.

Romney hat als Chef des Finanzinvestors Bain Capital Karriere gemacht, seine politischen Ambitionen entdeckte er spät. Diese Konstellation ließ ihm vor allem in der Mitte Platz: Als Manager löse er Probleme, statt einer Parteiagenda zu folgen. So kandidierte Romney einst für den Posten des Gouverneurs von Massachusetts. Als Republikaner, der in einem sehr demokratischen Staat antritt, distanzierte er sich von seiner Partei, nannte sich gemäßigt bis progressiv.

Selbst die Demokraten hofften auf ein erfrischendes Experiment: Romney galt als unideologisch, ergebnisbezogen, als jemand, der keine Spielchen spielte. Tatsächlich setzte er in seiner Zeit als Gouverneur von 2003 bis 2007 die Krankenversicherung für alle durch, aber was heißt durchsetzen: Es war ein Traum der Demokraten, die beide Kammern des Parlaments beherrschten. Immerhin war es ein Ergebnis. Dass die Menschen am Ende von ihm enttäuscht waren, lag daran, dass er die meiste Zeit andere Bundesstaaten bereiste, um sich als künftiger US-Präsident in Stellung zu bringen. In dieser Zeit erkannte er, dass er als Abtreibungsbefürworter nie ins Weiße Haus gelangen würde (jedenfalls nicht als Republikaner), und erklärte sich plötzlich für "pro-life".

Von da an rückte Romney nach rechts. In den Vorwahlen 2008 war die Mitte von John McCain und Rudolph Giuliani besetzt, also versuchte sich Romney rechts von ihnen, wo er aber noch weiter rechts von Mike Huckabee überholt wurde. Romney analysierte seine Fehler und erkannte, dass niemand begriffen hatte, wofür er stand. Also schrieb er das Buch "Keine Entschuldigung", in dem er sich als neuer Ronald Reagan darstellte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema