Süddeutsche Zeitung

Rolle der First Lady:Weiblich widersprüchlich

Einerseits hat die First Lady eine der einflussreichsten Positionen in der US-Politik - andererseits hat sie keiner gewählt. Es ist eine ambivalente Rolle, der Michelle Obama gerecht werden muss.

Barbara Vorsamer

Alle Welt wird am 20. Januar auf Barack Obama blicken, der an diesem Tag als US-Präsident vereidigt und damit zum mächtigsten Mann der Welt wird. Michelle Obama wird so zu Amerikas First Lady.

Ehefrau des US-Präsidenten zu sein ist eine Rolle voller Widersprüche, denn was die First Lady muss, was sie kann und vor allem was sie darf - diese Fragen sind fast so alt wie die Nation.

Und meistens ist sie der Bevölkerung zu einflussreich. Eines der Probleme der Position ist nun mal, dass die First Lady ihr Amt qua Heirat bekommt. So schreibt die Politikwissenschaftlerin Betty Winfield: "No one - yet anyone - elected her." Heißt: Niemand hat sie gewählt, doch irgendwie auch jeder. Denn schon im Wahlkampf spielen die Ehepartner der Kandidaten eine so wichtige Rolle, dass die Behauptung, jeder Wähler würde sie mitwählen, auch irgendwie stimmt.

Schon Abigail Adams, die zweite First Lady der USA, war den Amerikanern zu einflussreich. Historischen Quellen zufolge diskutierte sie regelmäßig mit ihrem Ehemann über Politik und sprach, wenn sie die Regierung meinte, von "uns" und "wir". Eleanor Roosevelt ging im 20. Jahrhundert noch weiter: Sie hielt Reden vor dem Abgeordnetenhaus und brachte ihren Mann dazu, mehr Frauen in politische Ämter zu berufen.

In gewisser Weise ist das Verheiratetsein mit dem amerikanischen Präsidenten ebenfalls ein politisches Amt. Ein "Gesetz über das Personal des Weißen Hauses" aus dem Jahr 1967 trägt dieser Tatsache Rechnung. Es billigt der First Lady einen eigenen Beraterstab und ein eigenes Budget zu. Sie selbst jedoch bekommt keine Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit.

Heutzutage ist der Einfluss der First Lady mit dem eines Kabinettsmitglieds gleichzusetzen. Ihr Budget und Personal übersteigt häufig die Ressourcen von Chefberatern und sogar des Vizepräsidenten.

Trotz politisch aktiver Vorgängerinnen wie Abigail und Eleanor regte sich die Nation in den neunziger Jahren über Hillary Clinton auf, als wäre eine politisch aktive First Lady noch nie dagewesen. Mit ihren damals 45 Jahren war Hillary eine der jüngsten First Ladies, sie war die erste, die eine Eliteuniversität besucht und eine eigene Karriere hinter sich hatte.

Und sie war entschlossen, als Frau nicht nur zu repräsentieren und Plätzchen zu backen. Im Weißen Haus angekommen bezog sie mit ihrer Mannschaft mehrere Büros im East Wing und kämpfte von dort aus für ihre Ziele, darunter Kinderrechte, Frauenrechte und eine bessere Gesundheitsversorgung.

Lesen Sie weiter, warum Hillary Clintons Aktivitäten als First Lady sogar die Gerichte beschäftigten.

Soweit nichts Neues: Beraten, Reden redigieren, dem Ehemann in Nominierungen hineinreden und sich um soziale Belange kümmern, all das haben auch Hillary Clintons Vorgängerinnen bereits getan. Die Aufregung war vermutlich so groß, weil sie aus ihrem immensen Einfluss keinen Hehl machte und deswegen die konservativen Medien gegen sich aufbrachte.

Hillarys Aktivitäten als First Lady waren so mannigfach, dass sich schließlich auch die Gerichte mit ihr beschäftigen mussten, weil sie eine offizielle Arbeitsgruppe des US-Präsidenten zur Gesundheitsreform leitete.

Durfte sie das? Rechtlich ist die Position der First Lady äußerst unscharf. Amerikanische Gesetze verbieten, dass Familienmitglieder des Präsidenten politische Ämter übernehmen, ehrenamtliches Engagement in der Exekutive ist ebenfalls untersagt. Andere Rechtstexte wie das "Gesetz über das Personal des Weißen Hauses" sehen die Ehefrau des Präsidenten aber sehr wohl als Inhaberin eines politischen Amtes.

Bei so einer wirren Gesetzeslage verwundert es nicht, dass Hillary Clintons Einsatz in der Gesundheitstaskforce eine Klage nach sich zog. Das Gericht entschied: De facto ist die First Lady eine Angestellte im öffentlichen Dienst. Clintons Job war also rechtens.

Die Öffentlichkeit fällte ein ganz anderes Urteil über sie. Mit ihrem politischen Engagement machte sich First Lady Hillary mehr Feinde als Freunde, weswegen ihre Nachfolgern Laura Bush ihr Image als Ehefrau, Hausfrau, Mutter und maximal noch Bibliothekarin stilisierte.

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Michelle, "Mom-in-Chief"

Michelle Obama behauptet, es eher Laura Bush als Hillary Clinton gleichtun zu wollen. "Mom-in-Chief" wolle sie werden, also die oberste Mutter der Nation, schrieb sie im Magazin US News & World Report. Immer wieder betont die neue Frau im Weißen Haus, dass sie ihre Aufgaben als Mutter vor alles andere stelle. So erzählt sie zum Beispiel gerne eine Episode vom demokratischen Parteitag, auf dem sie in der wichtigsten Rede ihres Lebens erklärte, warum ihr Mann Barack ein außergewöhnlicher Präsident sein wird.

Auch ihre Töchter seien an diesem Abend aufgeregt gewesen, allerdings aus einem anderen Grund: "Mom", rief Malia ihrer Mutter zu, "wir müssen dir etwas Wichtiges sagen: Wir wollen eine Pyjama-Party veranstalten." Das habe sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, sagte Michelle Obama.

Es ist allerdings schwer zu glauben, dass die erfolgreiche Harvard-Absolventin sich wirklich völlig aus der Politik raushalten wird. Als First Lady ist sie eine der ganz wenigen Personen, die Barack Obama nicht voll Ehrfurcht als "Mr. President" sehen. Von ihr wird er am Frühstückstisch einen guten Rat und beim Gute-Nacht-Sagen eine ehrliche Meinung bekommen. Diese informelle Einflussnahme nennen amerikanische Politikwissenschaftler "Pillow Influence" (pillow = Kissen).

Davon unterscheiden sie die politische Einflussnahme (Reden schreiben, Ernennungen vorschlagen, et cetera) und öffentliche Stellungnahmen der First Lady. Auch diese Kanäle wird Michelle Obama nutzen, um ihre Ziele zu erreichen. So ist zum Beispiel weithin bekannt, dass die Juristin Barack Obamas Reden redigiert. Und in Interviews ist ihr auch schon mal der Satz "Ich werde an Lösungen mitarbeiten" rausgerutscht.

Ihre Themen sind die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Gleichberechtigung von Schwarzen und Frauen. Für diese Ziele sind Michelle und Barack nicht nur politisch aktiv, sondern auch Rollenmodelle. Schließlich besitzt die erste schwarze First Lady der USA einen Abschluss einer Ivy-League-Universität, hat lange als erfolgreiche Anwältin gearbeitet und mehr verdient als Barack. Dann aber stellte sie die Karriere ihres Mannes und das Wohl ihrer Kinder vor ihre Selbstverwirklichung.

Michelle und Barack, dass sind zwei schwarze Ehepartner mit zwei Jobs und zwei Kindern. Wie sie ihr Leben als US-Präsident und First Lady der USA im Weißen Haus organisieren, wird vieles verändern. Das Leben der beiden, das Bild einer modernen, schwarzen Familie - und auch die Ämter der beiden.

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